Prozess um Mordversuch mit abgeschnittenem Stromkabel
"Ich werde hier beschuldigt für gewisse Dinge, die ich gar nicht gemacht habe", versicherte der 42-Jährige dem Gericht. "Das ist nie passiert", meinte Verteidiger Andreas Reichenbach zum zentralen Anklagefaktum, das sich bereits im Jahr 2009 in der Wohnung der Familie zugetragen haben soll. Der Mann soll damals nach einer Meinungsverschiedenheit mit seiner Frau in der Küche das Kabel eines Wasserkochers abgeschnitten haben und damit ins Badezimmer gegangen sei, wo die Frau gerade geduscht hatte. Das intakte Ende des Kabels soll er in die Steckdose gesteckt und die Adern mit den Leitern des anderen Endes an die nasse Haut der Frau gehalten haben. "Sie hat einen elektrischen Schlag bekommen und ist umgefallen. Das Glück war, dass der Schutzschalter gefallen ist, wodurch es keinen tödlichen Ausgang genommen hat", führte Staatsanwältin Ursula Schrall-Kropiunig aus. Sie stützte den Vorwurf des versuchten Mordes auf Gutachten eines Elektrotechnikers und eines Gerichtsmediziners.
Der Sachverständige für Elektrotechnik, Thomas Heiden, bestätigte den Geschworenen: "Hätte der FI-Schalter nicht funktioniert, kann eine letale Folge nicht ausgeschlossen werden." Ob der Schutzschalter ausgelöst wird oder nicht, hänge von einigen Faktoren ab, vor allem von den Kontaktstellen.
Die Staatsanwältin räumte ein, dass es aufgrund des lange zurückliegenden Tatzeitpunkts keine objektiven Beweise - keine Fotos, keine Krankengeschichte - gebe. Die Ehefrau sei aber "eine sehr glaubwürdige Zeugin".
Die 37-Jährige war im Vorjahr zur Polizei gegangen, nachdem sie mit ihren zehn Kindern ins Frauenhaus geflüchtet war. Sie berichtete von einem "Ehemartyrium" und erstattete Anzeige gegen ihren Mann, den sie im Alter von 14 gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet hatte. Der 42-Jährige wurde festgenommen, nachdem einige seiner Kinder die von der Frau geschilderten Gewalttätigkeiten zeugenschaftlich bestätigt hatten. Deren Vater sitzt seit August 2021 in der Justizanstalt Josefstadt in U-Haft.
Verteidiger Reichenbach verwies eingangs der Verhandlung auf die bisherige Unbescholtenheit seines Mandanten: "Er hat nicht einmal Verwaltungsübertretungen begangen." Die Anklage basiere im Wesentlichen auf den Angaben der Frau, deren Schilderung mit dem Wasserkocher sei "eine glatte Lüge".
"Ich habe meine Frau geliebt", betonte der Angeklagte. Sie belaste ihn aus Rache für seine zahlreichen Casino-Besuche: "Ich war spielsüchtig. Das ist schlimm, das hat man dann im Blut." Sein Spielen habe "die Familie zerstört". Er habe seine Frau aber niemals gewürgt oder geschlagen: "Ich bin weder ein Terrorist noch ein Krimineller. Ich bin ein normaler Mann."
Laut Anklage wurden die Ehefrau und die Kinder - diese sind aus prozessökonomischen Gründen nicht Gegenstand der Schwurverhandlung, dazu wird von der Staatsanwaltschaft separat ermittelt - seit 2009 regelmäßig mit einem Kochlöffel, einem Messerschleifer und einem Kabel geprügelt. Ihren Kopf soll der 42-Jährige immer wieder in Wasser getaucht oder gegen die Wand geschlagen haben.
Die Verhandlung wurde zur Einvernahme der Ehefrau, ihren Eltern und einigen Kindern auf den 30. August vertagt. Acht von zehn Kindern hatten im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch ausgesagt, zumindest eine Tochter hat bereits angekündigt, dass sie auch im Gerichtssaal gegen ihren Vater aussagen will.
Bei dem Mann dürfte es sich - darauf deuten jedenfalls die bisherigen Angaben seiner Familie hin - um einen Familientyrannen mit Hang zum Sadismus handeln. Wenn er die Wohnung verließ, habe er seine gesamte Familie in zwei Zimmer gesperrt und die Schlüssel mitgenommen, berichtete die Staatsanwältin am Rand der heutigen Verhandlung. Als der Mann von einem Casino-Besuch erst am nächsten Morgen nach Hause kam, hätte seine Frau die Polizei kontaktieren müssen, um sich und ihre Kinder befreien zu lassen. Ohne seine Zustimmung hätte grundsätzlich niemand die Wohnung verlassen dürfen, wenn man nicht zur festgelegten Zeit wieder zurück war, habe es Sanktionen gegeben, sagte die Staatsanwältin.
Der Mann soll seine Kinder regelmäßig mit Schlägen und Züchtigungen bestraft haben, wenn sie ungehorsam oder laut waren oder in seinen Augen Fehlverhalten setzten. Er ließ sie etwa aus einem Stapel Karten ziehen, wobei die auf den von ihm kreierten Kärtchen vermerkten Maßnahmen vollzogen wurden. Schlechtestenfalls waren das 100 Schläge, hatten die Kinder Glück, bekamen sie dagegen kleine Bargeld-Beträge oder Süßigkeiten. "Das war kein Spiel mit Schmerzen", hielt dem der Angeklagte entgegen, "die Kinder haben freiwillig gespielt. Wir haben nur Spaß gemacht."
Zusammenfassung
- Wegen versuchten Mordes an seiner Ehefrau hat sich am Dienstag ein 42-jähriger Mann vor Geschworenen am Wiener Landesgericht verantworten müssen.
- Laut Anklage soll der Vater von zehn Kindern seine Frau mit einem Stromstoß zu töten versucht haben.
- Deren Vater sitzt seit August 2021 in der Justizanstalt Josefstadt in U-Haft.
- Die Verhandlung wurde zur Einvernahme der Ehefrau, ihren Eltern und einigen Kindern auf den 30. August vertagt.