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Prozessfortsetzung nach Messerattacke in Wiener Beisl

Im Prozess rund um eine Messerattacke in einem Wiener Beisl haben sich am Straflandesgericht die Geschworenen kurz vor 15.00 Uhr zur Beratung zurückgezogen. Angeklagt ist ein 40-Jähriger wegen dreifachen Mordversuchs. Er soll in dem Lokal in Margareten auf drei Gäste losgegangen sein. Der Mann schnappte sich laut Anklage nach einem Streit die Waffe von der Schank und stach auf die Männer ein. Ein Verletzter schwebte sogar in Lebensgefahr.

Die Verhandlung war Ende August zur Ladung eines toxikologischen Gutachters vertagt worden, um zu klären, ob der 40-Jährige die Attacke unter Einfluss einer Berauschung begangen hat bzw. ob er zum Tatzeitpunkt nicht doch zurechnungsunfähig gewesen sein könnte. Der Angeklagte bekannte sich am ersten Verhandlungstag des Mordversuchs nicht schuldig, gab aber die Körperverletzungen zu. Er konnte sich aufgrund seiner Alkoholisierung und seines Drogenkonsums nur noch lückenhaft an den Abend erinnern. "Mir fehlt die konkrete Erinnerung", sagte er beim Prozessauftakt.

Laut toxikologischem Gutachter hatte er bei seiner Festnahme 0,93 Promille Alkohol im Blut, was umgerechnet 1,5 bis zwei Promille zum Tatzeitraum bedeutet. Im Blut wurden zudem Amphetamine festgestellt und ein Abbauprodukt von Kokain. Das Suchtmittel selbst konnte nur noch im Urin festgestellt werden. Laut Gutachter waren die Suchtmittel wirkungsrelevant, es habe sich aber um keine hohe Konzentration gehandelt. Da es aber weitere Faktoren gäbe, wie etwa den Grad der Gewöhnung, sei eine Rückrechnung immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, so der Sachverständige.

Der Beschuldigte gab zu, dass er nach einer monatelangen Abstinenz etwa sechs bis sieben Wochen vor der Tat mit dem Konsum wieder begonnen habe. "Und bei Jägermeister werde ich unkontrollierter", sagte er. Am Ende der Verhandlung entschuldigte er sich bei den verletzten Männern. "Es war nie meine Absicht, jemanden zu töten, das ist absurd", so der 40-Jährige. Er könne sich nicht erklären, warum das so eskaliert ist.

Aufgrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, die mit der Gefahr verbunden ist, dass der 40-Jährige auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit schwere Straftaten begeht, hat die Staatsanwaltschaft nach einem Gutachten des Sachverständigen Peter Hofmann zusätzlich die Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum nach Paragraf 21/2 Strafgesetzbuch beantragt.

Der Wiener ist eigentlich gelernter Kellner und hätte im September einen Kurs zur Umschulung absolvieren sollen, weil er aufgrund seiner Alkohol- und Drogensucht in der Vergangenheit immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geriet. "Im Gastgewerbe arbeiten war aufgrund meiner Alkoholsucht nicht mehr möglich", sagte er dem Schwurgericht (Vorsitz: Eva Brandstetter). Er trinke nicht täglich, auch nicht zu Hause, aber wenn er fortgehe "leider sehr viel".

Auch am Nachmittag vor der Tat besuchte er wie des Öfteren das Beisl in Margareten. Die Wirtin war mit ihm freundschaftlich verbunden, eigentlich hätte er an dem Tag ein Auto für sie holen sollen, jedoch hatte er seinen Führerschein vergessen. So saß er den ganzen Abend an der Schank und trank - laut der Lokalbesitzerin sieben Bier, Jägermeister, ein Bacardi-Cola, zudem konsumierte er Kokain und Amphetamin. Für seine Verteidiger, Michael Dohr und Amir Ahmed, "eine explosive Mischung".

