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Zahl der Wolfsrisse explodierte 2022

Nach Kärnten, Tirol und Niederösterreich hat im April auch Oberösterreich angekündigt, seine Wolfsverordnung zu ändern, um Risiko- bzw. Problemtiere abschießen zu können.

Ein Blick auf die Nutztierriss-Statistik 2022 zeigt, dass Kärnten und Tirol mit jeweils knapp über 400 getöteten Tieren mit Abstand die höchsten Zahlen aufwiesen, in Oberösterreich wurden da zwei Schafe gelistet, 15 waren es in Niederösterreich. Österreichweit stiegen die Risse jedoch mit den Jahren enorm.

Zahl der Risse stieg stark

Vergleicht man die Risse des Vorjahrs in ganz Österreich mit denen von 2021, so sieht man bei den toten Tieren, die Wölfen zugeordnet werden, es sind dies vor allem Schafe und Ziegen, eine deutliche Steigerung, denn 782 dieser Tiere wurden in Vorjahr gerissen, 498 Tiere waren es noch 2021, die laut Zusammenstellung des Österreichzentrums "Bär, Wolf, Luchs" getötet wurden. Ziegen sind dabei die Minderheit, da sie seltener gehalten werden.

Nimmt man die Nutztierverluste nicht nur bei den getöteten, sondern auch bei den verletzten oder abgängigen Tieren gesamt, ergänzt um einige wenige Fälle von Rind, Pferd, Gatterwild vor allem durch den Wolf, zeigt sich ein noch extremeres Bild, denn hier geht der Sprung von 672 im Jahr 2021 auf 1.780 im Vorjahr. Auch hier liegen Tirol und Kärnten ganz vorne, 980 bzw. 879 Tiere sind es dann in Summe.

Problem für Landwirtschaft

Das Vorkommen von Bären ist in Österreich hingegen nicht ein derartiges Problem, das zeigen auch die Zahlen von 2022: In Kärnten wurde ein geplünderter Bienenstock einem Bären zugerechnet, nur in Tirol scheint der Bär größer auf, 41 getötete und 66 verschwundene Schafe wurden ihm in diesem Jahr zur Last gelegt. Im September 2022 machte ein Bär in Häselgehr im Tiroler Lechtal besonders Schlagzeilen, der mehr als 30 Schafe und Ziegen gerissen haben soll.

In Tirol ist der Wolf angesichts zahlreicher Schafsrisse inzwischen ein Dauerthema und erregt vor allem die Bauernschaft, aber auch sonstige Gesellschaftsbereiche. Zuletzt zog die seit Herbst 2022 amtierende schwarz-rote Landesregierung deutlich die Schrauben an. Im Februar wurde mit breiter Landtagsmehrheit mit Ausnahme der Grünen eine Gesetzesnovelle zum Jagdgesetz beschlossen, mit der ein leichterer Abschuss von Problem- und Risikowölfen per Verordnung statt Bescheid ermöglicht wird. "Risiko- oder Schadtier" kann dadurch zum Abschuss freigeben werden.

Tierschutz sieht Rechtsbruch

Die Verordnungen sind unmittelbar rechtswirksam und können ohne Verzögerungen durch Einsprüche durchgeführt werden. Letztere führten dazu, dass im Bundesland noch kein Wolf legal geschossen wurde. Schwarz-Rot sprach in Bezug auf die neue Regelung offen von einem juristischen Grenzgang. Organisationen wie der WWF oder der "Verein gegen Tierfabriken" (VGT) orteten hingegen einen glatten Bruch von EU-Recht.

Die Regelung gilt auch für andere "große Beutegreifer" bzw. "Großraubtiere" wie Bären, Luchse und Goldschakale. Der Abschuss von beispielsweise Wölfen ist etwa dann möglich, wenn ein Wolf wiederholt Weidetiere im Alpschutzgebiet angreift, hatte es seitens der politisch Verantwortlichen geheißen. Eine Abschussgenehmigung gilt für höchstens acht Wochen und innerhalb eines Radius von zehn Kilometern des ersten Angriffs. Sie wird dann erlassen, wenn bei einem einzelnen Angriff mindestens fünf Schafe oder Ziegen getötet oder zumindest ein Rind, Pferd oder Esel getötet oder verletzt werden.

Parteien wollen Senkung des Schutzstatus

Mit Ausnahme der Grünen wird in Tirol von den anderen politischen Parteien zudem die Senkung des Schutzstatus des Wolfes auf europäischer Ebene gefordert. Zuletzt attackierten Tiroler ÖVP-Nationalratsabgeordnete einmal mehr Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ob ihrer "Wolfs-Politik". In Tirol waren im Jahr 2022 insgesamt 19 verschiedene Wölfe und drei Bären nachgewiesen worden. Heuer waren es laut Land bisher zumindest fünf verschiedene Wölfe und zwei Bären.

Lage in den Ländern 

Im Land Kärnten, das zahlenmäßig ähnlich wie Tirol betroffen ist, gibt es seit Jänner 2022 eine eigene Verordnung, die den Abschuss von Wölfen erleichtert. Konkret wird darin zwischen Schadwölfen (die nachweislich mehrere Nutztiere reißen) und Risikowölfen (die sich mehrmals in besiedeltes Gebiet vorwagen) unterschieden. Diese Verordnung wurde vor drei Monaten noch einmal nachgeschärft: Unter anderem wurde die Zahl der insgesamt gerissenen Nutztiere, ab der ein Wolf als Schadwolf gilt, gesenkt.

