"Wettbewerbsfähigkeit": Beerdigt Von der Leyen die EU-Klimapolitik?
Europa soll wettbewerbsfähiger werden, um es mit den USA und China aufnehmen zu können - das sieht auch die EU-Kommission so. Um das zu bewerkstelligen, wurde am Mittwoch in Brüssel ein "Wettbewerbskompass" vorgestellt. Damit soll vor allem die Bürokratie abgebaut werden.
Schon im Februar könnten etwa erste konkrete Vorschläge zur Abschwächung des Lieferkettengesetzes, der EU-Taxonomieverordnung und zur Nachhaltigkeitsberichterstattung kommen. Kritiker:innen befürchten in der Folge eine Aushöhlung des Green Deal, der im Zentrum der ersten Amtsperiode von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stand.
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In der neuen "gemeinsamen Roadmap" sind drei große Bereiche enthalten: Förderung von Innovation, gemeinsamer Fahrplan für Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit.
Pfeiler 1: Innovation
Um gegenüber den USA oder Asien nicht zu verlieren, sollen europäische Firmen in Zukunft bei öffentlichen Ausschreibungen in kritischen Wirtschaftssektoren bevorzugt behandelt werden. "Saubere Handels- und Investitionspartnerschaften" sollen die Versorgung Europas mit Rohstoffen, sauberer Energie und Technologien sicherstellen.
Zudem will Brüssel Investitionen in moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz mittels "KI-Gigafabriken" und Start-up-Strategien noch mehr fördern.
Pfeiler 2: Dekarbonisierung
Ebenso soll mit dem neuen Kompass einen "wettbewerbsorientierten Ansatz zur Dekarbonisierung" vorgeben. Er umfasst die für Ende Februar angekündigten Vorschläge "Clean Industrial Deal" und "Aktionsplan für erschwingliche Energie".
Europäische "Clean Tech"-Unternehmen sollen besonders gefördert werden. Der Kompass sieht auch maßgeschneiderte Aktionspläne für energieintensive Sektoren wie die Stahl-, Metall- und Chemieindustrie, die "in dieser Phase des Übergangs am meisten gefährdet" seien.
Von der Leyen bekräftigte aber am Mittwoch erneut, dass die gesteckten Klimaziele des Green Deal nach wie vor gelten würden. Die EU will demnach bis 2050 klimaneutral werden. Gleichzeitig betonte sie aber die Wichtigkeit, "flexibel" und "pragmatisch" vorzugehen. Die EU müsse sich bei der Gesetzgebung auch eingestehen können, "das war nicht genug" oder "das war zu viel", oder müsste anders gemacht werden.
Pfeiler 3: Wettbewerbsfähigkeit
Die Kommission strebt auch einen EU-weit einheitlichen Rechtsrahmen für Unternehmen, etwa im Steuer- oder Arbeitsrecht, an. Insgesamt soll rund ein Viertel weniger Bürokratie die Unternehmen belasten.
Meldepflichten für kleine und mittlere Unternehmen sollen um 35 Prozent sinken. Rund 37 Milliarden Euro soll die Wirtschaft so einsparen können, so von der Leyen in der Pressekonferenz.
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Reaktionen fallen gemischt aus
Wirtschaftsvertretende sind für eine Vereinfachung geltender Regelungen. "Der Kurswechsel hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit ist überfällig und längst notwendig. Entscheidend wird jedoch sein, ob die angekündigten Maßnahmen tatsächlich konsequent umgesetzt werden. Vor allem bei der Deregulierung und Entbürokratisierung besteht akuter Handlungsbedarf", sagte Angelika Winzig, Wirtschaftssprecherin der ÖVP im Europaparlament.
"Das sollte ein dringender Weckruf sein: Wir brauchen eine umfassende Neuausrichtung, wenn wir mit der Weltspitze mithalten wollen. Eine Strategie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit mit Wachstumsimpulsen für Europa", begrüßt auch IV-Generalsekretär Christoph Neumayer die Ankündigungen.
Kritik kam hingegen von SPÖ und Grünen. "Der Fokus liegt auf Deregulierung und der Senkung von Standards, statt auf politischen Zielen. Der 'Green Deal' wird nicht einmal erwähnt und es entsteht der Eindruck, dass die EU-Kommission bereit ist, ihr eigenes Flaggschiffprojekt über Bord zu werfen und soziale Gerechtigkeit und den Umweltschutz zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu opfern", so SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner, Mitglied im Wirtschafts- und Währungsausschuss.
Auch die grüne EU-Parlamentarierin Lena Schilling warnt: "Einfacher machen ja, abschwächen auf keinen Fall! Die Europäische Volkspartei versucht schon lange, den Green Deal unter dem Deckmantel der 'Vereinfachung' auszuhöhlen. Ursula von der Leyen darf hier nicht einknicken und den europäischen 'Kompass' Richtung Kinderarbeit ausrichten."
Zusammenfassung
- Europa soll fit für den internationalen Wettbewerb gemacht werden, dazu will Brüssel viele EU-Gesetze aufweichen und abbauen.
- Am Mittwoch wurde eine "gemeinsame Roadmap" für den "wettbewerbsorientierten Ansatz zur Dekarbonisierung" vorgestellt.
- Ein Überblick über die wichtigsten Punkte.