Prozess um in eigener Wohnung überfallene junge Wienerin
Sie habe laut um Hilfe geschrien und dem ihr völlig unbekannten Mann Geld angeboten: "Er hat gesagt, er will nur Sex." Der Eindringling habe sie in weiterer Folge auf ihr Bett gedrückt, an seiner Hose herumgenestelt, diese zu öffnen versucht und stärker auf sie eingedroschen, als sie nicht zu schreien aufhörte. Weil er keine Erektion bekam, "ist er dann einfach gegangen", berichtete die mittlerweile 23-Jährige, die von Freundinnen und Freunden zur Verhandlung begleitet wurde.
Obwohl seit dem Vorfall mehr als eineinhalb Jahre vergangen sind, macht der Betroffenen die Tat in psychischer Hinsicht schwer zu schaffen. Sie getraute sich zunächst nicht mehr das Haus zu verlassen, begab sich in ein Kriseninterventionszentrum und in weiterer Folge in Psychotherapie, die sie bis heute in Anspruch nimmt, "was sehr teuer ist", wie sie betonte. In einem Gutachten wurde festgestellt, dass die 23-Jährige an einem posttraumatischen Belastungssyndrom leidet.
Erstaunlicherweise hatte die Staatsanwaltschaft den Überfall nicht als versuchte Vergewaltigung angeklagt. Inkriminiert waren nur Hausfriedensbruch und schwere Körperverletzung. Der bisher unbescholtene Mann wurde am Ende in diesen beiden Anklagepunkten für schuldig befunden. Von den über ihn verhängten 20 Monaten wurden fünf unbedingt ausgesprochen, den Rest sah ihm die Richterin unter Setzung einer dreijährigen Probezeit nach. "Muss ich ins Gefängnis?", wunderte sich der 36-Jährige, was die Richterin bejahte. Es sei "kein Raum für eine gänzlich bedingte Strafnachsicht". Daraufhin legte der von Verteidiger Mirsad Musliu vertretene Mann Strafberufung ein. Der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab. Die 23-Jährige, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hatte, bekam 6.810 Euro zugesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Der Angeklagte hatte sich damit verantwortet, er sei damals stark alkoholisiert und "zugekokst" gewesen und habe sich an der Tür geirrt. Seine Ex-Freundin wohne nämlich im zehnten Stock des betreffenden Gebäudes. Allerdings konnte der 36-Jährige nur den Vornamen der angeblichen Ex-Freundin angeben. Er könne sich nicht erklären, weshalb er die Frau zu Boden schlug und ihr Verletzungen am linken Auge, am linken Ohr sowie Kratzer zufügte, sagte der Angeklagte. Sein Verteidiger bemerkte, es sei "nicht auszuschließen", dass ein bei seinem Mandanten kürzlich festgestellter Hirntumor "für diese Aktion verantwortlich war."
Die überfallene Frau wiederum betonte, ihr sei der fremde Mann schon in der U-Bahn aufgefallen und es sei ihr unangenehm gewesen, als er ihr folgte. Sie habe ihm aber noch die Haustür aufgehalten. Dann sei er mit ihr in den Aufzug gestiegen und habe sich zur Nachbartür begeben und dort gewartet, bis sie ihre Türe aufgeschlossen hatte. Dann sei er über sie hergefallen. Von ihr abgelassen habe er, nachdem sie ihm ihr Alter verraten hatte. Da sei er mit den Worten "Was tu ich denn hier überhaupt?" gegangen.
Auf die Spur des Unbekannten kam man, nachdem im Zug von Fahndungsmaßnahmen gestochen scharfe Lichtbilder aus Überwachungskameras der Wiener Linien sowie des betreffenden Wohnhauses veröffentlicht worden waren. Daraufhin stellte sich der 36-Jährige in Begleitung seines Anwalts auf einer Polizeiinspektion.
Zusammenfassung
- Ein 36-jähriger Mann wurde am Wiener Landesgericht zu 20 Monaten teilbedingter Haft verurteilt, nachdem er am 6. Juli 2023 eine junge Frau in ihrer Wohnung überfallen hatte.
- Die Staatsanwaltschaft klagte ihn nicht wegen versuchter Vergewaltigung an, sondern wegen Hausfriedensbruch und schwerer Körperverletzung, was zu einer Strafe von fünf Monaten unbedingter Haft und einer dreijährigen Probezeit führte.
- Die Betroffene, die an einem posttraumatischen Belastungssyndrom leidet, erhielt 6.810 Euro zugesprochen; der Angeklagte legte gegen das Urteil Berufung ein.