Laut Informationen aus dem Büro des zuständigen Referenten Martin Gruber (ÖVP) hieß es auf APA-Anfrage, bisher wurden in Kärnten drei Wölfe verordnungskonform erlegt. Die Verordnung gilt vorerst zwei Jahre lang nach dem ersten Inkrafttreten - im Jänner 2024 wird die Situation also erneut beurteilt und entschieden, ob sie verlängert wird. Unterdessen gibt es Hinweise, dass sich in Kärnten ein drittes und sogar ein viertes Wolfsrudel gebildet haben könnten, berichtete der "Kurier" unter Berufung auf den Kärntner Wolfsbeauftragten Roman Kirnbauer. 2022 wurden in Kärnten 390 Schafe von Wölfen gerissen, mehr als 400 gelten als vermisst.

Steiermark sieht keinen Handlungsbedarf

In der Steiermark sei die Lage hingegen völlig anders als in Kärnten oder Tirol, hieß es dort unter Hinweis auf eine Evaluierung aus dem Büro von Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ), denn 2021 wurden zehn Tiere vom Wolf gerissen, 2022 dann gar nur zwei. "Im Moment sehen wir daher keinen Handlungsbedarf – wir verfolgen die Situation aber genau, um – wenn nötig, weitergehende Schritte setzen zu können", so das Statement gegenüber der APA.

Nicht zuletzt tauscht sich Lackner sowohl regelmäßig mit Agrarlandesrat Hans Seitinger (ÖVP) als auch mit Landwirten und Betroffenen zu diesem Thema aus. Seitinger setzt sich in seiner Funktion als Obmann des Steirischen Bauernbunds für eine Harmonisierung der Regelungen ein: "Wölfe bedrohen die Almwirtschaft und damit die Biodiversität, den Tourismus und die Landwirtschaft. Wir müssen vorbereitete sein, denn in den Nachbarbundesländern explodieren die Wolfspopulationen und damit auch die Opferzahlen. Da Wölfe keine Bundeslandgrenzen kennen, ist für mich klar, dass es eine Harmonisierung der jeweiligen Verordnungen der Bundesländer braucht um Mensch und Tier vor Problemwölfen zu schützen."

In Oberösterreich wurde die Notwendigkeit eines neuen Entwurfes, der Ende April in Begutachtung geht, hingegen wegen des Risses von neun Schafen in Gramastetten (Bezirk Urfahr-Umgebung) Anfang des Monats durch einen Wolf begründet. Aktuell dürften im nordöstlichen Grenzgebiet vier Rudel leben, 25 Wölfe dürften sich insgesamt in Oberösterreich aufhalten. In diesem Jahr gingen bereits 14 Rissmeldungen von Wildtieren ein, von denen drei nachweislich auf Wölfe zurückzuführen sind. Bei Nutztieren waren es zwölf Meldungen, neun davon nachgewiesene Wolfsrisse, so Landesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP).

Änderungspläne in Sachen Wolf gibt es auch in Vorarlberg. Man überlege derzeit, was es brauche, um im Fall eines "Problemwolfs" rascher reagieren zu können, "das ist gerade in Arbeit", so Hubert Schatz, Landeswildökologe und Leiter der Koordinationsgruppe für Großraubwild. Die Koordinationsgruppe legt unter anderem fest, welche Präventionsmaßnahmen umgesetzt werden und wie bei Wolfsichtungen bzw. -rissen verfahren wird.

Das Land Vorarlberg finanziert zudem seit 2016 ein Pilotprojekt zum Herdenschutz, so werden Weiterbildungsveranstaltungen mit Schafhaltern, -hirten und Alpbesitzern angeboten. Derzeit sei die Situation ruhig, so Schatz. Der Wolf war in Vorarlberg im 19. Jahrhundert ausgerottet worden, 2014 gab es erstmals wieder einen Nachweis. Seither kommt es immer wieder zu Nutztierrissen, zuletzt im Juli 2022 und im heurigen Winter.

In Salzburg ist es lange nicht gelungen, sich politisch auf einen Umgang mit Problemwölfen zu einigen. Zunächst versuchte das Land im Jahr 2020 einen ersten Abschuss per Bescheid zu genehmigen, das Landesverwaltungsgericht hob diesen aber nach Einsprüchen von Naturschutzorganisationen Monate später wieder auf - unter anderem, weil gelindere Mittel nicht versucht worden seien. Das verdächtige Tier war zu diesem Zeitpunkt schon längst weitergezogen. Das Land nutzt darum die Möglichkeit im Jagdgesetz, sogenannte Maßnahmengebiete zu bestimmen. Damit bestehe jederzeit die rechtliche Möglichkeit, in konkreten Fällen Abschüsse von Wölfen in bestimmten Gebieten trotz der strengen Schon- und Schutzvorschriften per Verordnung zu genehmigen, erklärte der Wolfsbeauftragte des Landes, Hubert Stock.

Dabei soll - ein Kompromiss zwischen ÖVP und Grünen in der Landesregierung - unter anderem speziell geprüft werden, ob Herdenschutzmaßnahmen zumutbar waren. In Salzburg kam es 2019 und 2021 zu einzelnen Vorfällen mit Dutzenden getöteten und verletzten Schafen, im relativ ruhigen Jahr 2022 wurden bei vier Wolfsangriffen zwölf Nutztiere getötet.

ribbon Zusammenfassung
  • Nach Kärnten, Tirol und Niederösterreich hat im April auch Oberösterreich angekündigt, seine Wolfsverordnung zu ändern, um Risiko- bzw. Problemtiere abschießen zu können.
  • Ein Blick auf die Nutztierriss-Statistik 2022 zeigt, dass Kärnten und Tirol mit jeweils knapp über 400 getöteten Tieren mit Abstand die höchsten Zahlen aufwiesen, in Oberösterreich wurden da zwei Schafe gelistet, 15 waren es in Niederösterreich.