Kleiner Funke hat bei illegaler Pyro gefährliche Wirkung
"Dadurch, dass man über verschiedenen Kanäle pyrotechnische Gegenstände beziehen kann, unter anderem auch über diverse private Plattformen, ist es fast unmöglich, das lückenlos zu überwachen", so Mayrhuber. Neben dem Internet werden die Geschosse auch an leicht erreichbare Grenzorten etwa in Tschechien vertrieben. "Da müsste man jedes einzelne Fahrzeug, was die Grenze passiert, kontrollieren."
Die Böller werden bereits weit vor Silvester besorgt, mittlerweile wird auch schon gerne zu Halloween geknallt. Für die Polizei beginnt die Saison daher immer früher. Erst am 25. Oktober warfen Unbekannte Pyrotechnik in den Lüftungsschacht eines Mehrparteienhauses in Floridsdorf und richteten enormen Schaden an. Zum Glück wurde niemand verletzt. Dass schon weit vor Silvester geböllert wird, dafür dürfte die Linzer Halloweennacht im vergangenen Jahr ausschlaggebend gewesen sein. Dort hatten rund 200 Personen randaliert, Böller gezündet und pyrotechnische Gegenstände geworfen, was zu medialer Aufmerksamkeit führte. "Es ist halt gefährlich. Wenn ich zuviel in den Medien berichte, dann habe ich natürlich auch das Problem der Nachahmungstäter", meinte Mayrhuber, wobei sich die Vorfälle in Wien da stark in Grenzen gehalten haben. In der Bundeshauptstadt wurden in der Halloweennacht 14 Anzeigen nach dem Pyrotechnikgesetz gelegt. "Das ist ganz wenig", meinte der Pyrotechnikexperte. "Es war ruhiger als gedacht", sagte auch Polizeipressesprecherin Julia Schick. Schwerpunktaktionen und mehr Präsenz vonseiten der Wiener Polizei sei "immer noch sehr effektiv", ergänzte Mayrhuber.
Im vergangenen Jahr wurde einem 23-Jährigen in Niederösterreich ein illegal eingeführter Böller zum tödlichen Verhängnis. Er hatte mit Freunden in Tschechien Feuerwerkskörper eingekauft und sie rechtswidrig über die Grenze gebracht. Bei einer privaten Silvesterfeier hatten sie dann die Warnhinweise auf der Verpackung missachtet, eine nicht fachgerechte Abschussvorrichtung konstruiert und die Kugelbombe gezündet, obwohl keiner von ihnen das dafür nötige Wissen hatte. Der Feuerwerkskörper war, gleich nachdem der 23-jährige ihn gezündet hatte, explodiert und habe ihn getötet. Er starb an einem offenen Schädel-Hirn-Trauma mit Atem- und Hirnlähmung. Ein weiterer Freund wurde schwer verletzt.
Nicht minder gefährlich, sind selbst gebastelte Feuerwerkskörper, die aufgrund ihrer unberechenbaren Sprengkraft noch gefährlicher sein können, wenn Laien mit kritischen Mischungen hantieren. "Der kleinste Funke kann zu einem katastrophalen Ende führen", so Mayrhuber. "Der Bastler nimmt ja keine kleinen Mengen, der meint ja, er muss den Super-Wumms bauen." 2014 starben Vater und Sohn in Kapfenstein in der Südoststeiermark bei einer illegalen Produktion von Knallkörpern. Das Gebäude, in dem die Arbeiten stattgefunden haben, wurde dem Erdboden gleichgemacht. Da würden ganz geringe Mengen reichen, um bei dem Knall Überschallgeschwindigkeit zu erreichen, "und dann sind wir im sehr gefährlichen pyrotechnischen Bereich", sagte der Experte. "Es gibt eben pyrotechnische Gegenstände, die im illegalen Handel verkauft werden, da brennt das Medium mit Überschallgeschwindigkeit ab", warnte Mayrhuber. Die im Handel legal erhältliche Pyrotechnik, die für die Konsumentinnen und Konsumenten freigegeben sei, haben Abbrenngeschwindigkeiten von maximal 500 bis 600 Meter pro Sekunde. "Das ist immer noch viel, aber ist kein Überschall", betonte Mayrhuber.
