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Klimaforscher mit Kritik vor blindem und tauben Figl-Denkmal

Mit Augenbinde und Ohrstöpseln ausgestattet blickte am Montag das Denkmal des ÖVP-Urgesteins Leopold Figl am Wiener Minoritenplatz Richtung Bundeskanzleramt. Für die Adjustierung zeichneten die "Scientist for Future" verantwortlich, die angesichts des Stillstandes in der Klimapolitik harsche Kritik an der ÖVP übten. Vier Jahre nach der Anerkennung des "Klimanotstandes" durch den Nationalrat taumle die Regierung um Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) "blind in die Klimakatastrophe".

Am 25. September 2019 rang sich der Nationalrat "wenige Tage vor der Wahl" die Anerkennung des Klimanotstandes in Österreich ab, erklärten die versammelten Wissenschafter um den Klimapolitik-Experten Reinhard Steurer bei einer Pressekonferenz. Aus dem damals "sehenden Moment", wo die Politik auf einer Linie mit wissenschaftlichen Erkenntnissen agierte, wurde spätestens zum Vier-Jahres-Jubiläum jedoch ein "Tag der Klimaheuchelei". Denn im Jahr 2023 habe sich die Hoffnung auf konkrete Aktionen gegen die Klimakrise mehr oder weniger zerstreut: Er erwarte sich von der Regierung, die seit nunmehr um die 1.000 Tage in Sachen Klimaschutzgesetz säumig ist, "gar nichts mehr", erklärte der an der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku) tätige Politikwissenschafter.

Als wesentlichen Faktor dafür bezeichneten die Forscher, zu denen auch der die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb und der Ökologe und "Wissenschafter des Jahres", Franz Essl zählten, die ÖVP rund um Kanzler Karl Nehammer. Dem von Steurer mit Binde und Stöpsel ausstaffierten Konterfei Figls erspare man kurzzeitig den Blick auf das Augenverschließen und die "Scheinklimapolitik" seiner Nachfolger in der Volkspartei. Wer in dieser den Geist Figls, der seine Augen von Problemen und deren Lösungen nicht abgewendet habe, nicht nur als PR-Vehikel verstehe, müsse für ein Umdenken sein, so der Wissenschafter.

Es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen, statt auf andere zu zeigen, und auf Zusammenhalt statt Hetze gegen Klima-Protestierende und Spaltung der Gesellschaft zu setzen. Im Gegensatz zu einst versprochenen Fortschritten im Klima- und Umweltschutz sei Österreich "am Weg zurück". Das gilt beispielhaft für den Verkehrssektor, in dem politisch keine sinnvollen Maßnahmen gesetzt wurden, so Barbara Laa von der Technischen Universität (TU) Wien. Die einzigen positiven Effekte brachten die Pandemie und die hohen Spritpreise.

Außer "populistischen Narrativen", wie der Bezeichnung Österreichs als "Autoland schlechthin" durch Nehammer, das Wettern gegen das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 und der Blockade der Diskussionen zu Temporeduktionen auf den Straßen, habe die ÖVP nichts zu bieten. Letzteres wäre jedenfalls "die effektivste Einzelmaßnahme" gegen die in Österreich weiter deutlich zu hohen Treibhausgas-Emissionen beim "Sorgenkind" Verkehr, so Laa.

Mit seinem deutlich über China liegenden Pro-Kopf-CO2-Ausstoß ist Österreich "ein großer Teil des Problems", so Steurer, und gleichzeitig ein großer Leidtragender, wie Kromp-Kolb ausführte. Einer bisherigen globalen Erwärmung von rund 1,2 Grad Celsius steht eine Erhitzung in unseren Breiten von 2,7, in Wien sogar knapp 3 Grad Celsius gegenüber. "Es wird immer schlimmer", sagte Kromp-Kolb.

Den Anteil des Klimawandels auf die zunehmenden Extremereignisse, wie die Überflutungen im Sommer im Süden des Landes, könne die Wissenschaft darstellen. Die Regierung sollte also vorangehen und verstehen, was sich gerade alles verändert und was man dagegen tun kann. "Uns geht es um Österreich", so Kromp-Kolb. Die Wissenschafter würden an das Land glauben und versuchen, es zu schützen.

Dazu müsse man neben wirtschaftlichen Kennzahlen auch auf das "grüne Kapital" schauen, sagte Essl. Leider heiße es aktuell: "Willkommen bei sechsten großen Artensterben" der Erdgeschichte - dem ersten, das vom Menschen ausgelöst und vorangetrieben wird. Blicke man auf das Thema Bodenversiegelung werde klar, wie sorglos Österreich mit seinen Ressourcen umgeht: Täglich werde die Fläche aller heimscher Bundesliga-Stadien zubetoniert. Die Regierung müsse sich diesen Problemen endlich stellen, betonte der Ökologe.

Das gelte auch für das Gesundheitssystem, das "klimafitt" gemacht werden müsste, erklärte Lukas Kenner von der Medizinischen Universität Wien. Der Pathologe führte aus, dass bereits in etwa doppelt so viele Hitzetote pro Jahr in Österreich zu beklagen sind, wie in Verkehrsunfällen getötet werden. Invasive Arten würden Allergien verschärfen und eingewanderte Insekten hätten das Zeug zum Verbreiter neuer Infektionskrankheiten. Die Politik sei daher gefordert, "auf die Fakten einzugehen", so Kenner.

ribbon Zusammenfassung
  • Mit Augenbinde und Ohrstöpseln ausgestattet blickte am Montag das Denkmal des ÖVP-Urgesteins Leopold Figl am Wiener Minoritenplatz Richtung Bundeskanzleramt.
  • Vier Jahre nach der Anerkennung des "Klimanotstandes" durch den Nationalrat taumle die Regierung um Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) "blind in die Klimakatastrophe".
  • Im Gegensatz zu einst versprochenen Fortschritten im Klima- und Umweltschutz sei Österreich "am Weg zurück".