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Hass im Netz

Der Fall Kellermayr und die entscheidende Frage vor Gericht

24. März 2025 · Lesedauer 5 min

Zwei Jahre und 9 Monate ist die Seewalchner Ärztin Dr. Lisa Maria Kellermayr tot. Sie war eine Vorreiterin bei der Bekämpfung der Coronapandemie in Österreich und wurde dafür mit Hass und Häme übersät. Nun steht der mutmaßliche Verfasser mehrerer Drohungen in Wels vor Gericht. Gelingt so die späte Aufarbeitung des tragischen Todesfalls? Und was wird die entscheidende Frage vor Gericht sein?

Sie war ein großer Fan von Joko und Klaas. Darum drehte sich unter anderem der Content auf ihrem Twitter-Account. Dr. Lisa-Maria Kellermayr nahm sich Urlaub, um die Aufzeichnungen zu besuchen, postete Fotos mit ihren Idolen, sammelte ihre Autogramme. Dann kam die Pandemie

Als das Coronavirus und die ersten Lockdowns Österreich überrollten, half die junge Ärztin im hausärztlichen Notdienst. Sie fuhr mit Rettungswägen durchs Land, um Corona-Erkrankten zu helfen.

Lisa-Maria KellermayrAPA/APA/HERMANN WAKOLBINGER/HERMANN WAKOLBINGER

Lisa-Maria Kellermayr

Teils war sie die einzige Ärztin in Oberösterreich, die noch Hausbesuche machte. Über 1.000 Corona-Patienten dürfte sie in dieser Zeit behandelt haben.

Sie war eine Vorreiterin bei der Aufklärung über die Pandemie in Österreich. Ihre frühen Erfahrungen mit Sauerstoffsättigung, Medikamenten, den ersten Covid-Todesfällen, teilte sie mit Kolleg:innen, auf ihrem Twitter-Account und mit Journalist:innen. Auch in PULS 24 Interviews.

Später bemängelte sie das Pandemie-Management, befürwortete die Impfung und kritisierte auch mal eine Corona-Demo in Wels.

Unsensible Polizei

Als am 16. November 2021 Maßnahmengegner dort vor dem Krankenhaus demonstrierten, twitterte die Ärztin: "Eine Demo der Verschwörungstheoretiker verlässt den Pfad unter den Augen von Behörden und blockiert sowohl den Haupteingang zum Klinikum als auch die Rettungsausfahrt des Roten Kreuzes." 

Das stimmte, obwohl das Spital später klarstellte, dass die Rettung einen anderen Weg hätte wählen können. Dennoch stellte die Polizei Kellermayrs Tweet als "Falschmeldung" dar. Ein Sprecher sagte später in einem Interview auf Ö1, die Ärztin würde "in die Öffentlichkeit drängen, um ihr Fortkommen zu fördern".

Kellermayr wurde Opfer einer nicht enden wollenden Welle aus Hassnachrichten und Drohungen, in welchen es teils explizit auch um Mord ging. Die Szene aus Rechtsextremen und Verschwörungsideologen hatte es auf sie abgesehen.

Die Ärztin fühlte sich zunehmend unsicher und verfolgt. Sie investierte rund 100.000 Euro in Sicherheitsmaßnahmen für ihre Ordination, die sie 2021 in Seewalchen am Attersee eröffnete. Ihr Security soll mehreren vermeintlichen Patienten Messer abgenommen haben.

In mehreren Gesprächen mit Journalist:innen von PULS 24 schilderte sie ihre Angst - und wie sehr sie sich von Behörden und Politik im Stich gelassen fühlte.

Sie zog sich zunehmend in die vier Wände ihrer Ordination zurück, die sie aus Angst und wegen der finanziellen Last schloss. Hoffnung brachte die Hilfe einer deutschen Hackerin. Die Behörden fanden damals allerdings keine Verdächtigen, stellten mehrere Ermittlungen ein. 

Am 29. Juli 2022 beging Dr. Lisa-Maria Kellermayr Suizid. 

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Aufarbeitung in vier Tagen

Ab 26. März, also zwei Jahre und neun Monate nach dem Tod der damals 36-Jährigen, steht nun allerdings ein 61-jähriger deutscher Staatsbürger in Wels vor Gericht. Er soll einer der Hassposter gewesen sein.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten aus Starnberg in Bayern vor, im Zeitraum Februar 2022 bis Juli 2022 Kellermayr in vier E-Mails sowie in drei Twitter-Nachrichten mit der "Verletzung an Freiheit, Ehre bzw. dem Vermögen bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen".