Spätestens nach dem Tod eines 17-Jährigen durch eine Böller-Explosion in Oberösterreich im Jahr 2019 wurde das Thema sensibilisiert und über strengere Maßnahmen nachgedacht. Der 17-jährige Oberösterreicher hatte damals mit einer selbst gebauten Vorrichtung aus Metallrohren eine Kugelbombe mit 15 Zentimetern Durchmesser abgeschossen. Als die Lunte versagte, versuchte er sie ein zweites Mal anzuzünden. Dabei dürfte es in dem Rohr sofort zur Explosion gekommen sein. Der Jugendliche erlitt so schwere Kopfverletzungen, dass er denen wenig später erlag, was eine Diskussion für strengere Richtlinien zur Folge hatte. Für Mayrhuber sei die Gesetzeslage allerdings ausreichend. "Das Pyrotechnikgesetz definiert klipp und klar ganz klare Regeln, was erlaubt ist und was nicht", meinte der Experte. "Der eine ist bereit, sich an die Gesetze zu halten, der andere sagt, mir ist das ganz egal", meinte Mayrhuber. Das sei wie beim Schnellfahren. "Das ist eine Individualentscheidung des Menschen."
"Mir ist aufgefallen im Zuge meiner Marktüberwachung, an den in Wien zugelassenen Händlern, dass es zwei Gruppen von Konsumenten gibt", sagte der Experte. Zum einen wären es die 18- bis 25-Jährigen, die gerne Böller kaufen. Die zweite Gruppe seien die Väter mit Kindern, die ein besonderes Silvester bieten wollen. Jünger seien die Konsumenten und Konsumentinnen eher nicht, da sie oft weniger Geld zur Verfügung hätten. "Das ist ja nicht gerade billig", sagte Mayrhuber. "Das Gros ist sicher männlich."
Prävention sei ein schwieriges Thema. Videos oder Aufklärungsmaterial, wie stark manche Böller sind, könnten das Gegenteil bewirken. "Ich lasse den Tiger lieber schlafen, als dass ich ihn wecke", meinte Mayrhuber zu möglichen Nachahmungstätern. Auch würden dabei Informationen weitergegeben, die ein Laie ja gar nicht wissen soll. Dieses Wissen sollte nur in Fachkursen für Pyrotechniker vermitteln werden.
In Europa und somit auch in Österreich sind pyrotechnische Gegenstände in Kategorien eingeteilt, die sich nach dem Verwendungszweck richten. Alles, was dem Unterhaltungszweck dient, ist den Kategorien F1 bis F4 - je nach Gefährlichkeit - zugeordnet. F1 ist etwa eine Wunderkerze, da ist für den Anwender nur ein Schutzabstand von einem Meter notwendig. F2 wäre das klassische Konsumentenfeuerwerk, das im Fachhandel käuflich erworben werden kann, und erst ab 16 Jahren freigegeben ist. Zudem darf es nicht im Ortsgebiet gezündet werden. Hier muss ein Schutzabstand von acht Meter eingehalten werden. Ab der Kategorie F3 ist Sachkunde - ein Kurs an einer staatlich anerkannten Einrichtung - erforderlich. Das sind sogenannte Mittelfeuerwerke, wo die Gefahr, die davon ausgeht, eine deutlich höhere ist. Darum ist ein Schutzabstand von 15 Metern erforderlich. "Es ist aber empfohlen, deutlich mehr zu nehmen", sagte Mayrhuber, der Pyrotechnik-Profis auch ausbildet. Für die Kategorie F4 sind schon entsprechende Fachkenntnisse erforderlich - eine auf den Sachkundekurs aufbauende Ausbildung, wo man erst nach 15 Übungsfeuerwerken zugelassen wird. "Das ist die höchste Kunst der klassischen Unterhaltungsfeuerwerks." In Wien gibt es pro Jahr zehn bis 15 Absolventen.
Zusammenfassung
- Kategorien mit schwerer Sprengkraft dürfen ohne Ausbildung gar nicht erst gezündet werden.
- Gerade deshalb holen sich viele vor Silvester illegale Böller aus dem Ausland.
- Dass schon weit vor Silvester geböllert wird, dafür dürfte die Linzer Halloweennacht im vergangenen Jahr ausschlaggebend gewesen sein.
- "Der kleinste Funke kann zu einem katastrophalen Ende führen", so Mayrhuber.
- Zum einen wären es die 18- bis 25-Jährigen, die gerne Böller kaufen.