APA/APA/THEMENBILD/HELMUT FOHRINGER

Strafmündigkeit: Forum Justiz für Alternativen zu Gefängnis

28. Feb. 2025 · Lesedauer 4 min

Ein Raub am Bahnhofsareal, das Versenden von IS-verherrlichenden Bildern oder gar schlimmere Gewalttaten, begangen von Jugendlichen unter 14 Jahren: Probleme, mit denen sich das Tiroler Forum Justiz Donnerstagabend beschäftigte. Die Frage nach der Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf zwölf Jahre wurde von den Experten aber großteils abgelehnt. Man war sich einig: Das Gefängnis sei kein Ort für Kinder. Sanktionen mit Erziehungsmaßnahmen brauche es aber sehr wohl.

"Es ist unbefriedigend, wenn der Eindruck entsteht, dass staatliche Einrichtungen nur zusehen können und warten, bis ein Kind endlich strafmündig wird", beschrieb Staatsanwalt Hansjörg Mayr im voll besetzten Schwurgerichtssaal am Landesgericht Innsbruck die oftmals herrschende Situation. Zahlen würden aber zeigen, dass die Jugendkriminalität sinkt. Es sei aus seiner Sicht wichtig, dass auf straffälliges Verhalten reagiert werde, "aber es muss angepasst sein".

Es bedürfe nämlich nicht nur einer bloßen Bestrafung, sondern anderen Interventionen gegen den Willen von Eltern und Kindern. Derzeit könne man erzieherische Maßnahmen nur vorschlagen, aber nicht anordnen. Er sprach sich daher für Schutzmaßnahmen, wie sie es in der Schweiz gibt, also Unterbringungen mit "starker Tagesstruktur", aus. Dies gehöre aber in den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und der Pflegschaftsgerichte, fand er. Staatsanwälte verfolgen nämlich "Straftäter und haben in der Regel keine pädagogische und sozialarbeiterische Ausbildung. Und Justizwachebeamte sind keine Kinderbetreuer. Auch wenn die Kinder noch so schlimm sind", hielt der öffentliche Ankläger fest.

"Wenn ein Jugendlicher außer Rand und Band ist, dann muss ich doch reagieren können", hegte Patrik Killer, Leitender Jugendanwalt in der Schweiz, offenbar ein gewisses Maß an Unverständnis über die "Diskussion in Österreich". In der Schweiz gilt die Strafmündigkeit ab zehn Jahren, allerdings stehe stets "Schutz und Erziehung" im Vordergrund. Geschlossene und offene Einrichtungen - und keine Gefängnisse - sollen dies gewährleisten. Aus seiner Sicht brauche es unbedingt die Möglichkeit, Jugendliche auch "einige Zeit aus dem System nehmen zu können".

Laut Kristin Henning, Leiterin des Vereins Neustart Tirol, gebe es in der Schweiz eine "ganz andere Vielfalt von Institutionen" als in Österreich. Richterin Andrea Steffan begründete dies mit zahlreichen Missbrauchsfällen in österreichischen Heimen, die in der Vergangenheit von der katholischen Kirche betrieben wurden. "Der Gesetzgeber hat das deswegen abgeschafft", sah sie einen Grund für die nunmehr offenbar fehlende Struktur. Für Henning müssten dafür eben "Rechtsschutzsysteme" etabliert werden, nannte sie eine Lösung.

Rechtsanwalt für Herabsetzung, aber gegen "Verteilen von Haftstrafen"

Der niederösterreichische Rechtsanwalt Martin Engelbrecht trat indes als Verfechter der Herabsetzung der Strafmündigkeit auf das vollendete zwölfte Lebensjahr auf. Es brauche dies aber "in Kombination mit anderen Maßnahmen". Auch er war nicht dafür, "Haftstrafen zu verteilen", "abschreckende Maßnahmen" würden jedoch ihre Wirkung nicht verfehlen, war er überzeugt. Engelbrecht, der vorwiegend Jugendliche zu seinem Klientel zählt, ortete indes "Änderungen in der Reife" der Kinder und Jugendlichen.

Dies bezweifelte Kathrin Sevecke, Klinikdirektorin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Hall und Innsbruck, weitgehend. Vielmehr gebe es Studien, die zeigen, dass "Jugendliche heute deutlich später Erwachsenenaufgaben übernehmen als früher", sprach sie von jungen Erwachsenen, die mit ihren Eltern zur Uni-Einschreibung kommen würden. Sehr wohl beobachte sie einen teils intensiven Drogen- bzw. Substanzkonsum, der oftmals bei Intensivtätern eine Rolle spiele. Außerdem seien Eltern oft "total überfordert" und der Einfluss von sozialen Medien sei enorm. "Die Kids haben wesentlichst mehr Zugang zu altersinadäquaten Sachen aus den Medien. Das würde ich aber nicht mit Reife gleichsetzen".

Herabsetzung nicht im Regierungsprogramm enthalten

Die Herabsetzung der Strafmündigkeit war in den vergangenen Jahren infolge schwerer Gewalttaten von Unter-14-Jährigen wiederholt diskutiert worden. ÖVP und FPÖ hatten sich vehement dafür eingesetzt. Im nunmehr zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS ausverhandelten Regierungsprogramm ist dies aber nicht zu finden. Zur Bekämpfung der Jugendkriminalität plant man stattdessen die Schaffung spezialisierter sozialpädagogischer Wohngemeinschaften der Kinder- und Jugendhilfe, für die es die "Option eng befristeter Formen von Zwangsaufenthalt mit Überprüfung der Freiheitsbeschränkungen durch Pflegschaftsrichterinnen und -richter" geben soll. Außerdem sollen Normverdeutlichungsgespräche auch für nicht strafmündige Jugendliche stattfinden. Dabei werden Betroffene etwa auf eine Polizeidienststelle geladen, um sie über rechtskonformes Verhalten zu belehren. Für unmündige Intensivtäter sind verpflichtende Fallkonferenzen vorgesehen.

Zusammenfassung
  • Das Tiroler Forum Justiz lehnte großteils die Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre ab und betonte, dass Gefängnisse kein Ort für Kinder sind.
  • In der Schweiz gilt die Strafmündigkeit ab zehn Jahren, wobei Schutz und Erziehung im Vordergrund stehen, während in Österreich spezialisierte sozialpädagogische Wohngemeinschaften geplant sind.
  • Staatsanwalt Hansjörg Mayr wies darauf hin, dass Jugendkriminalität zwar sinkt, aber auf straffälliges Verhalten reagiert werden muss, wobei Erziehungsmaßnahmen im Vordergrund stehen sollten.