Wiederangesiedelte Waldrappe mit guten Überlebens-Chancen
Aus einem Waldrapp-Projekt der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau im Almtal (OÖ) ging 2012 ein von der EU im "LIFE Programm" gefördertes Projekt zur Wiederansiedlung des Waldrapps (Geronticus eremita) in den Alpen hervor. An dieses schließt seit dem Vorjahr das zweite, bis 2028 laufende Projekt "LIFE20: Northern Bald Ibis" an, das vom Tiergarten Schönbrunn geleitet wird und in dem zehn Partner aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz kooperieren.
Grundlage für diese Bemühungen sind Waldrappküken aus Zuchtprogrammen zoologischer Gärten. "Die Küken werden von menschlichen Pflegeeltern aufgezogen und darauf trainiert, einem Ultraleichtflugzeug mit Pflegeeltern als Co-Piloten zu folgen. Auf diese Weise werden die Jungvögel im Herbst ins Überwinterungsgebiet geführt, wo sie ausgewildert werden", erläutert Johannes Fritz, Leiter und Gründer vom österreichischen "Waldrappteam Conservation and Research". Der österreichische Biologe führte schon vor rund 20 Jahren als Pilot eines Leichtflugzeugs die Vögel über die Alpen nach Italien.
Die so ausgewilderte Population pflanzt sich seit 2011 erfolgreich fort und umfasst derzeit etwa 200 Individuen in den Kolonien Burghausen in Bayern, Kuchl in Salzburg, Überlingen am Bodensee und der jüngsten Kolonie im Tierpark Rosegg in Kärnten, wie Fritz gegenüber der APA erklärte. Bisher wuchsen 250 wilde Jungvögel in den Kolonien auf.
Seit Beginn des Projekts wurden zahlreiche Daten über Hunderte Vögel der Population gesammelt, die Fritz und sein Team nun gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin ausgewertet und damit Zukunftsszenarien modelliert hat. Demnach lag die Überlebensrate für wild geschlüpfte Vögel im ersten Jahr bei 52 Prozent, für freigelassene Jungvögel bei 73 Prozent. Von den erwachsenen Vögeln überleben vier von fünf Tieren (78 Prozent). Das sind nach Angaben der Forscher im Vergleich mit anderen Kolonien und mit der letzten Wildpopulation in Marokko "gute Werte".
Als "herausragend" werten sie die Fortpflanzungsrate mit durchschnittlich 2,15 flüggen Jungvögeln pro Nest. "Dieser Reproduktionserfolg liegt deutlich über den Werten der meisten wild lebenden Bestände und Zookolonien. Wir führen dies auf das reichhaltige Nahrungsangebot in den Brutgebieten zurück", so Fritz.
Eine Analyse der Überlebensfähigkeit der Population zeigte, dass diese auf einem guten Weg zur Selbsterhaltung sei. Selbst Umweltkatastrophen wie etwa jener Orkan, der im November des Vorjahrs 27 Waldrappe in nur einer Nacht das Leben kostete, könne die derzeitige Population relativ gut kompensieren.
Ziel des laufenden Projekts sei es, die Population auf mehr als 350 Individuen anwachsen zu lassen, "dann sollte sie selbstständig überlebensfähig sein". Dazu sind einerseits weitere Auswilderungen geplant, andererseits auch neue Koloniegründungen in der Schweiz, am Alpensüdrand und auch in der Region Salzburg.
Zudem müsse in den nächsten Jahren die durch Menschen verursachte Mortalität reduziert werden. Mit 40 Prozent der Verluste sei der Stromschlag an ungesicherten Strommasten die mit Abstand häufigste Todesursache bei den Waldrappen, betonte Fritz. Dazu komme in Italien die illegale Vogeljagd. Der Biologe verweist auf Deutschland, wo seit 2016 Strommaste durch gesetzliche Vorgaben entsprechend gesichert sein müssen. "Seither verlieren wir dort keinen einzigen Vogel mehr."
In Österreich gebe es Kooperationen mit Stromnetzbetreibern in Oberösterreich, Salzburg und Kärnten, um Risikomasten in den Brutgebieten zu sichern. Das seien aber nur regionale Maßnahmen, eine flächendeckende Regelung sei in Österreich derzeit noch nicht in Sicht. Dies würde nicht nur für Waldrappe einen "entscheidenden Unterschied machen, auch beim Uhu und anderen großen Vogelarten wie Störchen, Rotmilanen und Bussarden gebe es hohe Verluste durch Stromschlag. Dabei seien Maßnahmen "technisch relativ simpel zu machen".
Wichtig sei auch eine gründlichere Beurteilung der Auswirkungen des Klimawandels. So verzögert sich der Beginn des Herbstzugs der Waldrappe sukzessive, was wahrscheinlich auf die zunehmend milderen Temperaturen im Spätherbst zurückzuführen ist. Infolgedessen hätten die Vögel immer größere Probleme die Alpen zu überqueren, vermutlich mangels unterstützender Thermik.
(SERVICE - Publikation: https://doi.org/10.1017/S0030605322000540; Projekt-Website: https://www.waldrapp.eu/)
Zusammenfassung
- Waldrappe waren bis ins 17. Jahrhundert in Mitteleuropa heimisch, verschwanden aber durch exzessive Bejagung.
- Seit über 20 Jahren bemüht man sich um die Wiederansiedlung der Vögel in Europa, mittlerweile leben in den europäischen Alpen wieder rund 200 Tiere.
- Demnach lag die Überlebensrate für wild geschlüpfte Vögel im ersten Jahr bei 52 Prozent, für freigelassene Jungvögel bei 73 Prozent.
- Dazu komme in Italien die illegale Vogeljagd.