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Prozess um Messerstiche nach AMS-Kurs in Wien-Leopoldstadt

Ein 21-jähriger Syrer hat am Montag einem Schöffensenat am Landesgericht zu erklären versucht, weshalb er einem 16 Jahre alten Burschen nach einem AMS-Kurs in einem Bildungszentrum in Wien-Leopoldstadt mit einem Klappmesser in den Kopf gestochen und Schnittwunden am Hals und am Oberkörper beigebracht hatte. Der aus dem Irak stammende Jugendliche habe seine Schwester "beleidigt", meinte der Angeklagte: "Ich war dabei, als er sie belästigt hat. Er hat unschöne Sachen gesagt."

An den genauen Wortlaut könne er sich nicht mehr erinnern. Es seien "eindeutig Worte, die beleidigend waren" gewesen. Er habe den Burschen am 2. April 2024 zur Rede stellen wollen, dabei sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen. Mehrere Männer hätten ihn umringt. Er habe sich bedroht gefühlt. Da habe er "ein kleines Messer" gezogen und "herumgefuchtelt". Es sei nicht seine Absicht gewesen, jemanden zu verletzen: "Ich habe Angst gehabt. Ich wurde angegriffen von mehreren Leuten. Als ich gesehen habe, dass ich geblutet habe, habe ich das Messer benutzt. Ich habe das gemacht, um mich zu verteidigen."

Diese Darstellung passte weder zu den Angaben der Schwester des Angeklagten, die diese nach dem Vorfall gegenüber der Polizei getätigt hatte, noch zu einem Video, das ein Augenzeuge mit seinem Smartphone aufgenommen und in den sozialen Medien platziert hatte. Auf dem Video, das im Verhandlungssaal abgespielt wurde, ist zu sehen, wie der Angeklagte auf den 16-Jährigen zusteuert, als dieser die Bildungseinrichtung verlässt. Es kommt zu einem Wortgefecht und kurzen Handgreiflichkeiten, dann weicht der 16-Jährige zurück und versucht offensichtlich einer Eskalation aus dem Weg zu gehen. Der Angeklagte folgt ihm, schwingt regelrecht das Messer, mehrere Personen - darunter ein Lehrer der Bildungseinrichtung - versuchen ihn vergeblich zurückzuhalten.

Der 16-Jährige erlitt eine Stichwunde am Kopf, die eine Knochenabsplitterung an der äußeren Knochentafel des Schädeldaches bewirkte, zwei Schnittwunden in der Oberbauch- und Rippenregion sowie eine lange horizontale Schnittverletzung auf Höhe des Kehlkopfes und eine Stichverletzung zwischen Kopfwendermuskel und Kehlkopf. Dessen ungeachtet hatte die Staatsanwaltschaft die Gewalttat nicht als versuchten Mord angeklagt. "Ich war überrascht, dass von der Staatsanwaltschaft nur versuchte absichtliche schwere Körperverletzung angenommen wurde. Die Wunde am Hals war zum Glück nicht sehr tief. Aber wenn ich wem den Hals aufschlitze, ist das in Fernsehkrimis üblicherweise ein Versuch auf Mord", stellte der vorsitzende Richter fest.

Die jüngere Schwester des Angeklagten hatte gemeinsam mit dem späteren Opfer einen Englisch-Kurs besucht. Die Pause wollten die beiden gemeinsam verbringen, wobei sie in der Aula vom 21-Jährigen gesehen wurde, der an jedem Tag eine Info-Veranstaltung im Bildungszentrum besuchen wollte. Der Angeklagte dürfte deren Unterhaltung mitbekommen und Worte des 16-Jährigen missinterpretiert haben. Obwohl die Schwester ihm erklärte, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt hatte, passte der 21-Jährige den 16-Jährigen dann draußen vor der Bildungseinrichtung ab.

Der Verhandlung wurde zur ergänzenden Beweisaufnahme auf Anfang September vertagt. Der Angeklagte, der sich - womöglich hitzebedingt - in einem weißen Unterhemd, barfuß und in Badeschlapfen von der Justizwache zur Verhandlung bringen hatte lassen, bleibt bis dahin in U-Haft.

ribbon Zusammenfassung
  • Ein 21-jähriger Syrer stach am 2. April 2024 einem 16-Jährigen nach einem AMS-Kurs in Wien-Favoriten mit einem Klappmesser in den Kopf, was zu schweren Verletzungen führte.
  • Der Angeklagte behauptete, der 16-Jährige habe seine Schwester beleidigt, während ein Video zeigte, dass der 21-Jährige den Jugendlichen verfolgte und das Messer schwang.
  • Die Staatsanwaltschaft klagte den Angeklagten wegen versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung an, obwohl der Richter die Verletzungen als schwerwiegend genug für eine Mordanklage ansah.