Wiener Bildungsdirektor: Schulabmeldungen ein "Problem für Jugendliche"
Bereits knapp über 3.600 Kinder wurden österreichweit aus Angst vor einer Corona-Ansteckung vom Unterricht abgemeldet - Experten befürchten eine Steigerung auf bis zu 6.000 Kindern. Ein Trend, den Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) mit Sorge betrachtet und der eine Reform des Schulpflichtgesetzes, das noch aus dem 19. Jahrhundert stammt, in den Mittelpunkt der Debatte gerückt hat.
Der bundesweite Anstieg bei den Schulabmeldungen sei in Wien nur bedingt eingetreten, meint Heinrich Himmer, Bildungsdirektor der Stadt Wien, im PULS 24 Interview. In Wien hätte es bisher rund 190 Anmeldungen für Heimunterricht gegeben. Das liege nicht über den Zahlen der letzten Jahre. Insgesamt würden derzeit 300 bis 450 Kinder in der Bundeshauptstadt zuhause unterrichtet werden.
Abmeldungen "hoch problematisch"
Dennoch sieht Himmer die Abmeldungen vom Unterricht in der Schule "hoch problematisch". Dadurch falle die Möglichkeit zum Austausch mit Menschen außerhalb der eigenen Familie weg. Dies sei ein "gewaltiger Nachteil" für die Kinder und Jugendlichen. "Eine Schule, eine Klasse mit all den Vorteilen, die sie bittet, kann eben nur in einem Klassenraum stattfinden", fasst Himmer seinen Standpunkt zusammen.
Auch würden Eltern "die Herausforderung, Schule selbst zu machen" unterschätzen. Insbesondere was für eine Belastung Heimunterricht für das Familienleben und die Beziehung zwischen Kind und Vater oder Mutter sein kann, sei vielen Eltern nicht bewusst, meint Himmer.
Der Präsident des Elternverbands, Christoph Drexler meint im PULS 24 Interview, dass die Abmeldungen eine "Nebenwirkung" des Umgangs der Corona-Pandemie in Österreich sein könnten. "Es scheint, dass Eltern das Vertrauen in Österreichs Schulen verloren haben", sagt Drexler und fordert die Behörden auf, hier Nachforschungen anzustellen.
Christoph Drexler, Präsident des Elternverbands, im PULS 24 Interview über mögliche Gründe für die steigenden Schulabmeldungen.
Reform des Gesetzes "sinnvoll"
Die steigende Zahl der Abmeldungen hat die Blicke auf das Schulpflichtgesetz gelenkt, das noch aus dem 19. Jahrhundert stammt. Auch Himmer hält die Regelung für Schulabmeldungen veraltet. Deshalb würden "sehr, sehr lockere Regeln" gelten und die Abmeldung könne noch knapp vor Schulstart eingereicht werden.
Die Kinder- und Jugendanwältin der Stadt Wien, Dunja Gharwal, forderte im PULS 24 Interview, dass Eltern für den häuslichen Unterricht ein pädagogisches Konzept vorlegen müssen. Auch eine regelmäßige Überprüfung des Unterrichts zuhause müsse eingeführt werden. Himmer kann den Ideen viel abgewinnen. So könnte der Staat feststellen, ob Eltern Bildung so gut wie eine Schule vermitteln können.
Dunja Gharwal, Kinder- und Jugendanwältin der Stadt Wien, erklärt im PULS 24 Interview, dass gegen Schulabmeldungen rechtlich schwer vorzugehen ist.
Eine Reform, die das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt rücke, ist für Himmer "sinnvoll". Dies würde auch der Linie der Stadt Wien entsprechen, die Eltern mit Verunsicherungen und Fragen zu Gesprächen einlade. Dabei werde auch überprüft, was die Hintergründe für den Abmeldungswunsch seien . Hier stehe "das Kindeswohl im Mittelpunkt", führt Himmer aus.
Eine Reform sei auch nötig, damit jene Eltern, "die es gut machen", weitermachen können. Zum Wohl des Kindes sei Unterricht zuhause immer "durchaus möglich", betont Himmer. Es müsse aber ein "Graubereich" vermieden werden, in dem das Kindeswohl nicht mehr oberste Priorität habe.
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Zusammenfassung
- Bereits 3.600 Kindern wurden österreichweit aus Angst vor einer Corona-Ansteckung vom Unterricht abgemeldet - Experten befürchten eine Steigerung auf bis zu 6.000 Kindern.
- Ein Trend, den Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) mit Sorge betrachtet und der eine Reform des Schulpflichtgesetzes, das noch aus dem 19. Jahrhundert stammt, in den Mittelpunkt der Debatte gerückt hat.
- Der bundesweite Anstieg bei den Schulabmeldungen sei in Wien nur bedingt eingetreten, meint Heinrich Himmer, Bildungsdirektor der Stadt Wien, im PULS 24 Interview.
- In Wien hätte es bisher rund 190 Anmeldungen für Heimunterricht gegeben. Das liege nicht über den Zahlen der letzten Jahre. Insgesamt würden derzeit 300 bis 450 Kinder in der Bundeshauptstadt zuhause unterrichtet werden.
- Dennoch sieht Himmer die Abmeldungen vom Unterricht in der Schule "hoch problematisch". Dadurch falle die Möglichkeit zum Austausch mit Menschen außerhalb der eigenen Familie weg. Dies sei ein "gewaltiger Nachteil" für die Kinder und Jugendlichen.
- Auch würden Eltern "die Herausforderung, Schule selbst zu machen" unterschätzen. Insbesondere was für eine Belastung Heimunterricht für das Familienleben und die Beziehung zwischen Kind und Vater oder Mutter sein kann, sei vielen Eltern nicht bewusst.