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Wie die Entdeckung des Alls unser Welt-Bild veränderte

Von der "Entdeckung der ganzen Erde" und dem damit verbundenen neuen Umweltbewusstsein durch die ersten Bilder unseres Planeten, die Menschen vom Weltraum aus gemacht hatten, berichtete der Wissenschaftshistoriker Robert Poole bei einem Gastvortrag an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Montagnachmittag. Die beiden Aufnahmen "Earthrise" und "Blue Marble" zählen wohl zu den berühmtesten des letzten Jahrhunderts.

Dabei hatten Fotografien der Erde eingangs gar nicht zu den Prioritäten der Raumfahrtbehörde NASA gezählt: 1966 wurden im Rahmen des Lunar-Orbiter-Programms unbemannte Mondsonden in die Umlaufbahn des Mondes geschickt, um die Mondoberfläche zu erkunden und mögliche Landeplätze zu suchen. "Die Techniker merkten während der Operation, dass sie immer weiter Fotos machen mussten, um die hochkomplexen technischen Prozesse am Laufen zu halten", erklärte Poole. Da es nicht so viel Spannendes abzulichten gab, drehten sie die Kamera um - weg von der eigentlichen Mission - um das erste Schwarz-Weiß-Foto der Erde vom Mond aus zu machen.

Viel bekannter wurde aber eine andere Aufnahme: Im Rahmen der Apollo-8-Mission wurden zum ersten Mal drei Astronauten in die Umlaufbahn des Mondes geschickt. Zwar lag ihr Fokus auch diesmal nicht darauf, Aufnahmen der Erde zu erstellen, aber sie hatten Kameras dabei und waren vor dem Start von Dick Underwood, der für Fotografie im Rahmen der Apollo-Missionen zuständig war, entsprechend vorbereitet worden. Auf der Mission umkreisten sie den Mond zehn Mal. "Auf der vierten Runde waren sie mit Routinearbeiten beschäftigt und wurden von dem Aufgehen der Erde hinter dem Mond überrascht", sagte Poole. Den Astronauten William Anders, der die ikonische Aufnahme "Earthrise" gemacht hat, zitierte der Historiker folgendermaßen: "Mich überkam der Gedanke, dass wir den ganzen Weg zum Mond gekommen sind, und das Wichtigste, was wir sehen, die Erde ist."

Ein ähnlich populäres Bild konnte Apollo-17, die letzte Apollo-Mission, 1972 mit "Blue Marble" auf dem Weg zum Mond aufnehmen. Im Gegensatz zu "Earthrise" bildete es das ganze Erdenrund ab. In seinem historischen Kontext stellt es auch ein Symbol für die erstarkende globale Umweltbewegung dar, erklärte Poole. Seit den 1950er-Jahren hatten Denkerinnen und Denker schon die Metapher eines Raumschiffes Erde, das vorsichtig und friedlich verwaltet werden müsse, verwendet. "Diese Metapher hob gewissermaßen ab, als solche Fotos unseren Planeten genau so gezeigt haben", so Poole weiter. Eingangs ging es dabei eher um die technologische Kontrolle von Ressourcen - erst später um Umweltmanagement.

Viele Science-Fiction-Autoren hatten zuvor über das Bild, das man sich aus dem Weltall von dem blauen Planeten machen würde, gerätselt - mit einer gänzlich anderen Schlagrichtung: Die Version der Geschichte bis dahin sei es gewesen, die Erde hinter sich zu lassen, um zu sehen, dass sie nur einer von vielen Planeten ist. Die Erkundung des Raumes hatte die Erde auf diese Weise aber nicht obsolet gemacht, sondern vielmehr ihre Einzigartigkeit unterstrichen. "Das originale 'Blue Marble' symbolisiert damit auch den historischen Schritt vom Glauben an uneingeschränkten Fortschritt zu einem Verständnis der planetaren Grenzen", sagte Poole.

Das Apollo-Programm habe auch fast zeitgleich mit Durchbrüchen der globalen Umweltbewegung stattgefunden: Im September 1968 wurde etwa die "International Biosphere Conference" in Paris einberufen, 1969 die NGO "Friends of the Earth" gegründet und 1972 fand die erste Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen statt.

Zuvor war die Erde zwar im Rahmen des "Kalten Krieges" als "integrierte Biosphäre" im militärischen Kontext vermessen und gedacht, nicht aber gesehen worden. Die Aufnahmen lassen sich auch mit aufkommenden wissenschaftlichen Theorien zur Erde als ganzheitliches System in Verbindung bringen. Die berühmteste sei wohl James Lovelocks "Gaia-Hypothese" von der Erde als lebendigem Ganzen, wie der Historiker erklärte.

Mitte der 1980er-Jahre wurde die Kombination von Bio- und physikalischen Wissenschaften im Zusammenhang mit der Erdbeobachtung von der NASA dann als "Earth System Science" gelabelt - "Diese Verbindung ist bis heute essenziell für die einzelnen Wissenschaften, aber auch für unser Verständnis der Welt 'von oben'", resümierte Poole.

(S E R V I C E - https://go.apa.at/1NXu1dW0)

ribbon Zusammenfassung
  • Die ikonischen Fotografien 'Earthrise' und 'Blue Marble' entstanden während der Apollo-Missionen, obwohl die NASA ursprünglich keine Erdaufnahmen geplant hatte.
  • Diese Bilder trugen wesentlich zur globalen Umweltbewegung der 1970er Jahre bei, indem sie ein neues Umweltbewusstsein schufen.
  • Die Entwicklung der 'Earth System Science' und die 'Gaia-Hypothese' spiegeln das veränderte Verständnis der Erde als ganzheitliches System wider.