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Möglicher Missbrauch in Lech: Zeugin soll sich gemeldet haben

Im Zusammenhang mit dem möglichen Missbrauch eines Dreijährigen in einer Kinderbetreuung in Lech liefen die Ermittlungen weiter. Eine Mitarbeiterin soll den Verdächtigen bei der Tat ertappt und den Buben anschließend gewaschen haben. Ein Kinderschutzverein geht davon aus, dass die Betreuungseinrichtung von der Tat wusste.

Im Kindesmissbrauchsverdachtsfall in einer Betreuungseinrichtung für Kleinkinder in Lech gibt es nach Informationen des Wiener Vereins Bündnis Kinderschutz Österreich, der in laufendem Kontakt mit der betroffenen Wiener Familie steht, womöglich eine Tatzeugin. Nach Aussage des mutmaßlich von einem sexuellen Übergriff betroffenen Dreijährigen soll eine Mitarbeiterin den Verdächtigen bei der Tatbegehung erwischt und den Buben anschließend gewaschen haben.

Das Kind hatte das nach dem Skiurlaub in Lech in Wien einer vom besorgten Vater beigezogenen Ärztin und Psychotherapeutin erzählt, die von dem Gespräch einen Audio-Mitschnitt angefertigt hat. Der Bub ist seit 23. Jänner bei der renommierten Expertin in Behandlung. Nach deren Dafürhalten ist aufgrund von "offenkundigen, drastischen Verhaltensänderungen" des Dreijährigen davon auszugehen, dass der Bub "im Rahmen seiner Betreuung in Lech einem ihn verstörenden und als Übergriff erlebten Erlebnis ausgesetzt gewesen ist", wie sie in einem schriftlichen Gutachten festhält, das der APA vorliegt.

Zeugin verließ Österreich

Die Zeugin habe wenige Tage nach dem in der zweiten Jänner-Woche erfolgten Übergriff das Land verlassen, obwohl sie in der Einrichtung noch für den Februar für Dienste eingeteilt gewesen sei, berichtete Roberto D'Atri, der Obmann des Kinderschutz-Vereins, am Montag. Der Tatverdächtige wiederum sei ab der dritten Jänner-Woche - also unmittelbar nach dem vermuteten Missbrauch - in den Außendienst versetzt worden. "Daraus ist zu schließen, dass die Leitung von der Missbrauchshandlung bzw. dem Vorwurf wohl Kenntnis erlangt haben muss", meinte D'Atri im Gespräch mit der APA. Der Verein müsse jetzt "endlich volle Verantwortung übernehmen und die Fakten auf den Tisch legen".

Seitens des Einrichtung gab es dazu am Montag auf APA-Anfrage keine Stellungnahme. Zur Frage, ob der tatverdächtige Mitarbeiter schon in vorangegangenen Jahren in der Einrichtung gearbeitet hatte und ob für ihn im Vorfeld eine erweiterte Strafregisterauskunft eingeholt worden war - immerhin wurde er nicht nur als Skilehrer, sondern auch als Kinderbetreuer beschäftigt -, hieß es in einer an die APA gerichteten E-Mail: "Da können wir aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben, bitte wenden Sie sich an die Polizei." Zur Frage nach einem Kinderschutzkonzept wurde auf ein "Raumkonzept zum Schutz der Kinder" verwiesen, "das auch eingefordert und konsequent gelebt wird".

Zwei weitere Familien meldeten sich

Am Sonntag war bekannt geworden, dass es weitere Opfer - konkret zwei Buben im Alter von dreieinhalb und drei Jahren, die ebenfalls in der zweiten Jänner-Woche in der Einrichtung einen Kurs belegt hatten - geben könnte. Die Vorarlberger Polizei verwies dazu am Montag auf die andauernden Erhebungen, darüber hinaus gebe man keine Auskünfte. Bisher seien keine weiteren Anzeigen eingegangen, man gehe Hinweisen auf mögliche weitere Fälle aber natürlich nach, so die Staatsanwaltschaft Feldkirch. Bei den neuen Verdachtsfällen handelt es sich um Urlauber-Familien aus dem Ausland, die inzwischen für ihre Kinder psychologische Betreuung beigezogen haben.