Zu später Stunde kam auch ein Freund hinzu, der dann irgendwann sein Handy vermisste. Daraufhin starteten die beiden eine Suchaktion, wobei auch das Licht in dem Lokal aufgedreht wurde. Eine Partie am Nebentisch wurde nach dem Verbleib des Telefons befragt. Im Zuge dessen dürfte es zu einer Diskussion zwischen den beiden Wienern und der Gruppe Serben in dem Lokal gekommen sein.

Wie und warum der Angeklagte das Messer von der Schank holte, war auch bei der Verhandlung nicht zu 100 Prozent herauszufinden. Der Mann konnte sich nur noch schemenhaft erinnern und sagte, verinnerlicht sei ihm nur noch die Diskussion und das Messer. Er glaubte, dass eine Gruppe Männer auf ihn losgegangen sei. Dann habe er einen Filmriss. Wieder zu sich gekommen war er auf der Straße, als er merkte, dass er voller Blut sei. Auch er trug Verletzungen davon, hatte einen Kieferbruch und einen Bruch der Augenhöhle erlitten. Wer ihm dies zugefügt hatte, war unklar. "Wie die Verletzungen zustande gekommen sind, darüber hat sich jeder in diesem Saal ausgeschwiegen", meinte auch Dohr.

Sein Freund behauptete, dass einer der Serben auf den 40-Jährigen bedrohlich zugegangen sei, die beiden hätten dann gerangelt und der 40-Jährige habe sich nur gewehrt. Die anderen Gäste meinten übereinstimmend, dass der Beschuldigte zum Tisch gekommen sei und auf einen von hinten in den Nacken eingestochen habe. Zwei Serben kamen dem Attackierten zu Hilfe und wurden ebenfalls verletzt. Sie schlossen sich dem Verfahren als Privatbeteiligte an.

Zehn Mal hat er laut Staatsanwältin auf die Männer eingestochen. Einer erlitt lebensgefährliche Verletzungen und hätte ohne ärztliche Hilfe nicht überlebt, die beiden anderen wurden schwer bzw. leicht verletzt. Die Zeugen sprachen beim ersten Stich von einem gezielten Angriff, dann soll der 40-Jährige das Messer eher hin- und hergeschwungen haben.

Seine Verteidiger plädierten am ersten Verhandlungstag auf absichtlich schwere Körperverletzung in zwei Fällen und schwere Körperverletzung in einem Fall. Ihr Mandant sei einsichtig, dass es für ihn eine Alkohol- und Suchtgiftentwöhnung benötige. Zudem würde er auch eine Therapie aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung machen wollen. Im Alltag würde er sich normal verhalten, sein Freund bezeichnete ihn als einen guten Menschen. "Das war eine Ausnahmesituation, die nicht seinem Typ entspricht", meinte der Freund, bei dem der Angeklagte auch gewohnt hatte, im Zeugenstand. Erst Tage zuvor hatte er die Wirtin vor einem Übergriff in ihrem Lokal gerettet. Sogar in Untersuchungshaft hat er erst vor einer Woche einem Gefangenen das Leben gerettet, wie er am heutigen Prozesstag berichtete.

Seine Straftaten hätte er stets unter Einfluss von Rauschmitteln begangen. Im Falle eines Schuldspruchs im Sinne der Anklage droht ihm eine Freiheitsstrafe zwischen zehn und 20 Jahren oder lebenslange Haft. Mit einem Urteil ist am frühen Abend zu rechnen.

ribbon Zusammenfassung
  • Der 40-jährige Angeklagte steht wegen dreifachen Mordversuchs vor Gericht, nachdem er in einem Wiener Beisl auf drei Gäste eingestochen haben soll.
  • Ein toxikologisches Gutachten ergab, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt 1,5 bis 2 Promille Alkohol im Blut hatte und Amphetamine sowie Kokain konsumiert hatte.
  • Die Staatsanwaltschaft fordert aufgrund einer Persönlichkeitsstörung die Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum.
  • Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig des Mordversuchs, gestand jedoch die Körperverletzungen ein und entschuldigte sich bei den Opfern.
  • Einer der Männer schwebte in Lebensgefahr, während die anderen beiden schwer bzw. leicht verletzt wurden.