Mehr tote Haie trotz schärferem Schutz
Zwar haben viele Länder das sogenannte Shark-Finning, das Abtrennen der Haiflossen, verboten. Doch das hat der im Fachblatt "Science" veröffentlichten Studie zufolge dazu geführt, dass vermehrt auch der restliche Haikörper verwertet wird.
"In den letzten zwei Jahrzehnten wurden Haie zunehmend als die am stärksten bedrohten Wildtiere der Welt anerkannt und daher einer strengeren wissenschaftlichen und behördlichen Prüfung unterzogen", schreibt die Forschungsgruppe um Boris Worm von der kanadischen Dalhousie University. Zahlreiche Länder haben Gesetze zum Schutz von Haien erlassen, doch bisher ist nicht überprüft worden, ob sie auch wirksam sind.
Das Team analysierte verfügbare Daten zu Haifängen und deren Regulierung, die von einzelnen Fischereien, Ländern und regionalen Fischereimanagement-Organisationen gemeldet werden. Diese Daten ergänzten sie um Interviews mit Haifang-Experten, um schließlich Weltkarten zur Bedrohung von Haien zu erstellen.
Die Zahl der getöteten Haie stieg demnach von 2012 bis 2019 weltweit um etwa fünf Prozent, obwohl in diesem Zeitraum zahlreiche neue Schutzvorschriften in Kraft getreten seien. Als Hauptursache für den Anstieg der Anzahl getöteter Haie haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter den insgesamt gestiegenen Umfang des Fischfangs ausgemacht. Sie haben auch herausgefunden, welche Art von Regeln tatsächlich helfen, wie Seniorautorin Darcy Bradley von der University of California erklärt: "Vollständige Verbote des Haifangs durch Schutzmaßnahmen wie Haischutzgebiete können erfolgreich sein und verdeutlichen die Möglichkeit, diesen und anderen gebietsbezogenen Schutzmaßnahmen Vorrang einzuräumen."
Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter verzeichneten auch gegenläufige Trends: Bei der Hochseefischerei nahm die Menge der getöteten Haie um sieben Prozent ab - vermutlich, weil Fischereikonzerne sich um Öko-Label bemühen. Dagegen stieg die Zahl in der küstennahen Fischerei - den 200-Meilen-Zonen der einzelnen Länder - um vier Prozent. Allein um Indonesien herum sind im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 jedes Jahr mehr als 15 Millionen Haie getötet worden. Nimmt man die toten Haie in den 200-Meilen-Zonen der Länder Malaysia, Brasilien, Mexiko, Mauretanien und Somalia hinzu, dann sorgt die Fischerei dieser sechs Staaten für 50 Prozent aller weltweit getöteten Haie.
Besonders in Asien gelten Haiflossen als Delikatessen, weshalb den gefangenen Tieren oft nur die Flossen abgeschnitten werden und der Rest des Körpers über Bord geworfen wird. "Wir zeigen, dass eine weit verbreitete Gesetzgebung zur Verhinderung des Finnings von Haien zwar erfolgreich gegen diese verschwenderische Praxis vorgegangen ist, aber die Sterblichkeit insgesamt nicht gesenkt hat", wird Worm in einer Mitteilung der US-amerikanischen University of California zitiert. Stattdessen gelange immer häufiger Haifleisch auf den Markt - oftmals falsch etikettiert, so dass die Konsumenten nicht einmal wüssten, dass sie Hai essen, betont die Forschungsgruppe.
"Haie gehören zu den weltweit bedrohtesten Tierarten. Trotzdem stieg die Zahl der getöteten Tiere aufgrund der intensiven Fischerei dramatisch an", kritisierte auch die Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature). "Wir brauchen dringend bessere Kontrollen und müssen besonders Gebiete schützen, die für Haie als Kinderstuben oder zur Fortpflanzung wichtig sind", forderte Simone Niedermüller, Meeresexpertin vom WWF Österreich. Nicht nur in asiatischen Ländern, in denen Haifischflossensuppe als Delikatesse gilt, ist der Handel mit Haifleisch ein Problem. "Auch in Europa wird Haifleisch konsumiert - in Österreich beispielsweise als 'Schillerlocken'. Oft landet es aber auch unter falschem Namen versteckt auf den Tellern", warnte Niedermüller.
Zusammenfassung
- Trotz einer ganzen Reihe von Schutzgesetzen sterben immer mehr Haie durch Fischerei. So geht eine aktuelle Schätzung davon aus, dass die Zahl der durch gezielte Jagd oder als Beifang ums Leben gekommenen Haie zwischen 2012 und 2019 von 76 Millionen auf 80 Millionen Tiere gestiegen ist. Mehr als 30 Prozent zählten demnach zu gefährdeten Arten.