Wissenschafter suchen klimawandelresistente Nutzpflanzen
In der Pflanzenzüchtung hat man bisher vor allem oberirdische, gut sichtbare Kennzeichen (Biomarker) der Gewächse berücksichtigt, so Oburger: "Das macht ja auch Sinn, denn das sind oft jene Pflanzenteile, die man als Lebensmittel erntet." Allerdings spielen die Wurzeln für das Wachstum eine große Rolle, weil sie essenzielle Ressourcen wie Wasser und Nährstoffe aus dem Boden akquirieren. "Man darf auch nicht unterschätzen, wie wichtig sie für die Pflanzen sind, wenn es darum geht, Stress durch veränderte Umweltbedingungen abzufedern", so die Forscherin.
Ein bekanntes Beispiel dafür seien unterschiedliche "Wurzelverzweigungswinkel" (root branching angles): Bei Trockenstress ist logischerweise ein tief in den Boden reichendes Wurzelsystem vorteilhaft, weil Wasser dann eher weiter unten zu finden ist. Allerdings ist etwa bei Phosphormangel ein flaches Wurzelsystem besser, denn dieser Nährstoff befindet sich vor allem im Humus-reichen Oberboden nahe der Oberfläche.
Im von der EU geförderten Projekt "Roots-2-Resilience" ("Wurzeln für Widerstandsfähigkeit") untersucht Oburger zusammen mit Wissenschaftern aus elf europäischen Ländern sowie Marokko und Südafrika systematisch, welche Anpassungen des Wurzelsystems die Widerstandskraft der Gewächse erhöhen: "Pflanzenzüchter stellen verschiedenstes Saatgut zur Verfügung und wir testen die Anpassungsfähigkeit an veränderten Umweltbedingungen im Detail", so die Forscherin: "Mit Hilfe unserer Ergebnisse werden Pflanzengenetiker dann nach systematisch erfassbaren Kennzeichen für hohe Widerstandsfähigkeit auf dem Erbgut suchen. Zusätzlich sollen von Mathematikern neu entwickelte Computermodelle helfen, die Vorgänge in Stresssituationen im Boden-Pflanze-System besser zu verstehen."
Die österreichische Forscherin widmet sich am Institut für Bodenforschung der Boku speziell den "Wurzelexsudaten". Das sind Stoffwechselprodukte, die Pflanzen durch die Wurzeln an den Boden abgeben. Sie spielen eine ganz zentrale Rolle in vielen Prozessen der Rhizosphäre, also den von lebenden Wurzeln beeinflusstem Raum im Boden, und prägen die Interaktionen zwischen den Pflanzen und dortigen Mikroorganismen, erklärte Oburger: "Meist werden diese Substanzen der Einfachheit halber bei Pflanzen untersucht, die in einer künstlichen Nährlösung wachsen." Doch die funktionellen Abläufe - die Physiologie - unterscheiden sich grundlegend, wenn eine Pflanze in Nährlösung oder in einem Boden samt seinem Mikrobiom - der Mikroben-Lebewelt - wächst. "Wenn es darum geht, die Boden-Mikroorganismen-Pflanze-Interaktionen zu verstehen, ist es essenziell, Wurzelexsudate in verschiedensten echten Böden zu analysieren", sagte sie.
Eva Oburger will sich nun also genau ansehen, welche Wurzelexsudate diverse Sorten von Gerste, Weizen, Kartoffeln, Acker- und Sojabohnen sowie Süßkartoffeln an den Boden abgeben und ob sich dies bei verschiedenen Umweltbedingungen ändert. Diese Erkenntnisse sollen dann gemeinsam mit jenen der anderen europäischen Forscher in der Pflanzenzüchtung genutzt werden, um klimawandelresiliente Nahrungsmittelpflanzensorten zu identifizieren und anbauen zu können.
(S E R V I C E - www.root2res.eu)
Zusammenfassung
- Weil die Wurzeln entscheidend sind, wie gut Gewächse etwa mit Trockenheit, Nährstoffmangel oder Staunässe zurechtkommen, untersucht sie mit Kollegen, welche unterirdischen Merkmale sie möglichst widerstandsfähig machen.
- In der Pflanzenzüchtung hat man bisher vor allem oberirdische, gut sichtbare Kennzeichen der Gewächse berücksichtigt, so Oburger: "Das macht ja auch Sinn, denn das sind oft jene Pflanzenteile, die man als Lebensmittel erntet."