Gedenkveranstaltung in Wien im August 2022.APA/GEORG HOCHMUTH

Gedenkveranstaltung in Wien im August 2022.

Er soll unter anderem gedroht haben, die Ärztin vor ein "Volkstribunal" stellen zu wollen und sie "auf die Anklagebank und dann sicher ins Gefängnis" zu bringen. 

Die entscheidende Frage vor Gericht

Laut Staatsanwaltschaft soll es eine Kausalität zwischen den Drohungen und dem Suizid geben. Das will die Anklagebehörde mit Briefen der Ärztin, zahlreichen Zeug:innen-Aussagen und einem psychiatrischen Gutachten beweisen.

Die Kausalität ist aus Sicht der Anklagebehörde essenziell: Nur wenn die Drohung auch aus Sicht des Gerichts zum Suizid führte, ist das hohe Strafmaß von bis zu zehn Jahren gerechtfertigt.

Zum anderen sind die österreichischen Behörden überhaupt nur dann zuständig, wenn die Drohung nachweislich eine Auswirkung in Österreich gehabt hat. Da die Nachrichten mutmaßlich in Deutschland verfasst wurden, müsste Roman M. in Österreich freigesprochen werden und die deutschen Behörden um Übernahme ersucht werden, sollte die Kausalität zum Suizid in Österreich nicht beweisbar sein. 

Weitere Ermittlungen

Doch genau das bestreitet der 61-Jährige: Er soll zwar grundsätzlich gestanden haben, die Nachrichten verfasst zu haben. Der in Deutschland bereits einschlägig Vorgemerkte soll allerdings den Vorsatz in Abrede stellen und von einem "wechselseitigen Streitgespräch" sprechen.

Eine seiner Verteidiger:innen, die Welser Anwältin Sonja Fasthuber, wollte sich gegenüber PULS 24 vorab nicht weiter dazu äußern. Das wolle man erst im Eröffnungsplädoyer vor Gericht machen, teilte sie mit.

Sie bestätigte aber, dass der Angeklagte aus Bayern zur Verhandlung in Wels kommen werde. Er befindet sich derzeit auf freiem Fuß. Sollte er beim Gerichtstermin nicht erscheinen, könnte ein Haftbefehl erwogen werden, sagte Silke Enzlmüller, Sprecherin der Staatsanwaltschaft zu PULS 24. Der Prozess ist für vier Tage anberaumt - ein etwaiges Urteil soll am 9. April fallen

Ob Angehörige Kellermayrs als Privatbeteiligte Schmerzensgeld fordern, ist laut einem Sprecher des Landesgerichts noch nicht klar. Etwaige Forderungen können im Prozess bis zum Ende der Beweisführung angebracht werden. 

Laut Staatsanwaltschaft Wels würden bezüglich weiterer Drohnachrichten noch weitere "Ermittlungen zur Täterausforschung" laufen. 

"Lisas Ruf nach Hilfe stößt bei den zuständigen Behörden auf Unverständnis und Untätigkeit (...) Sie fühlt sich alleingelassen und ist es auch", hieß es bei Joko und Klaas in "Wer stiehlt mir die Show?", die sie Kellermayr nach ihrem Tod widmeten. Der Prozess ab Mittwoch ist nun eine späte Aufarbeitung des Geschehenen vor Gericht.

Der Fall Kellermayr - Mit tödlichen Grüßen

Zusammenfassung
  • Zwei Jahre und neun Monate nach dem Tod von Dr. Lisa Maria Kellermayr steht ein 61-jähriger Deutscher in Wels vor Gericht, der ihr zwischen Februar und Juli 2022 Drohungen geschickt haben soll.
  • Dr. Kellermayr, eine Vorreiterin in der Pandemiebekämpfung, erhielt zahlreiche Hassnachrichten und investierte rund 100.000 Euro in Sicherheitsmaßnahmen, bevor sie am 29. Juli 2022 Suizid beging.
  • Der Prozess gegen den Angeklagten Roman M. ist auf vier Tage angesetzt, ein Urteil wird am 9. April erwartet.
  • Gelingt so die späte Aufarbeitung des tragischen Todesfalls, der bei vielen bis heute für Erschütterung und Ratlosigkeit sorgt? Und was wird die entscheidende Frage vor Gericht sein?