Tirols Polizeichef gegen Denkverbote bei Dienststellen
"Die Zeit, wo jedes dritte Dorf eine Polizeiinspektion mit drei Bediensteten hatte, ist vorbei", erklärte Tomac und sah die derzeitige Dienststellen-Struktur Tirols verbesserungswürdig. Es gehe um "Sicherheit am Puls der Zeit und einen höheren Grad der Selbstbestimmtheit von Polizistinnen und Polizisten versus Kleinstdienststellen", plädierte der Landespolizeidirektor für eine offene Diskussion. "Das Denken muss geändert werden. Die Kleinststrukturiertheit ist nicht die Organisationsform der Zukunft", fand Tomac, der mit 1. März nach drei Jahren in Wien in seine alte Position als Landespolizeidirektor zurückgekehrt war, klare Worte. Der Dienstgeber sei angesichts zahlreicher Herausforderungen wie der Attraktivierung des Polizistenberufs, aufgefordert, "innovativ zu denken". Es gelte generell, "altbewährte Dinge" zu hinterfragen: "Das isolierte Arbeiten von Dienststellen gehört der Vergangenheit an, der Standort einer Polizeiinspektion wird immer weniger eine Rolle spielen. Das Polizeischild im Dorf ist schon länger nicht mehr der Ausweis oder Garant für Sicherheit. Dafür gibt es mittlerweile andere Parameter", so Tirols oberster Polizist.
Die kleinststrukturierte Organisationsform sei "nicht nur ineffizient, sondern auch ineffektiv und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachteilig", argumentierte Tomac. "Bei all den Überlegungen geht es keineswegs ums Sparen, vielmehr um den bestmöglichen Einsatz vorhandener Ressourcen", unterstrich der Tiroler Polizeichef. Tomac verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Exekutive in Österreich noch nie so viel Budget wie in den vergangenen drei Jahren erhalten habe. Er selbst habe dies bei den Budgetverhandlungen erlebt. Immer wieder habe es "Rekordergebnisse" gegeben.
Tirol sei in Sachen effizienter Strukturen und in der Vermeidung von Kleinstdienststellen auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel angelangt, meinte Tomac. Veränderungen würden zuerst immer abgelehnt, ehe man erkenne, dass sie notwendig seien und Vorteile haben würden. So habe es seinerzeit, als er zum ersten Mal zum Landespolizeidirektor bestellt worden war, in Osttirol acht Dienststellen gegeben. Nunmehr seien es drei mit entsprechend starker Besetzung. "Heute sprechen nicht nur die Zahlen eine deutliche Sprache, sondern auch die breite Akzeptanz dieser Strukturmaßnahmen intern wie auch extern", so Tomac.
"Wir müssen Polizeiarbeit in vielen Bereichen in größeren Einheiten, in Verbünden und Regionen denken", sah Tomac die künftige Marschrichtung der Exekutive. Diese Überlegungen gingen einher bzw. seien untrennbar verbunden mit der Notwendigkeit, die polizeilichen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen und den Polizeiberuf attraktiver zu machen bzw. am Arbeitsmarkt zu bestehen. Attraktivität, Dienstzeitmanagement und Dienststellenstruktur würden einander bedingen.
Man stehe vor der Herausforderung, ausreichend vorhandene Arbeitsplätze "mit Leben, also mit Personal zu füllen". Ca. 40 Prozent des Exekutivpersonals würde allein bis 2030 in den Ruhestand gehen, verdeutlichte Tomac die Dringlichkeit von Maßnahmen und beschrieb die Ist-Lage: "Die Generationen Y und Z legen nun einmal viel Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. Dem wird der Polizeidienst derzeit nicht in ausreichendem Maß gerecht." Man werde sich mittelfristig einem "attraktiveren Dienstzeitmodell" nicht verschließen können - mit einem "höheren Grad der Selbstbestimmtheit" bzw. einem "Jahresarbeitszeitmodell" statt einem monatlichen. Als "Vision" schwebe ihm darüber hinaus eine Art "Buchungsmodell" vor, bei dem Dienststellenverbünde definiert würden, für die der Dienstgeber "Bedarfsdienstpläne" online stellt. Die Mitarbeiter könnten schließlich ihre Dienste individuell einbuchen - "so wie man in einem Hotel ein Zimmer bucht", erklärte Tomac. Kurzfristig müsse man indes an "kleinen Schräubchen" drehen und etwa den Zugang zum Beruf attraktiver gestalten. Das bestehende Dienstzeitmanagement sei nämlich "so schnell nicht änderbar".
Neben Phänomenen wie Cyberkriminalität ortete Tomac nach wie vor in der "irregulären Migration", im Tiroler Fall über den Brenner, eine besondere Herausforderung für die Zukunft. "Derzeit verzeichnen wir eine sehr ruhige Lage. Ich gehe aber davon aus, dass diese irreguläre Migration in der warmen Jahreszeit wieder steigen wird", so der Landespolizeidirektor. Seit einiger Zeit finde die Migration von Italien Richtung Norden nur abgeschwächt statt. Dass sich Vorgänge wie während der großen Migrationswelle in den Jahren 2015 und 2016 wiederholen, als viele unkontrolliert und undokumentiert ins Land kamen, bezeichnete Tomac als "unwahrscheinlich" und verwies auf inzwischen geschaffene Organisations- und Infrastrukturen. Man beurteile jedenfalls ständig die Entwicklung der Lage neu, bei Bedarf könne das künftige Grenzmanagement am Brenner jederzeit wieder hochgefahren werden. Auch hinsichtlich verstärkter Zugkontrollen sei man "situationselastisch".
Gefragt nach der Notwendigkeit von möglichen generellen Grenzkontrollen im Falle des Falles meinte Tomac, dass diese im Tiroler Raum wohl unwahrscheinlicher seien als etwa im Süden oder Osten Österreichs. Tomac verwies zudem auf das im Bau befindliche, 8,6 Mio. Euro teure, "Grenzmanagementzentrum" am Brenner. Im Frühherbst sollen die Bauarbeiten beendet sein. Bisher arbeitete man mit einer "Container-Lösung".
Im Zuge der Bestellung von Tomac hatte es Kritik seitens der Tiroler Opposition gegeben, die Unvereinbarkeit ausmachte. Der Grund: Der seit 2012 amtierende Landespolizeidirektor ist der Lebensgefährte von Sicherheitslandesrätin Astrid Mair (ÖVP). Tomac sah indes keineswegs Unvereinbarkeit. Es gebe kaum Überschneidungen, da das Landespolizeigesetz verschwindend wenig bundespolizeiliche Aufgaben beinhalte - und diese fast ausschließlich in Bundeskompetenzen fallen würden.
(Das Gespräch führte Wolfgang Eder/APA.)
Zusammenfassung
- Die Attraktivität des Polizeiberufs sei "untrennbar" mit beiden Dingen verbunden, sagte Tomac im APA-Interview.
- Im Frühherbst sollen die Bauarbeiten beendet sein.