Schildkröten passen Eiablage an Klimawandel an
Die Forschungsteams betrachteten drei Jahrzehnte lange Datenreihen der Unechten Karettschildkröten (Caretta caretta) und der Grünen Meeresschildkröten (Chelonia mydas). Beide suchen zur Eiablage den Alagadi-Strand in Nordzypern auf. In den Nächten zwischen Mai und September kommen die Weibchen dort an Land, graben ein Loch und legen Dutzende Eier hinein. Nach etwa zwei Monaten schlüpfen die kleinen Schildkröten und krabbeln ins Meer.
In einem Teil der Nester der Unechten Karettschildkröten platzierten die Forschenden Thermometer, wie sie im Fachblatt "Endangered Species Research" schreiben. Sie errechneten, dass die Schildkröten ihre Eier jedes Jahr im Schnitt 0,5 Tage früher ablegen müssten, damit das Geschlechterverhältnis aufrechterhalten wird, und 0,7 Tage früher, um den Schlupferfolg zu stabilisieren. Die Geschlechterzuordnung steuert sich bei Reptilien über die Nisttemperatur.
Daten seit dem Jahr 1993 zeigen laut Studie, dass die Unechten Karettschildkröten die Nistzeiten ständig vorverlegt haben. Besonders standorttreue Tiere begannen demnach 0,78 Tage pro Jahr früher. "Das ist eine gute Nachricht", meint Co-Autorin Annette Broderick von der University of Exeter in Großbritannien, "denn wir haben gezeigt, dass diese Schildkröten auf die durch den Klimawandel verursachten höheren Temperaturen reagieren, indem sie zum Nisten in kühlere Monate ausweichen."
Futterplätze oft weit entfernt
Es gebe aber keine Sicherheit, dass die Meeresschildkröten dieses Ausweichverhalten auch in der Zukunft aufrechterhalten können. "Das hängt sehr stark davon ab, wie stark die Temperaturen steigen und auch davon, was sie fressen." Denn auch der Zeitpunkt, wann sie an ihren Futterplätzen besonders viel Nahrung finden, hänge vom Klimawandel ab. Unechte Karettschildkröten wandern Hunderte bis Tausende Kilometer von ihren Futterplätzen zu ihren Niststränden.
Die bis zu einem Meter großen Unechten Karettschildkröten fressen hauptsächlich am Boden lebende wirbellose Tiere wie Wellhornschnecken, andere Weichtiere, Pfeilschwanzkrebse und Krabben. Nur gelegentlich knabbern sie Seegras oder größere Algen. Anders sieht das bei den bis zu 1,5 Meter großen Grünen Meeresschildkröten aus: Diese fressen als erwachsene Tiere hauptsächlich Seegras und Algen. Jungtiere dagegen sind Fleischfresser.
Andere Studie, ähnliches Ergebnis
Bei den Grünen Meeresschildkröten habe sich das mittlere Datum für den Nestbau seit 1993 um 0,45 Tage pro Jahr verschoben, schreibt das zweite Forschungsteam in den "Proceedings B" der britischen Royal Society. Das erste Nest sei jedes Jahr 0,93 Tage früher entdeckt worden, wohingegen das Datum für den letzten Nestbau der Saison weitgehend unverändert blieb. Die Verschiebung korreliere mit der Erhöhung der Meerestemperaturen.
Die Forschenden heben hervor, dass es sich bei beiden Arten nicht um eine evolutionäre Anpassung an die Umweltbedingungen handelt, sondern um die Reaktion einzelner Schildkröten auf die Erwärmung. Denn die Generationszeiten sind sehr lang: Bei Grünen Meeresschildkröten dauert es schätzungsweise mehr als 30 Jahre, bis sie geschlechtsreif sind, bei Unechten Karettschildkröten sogar noch länger. Eine genetische Anpassung würde also zu lange dauern.
"Obwohl unsere Schildkröten mit den derzeit steigenden Temperaturen zurechtzukommen scheinen, ist unklar, wie lange sie dies tun können, bevor die Bedingungen in Zypern nicht mehr geeignet sind", meinte Mitautorin Damla Beton von der Society for Protection of Turtles in Nordzypern, die an beiden Studien beteiligt war. Möglicherweise könnten sie dann aber zum Nisten auf kühlere Orte im Mittelmeerraum ausweichen.
Zusammenfassung
- Meeresschildkröten passen ihre Eiablagezeiten an den Klimawandel an, indem sie seit 1993 ihre Nistzeiten um durchschnittlich 0,78 Tage pro Jahr vorverlegen, um das Geschlechterverhältnis zu wahren.
- Die Forschung zeigt, dass Grüne Meeresschildkröten ihren Nestbau um 0,45 Tage pro Jahr verschieben, während die Temperaturerhöhung im Meer die Verschiebung beeinflusst.
- Die Anpassung der Schildkröten ist keine evolutionäre Veränderung, sondern eine Reaktion auf die steigenden Temperaturen, wobei die langfristige Wirksamkeit dieser Strategie ungewiss bleibt.