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Weniger Gebildete sterben im Kloster nicht früher

In Österreich leben Akademiker im Schnitt sieben Jahre länger als Männer mit Pflichtschulabschluss, bei Frauen beträgt der Unterschied drei Jahre. Demographen sind nun der Frage nachgegangen, ob weniger gebildete Personen auch unter gleichen Lebensbedingungen wie höher Gebildete früher sterben. Anhand der Lebensdaten von Mönchen aus der "Klosterstudie" zeigen sie, dass bei gleichen Lebensbedingungen der Bildungsgrad keine große Rolle bei der Lebenserwartung spielt.

In zahlreichen Studien wurde bereits dokumentiert, dass Menschen mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status (typischerweise gemessen anhand Bildung, Einkommen oder beruflicher Stellung) einem höheren Risiko für schlechte Gesundheit und höhere Sterblichkeit unterliegen als Personen mit einem höheren Status. Diese gesundheitlichen Ungleichheiten sind erheblich, schreiben die Forscher um Marc Luy vom Institut für Demographie der ÖAW in ihrer im "Journal of Health and Social Behaviour" veröffentlichten Studie: Der Unterschied bei der durchschnittlichen Lebenserwartung bei der Geburt beträgt demnach typischerweise fünf bis zehn Jahre.

Die Gründe dafür sind vielfältig, zahlreiche zusammenhängende Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Dazu zählen Einkommen, Arbeits- und Wohnbedingungen, der Zugang zur Gesundheitsversorgung ebenso wie Stress im Alltag, soziale Konflikte und Ausgrenzung, geringe soziale Unterstützung, hoher Alkohol- und Tabakkonsum, körperliche Inaktivität und unzureichende Ernährung. Viele dieser Faktoren hängen mit dem Bildungsstand einer Person zusammen.

Luy hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Österreich und Deutschland untersucht, wie stark die Bildung die Lebenserwartung beeinflusst, wenn diese Faktoren nicht so stark zwischen den Bildungsgruppen variieren, so wie das bei Ordensleuten der Fall ist. Sie nutzten für ihre Studie die Lebensdaten von katholischen Mönchen aus vier vorwiegend in Süddeutschland beheimateten Orden.

Keine Unterschiede unter Kloster-Bedingungen

Konkret wurden für die Analyse die Daten von 2.857 Mönchen verwendet, die zwischen 1840 und 1959 geboren wurden. Um deren Bildungsstand abzuschätzen, wurden die in den Daten verzeichneten Ordenstitel herangezogen: "Pater" und "Kleriker" haben demnach in der Regel einen Hochschulabschluss, während "Brüder" üblicherweise ein niedrigeres Bildungsniveau aufweisen.

Es zeigte sich, dass es unter solch standardisierten Lebensbedingungen wie im Kloster keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Sterblichkeit von Mönchen mit höherer oder niedriger Bildung gibt. "Die beiden Gruppen der Ordensleute hatten über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren eine nahezu identische Lebenserwartung", erklärte Luy gegenüber der APA. Damit unterstützt die Arbeit das in der Wissenschaft als "Fundamental Cause Theory" bezeichnete Denkmodell, nach dem die sozialen Unterschiede in der Lebenserwartung vor allem auf den ungleichen Zugang zu Ressourcen wie Geld, Wissen, Netzwerken oder Einfluss zurückzuführen sind.

Luy räumt ein, dass die neue Studie zwar nicht klären kann, welche dieser Ressourcen die größte Bedeutung für die unterschiedliche Lebenserwartung der Bildungsgruppen in der Gesamtbevölkerung hat. Aber sie zeige, "dass sich die Differenzen nicht nur reduzieren, sondern nahezu komplett eliminieren lassen".

(SERVICE - Internet: https://doi.org/10.1177/00221465241291847)

ribbon Zusammenfassung
  • In Österreich zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Akademikern und Männern mit Pflichtschulabschluss von sieben Jahren, während dieser Unterschied bei Frauen drei Jahre beträgt.
  • Die Klosterstudie, die Lebensdaten von 2.857 Mönchen auswertete, ergab, dass unter gleichen Lebensbedingungen im Kloster der Bildungsgrad keinen signifikanten Einfluss auf die Lebenserwartung hat.
  • Die Forschung unterstützt die 'Fundamental Cause Theory', die besagt, dass soziale Unterschiede in der Lebenserwartung vor allem auf ungleichen Zugang zu Ressourcen wie Geld und Netzwerken zurückzuführen sind.