Ermittlungen laufen an

Seitens der Vorarlberger Landespolizeidirektion hieß es zuletzt auf APA-Anfrage, man wisse derzeit nichts von weiteren Verdachtsfällen. In Bezug auf den Wiener Buben werde vom Landeskriminalamt Vorarlberg sowie dem Landeskriminalamt Wien ermittelt. Auf die Frage, wann und ob der vom Wiener Buben als Tatverdächtige bezeichnete Mann als Beschuldigter vernommen wurde, gab es keine Auskunft. Es handle sich um laufende Ermittlungen, so die Auskunft der Pressestelle.

Beschuldigter soll vernommen worden sein

Nach jüngsten Informationen der APA dürfte diese Beschuldigteneinvernahme mittlerweile stattgefunden haben. Offen ist, ob sich der Tatverdächtige - ein Mittzwanziger aus dem westlichen EU-Ausland - noch in Vorarlberg aufhält. An sich hätte er laut dem Wiener Kinderschutz-Verein bis 15. April in der Einrichtung als Skilehrer und Kinderbetreuer arbeiten sollen. Die Einrichtung hatte zuletzt allerdings erklärt, der Mann wäre nur bis 31. Jänner befristet beschäftigt gewesen.

Die Kinderbetreuungsstätte hatte sich am Sonntag "schockiert" über den Verdachtsfall hinsichtlich des Wiener Buben gezeigt. "Wir arbeiten seit der ersten Minute intensiv mit der Polizei zusammen, damit eine rasche und umfassende Aufklärung möglich ist", teilte die Leiterin in einer Presseaussendung mit. Man habe stets Verantwortungsbewusstsein und Vorsicht walten lassen und mit einem eigenen "Raumkonzept" zum Schutz der Kinder Vorsorge getroffen. Der unter Tatverdacht geratene Mitarbeiter arbeite nicht mehr in der Kinderbetreuungsstätte, so die Leiterin.

Mehr dazu:

Die Österreichischen Kinderschutzzentren haben sich unterdessen in einer Aussendung von den Aktivitäten des Bündnis Kinderschutz distanziert und betont, dass es keinerlei Zusammenarbeit gebe. Der Wiener Verein hatte den möglichen Missbrauch eines Dreijährigen öffentlich gemacht. Die Kinderschutzzentren fordern Qualitätskriterien für professionellen Kinderschutz.

Professioneller Kinderschutz ist fachlich fundiert, arbeitet vernetzt und mit Bedacht, wurde am Montag in der Aussendung betont. Skandalisierung hilft im Verdachtsfall nicht, konstatierten die Kinderschutzzentren. Vielmehr brauche es "klare Qualitätskriterien für Organisationen, die sich als Kinderschutzeinrichtungen bezeichnen oder im Namen des Kinderschutzes agieren", betonte Petra Birchbauer, Vorsitzende im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren.

Vorschnelle Schlüsse bei Fällen von Gewalt an Kindern oder Missbrauchsverdacht schaden mehr als sie nützen, betonten die Kinderschutzzentren. "Mögliche Folgen für die Kinder und deren Eltern/Bezugspersonen werden in Kauf genommen; Angst geschürt - all das im Namen des Kinderschutzes. Aber: Kinderschutz sieht anders aus", hieß es in der Aussendung.

"Der Wunsch nach Strafen für die Täter bei Kindesmissbrauch ist verständlich, aber nicht die einzige Lösung. Vorrangiges Anliegen muss der Schutz der Kinder sein. Seit Jahren etablierte Anlaufstellen für von Gewalt betroffene Kinder und deren Bezugspersonen sind die Österreichischen Kinderschutzzentren, die über eine qualitätsgesicherte Expertise verfügen", meinte Petra Sansone, Vorstandsmitglied und Geschäftsführerin der Kinder- und Jugend GmbH in Tirol.

ribbon Zusammenfassung
  • Im Zusammenhang mit dem möglichen Missbrauch eines Dreijährigen in einer Kinderbetreuung in Lech liefen die Ermittlungen weiter.
  • Eine Mitarbeiterin soll den Verdächtigen bei der Tat ertappt und den Buben anschließend gewaschen haben.
  • Ein Kinderschutzverein geht davon aus, dass die Betreuungseinrichtung von der Tat wusste.