APA/APA/THEMENBILD/ROLAND SCHLAGER

Justizwachebeamter nach Flucht eines Häftlings vor Gericht

Ein Justizwachebeamter hat sich am Freitag nach der Flucht eines Untersuchungshäftlings im Februar vor Gericht verantworten müssen. Aber nicht, weil dem Beamten der terrorverdächtige Insasse entwischt war, sondern weil er danach behauptete, von dem Häftling einen Fausthieb erhalten zu haben. Wie Videoaufnahmen aus einer Überwachungskamera zeigten, war dies nicht der Fall.

Dem Justizwachebeamten wurden Missbrauch der Amtsgewalt und Verleumdung vorgeworfen. Er bekannte sich vollinhaltlich schuldig. Er habe "aus Scham" die falschen Angaben gemacht und dass ihm nach seiner 20-jährigen Karriere zum ersten Mal ein Häftling entwischt war. Der 47-Jährige kam mit einer Diversion davon. Nach Zahlung einer Geldbuße in der Höhe von 4.000 Euro wird das Verfahren eingestellt.

Der damals 19-jährige Häftling war bis Jänner 2024 nach einer Verurteilung wegen Raubes und Körperverletzung in Strafhaft gesessen. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er infolge angelaufener Ermittlungen in Richtung Terrorverdacht nahtlos in U-Haft genommen. An sich war der 19-Jährige mit der vom Landesgericht Wiener Neustadt verhängten U-Haft in der Justizanstalt Wiener Neustadt untergebracht. Da er jedoch eine Erkrankung geltend machte, wurde er in die Justizanstalt Josefstadt verlegt.

Am 1. Februar erlitt der Mann einen epileptischen Anfall, nicht zum ersten Mal. Deshalb entschied man sich, am nächsten Tag einen Neurologen im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien-Leopoldstadt zu konsultieren. Der Oberarzt des Krankenhauses gab die Anordnung, den Häftling "nicht geschlossen" - also ohne Handschellen - in die medizinische Abteilung zu bringen, da aufgrund seiner Erkrankung Lebensgefahr bestehen könnte, wenn er stürzen sollte. "Es war alles problemlos, bis zum Zeitpunkt der Rückkehr", sagte der Beschuldigte. Als der Justizwachebeamte mit dem Insassen, der nur einen Pyjama und Schlapfen trug, in den Lift stieg und den Knopf drückte, nutzte das der 19-Jährige aus. Kurz bevor sich die Tür schloss, schlüpfte der Bursche durch und rannte davon.

Der Justizwachebeamte, wie auf dem Überwachungsvideo zu sehen ist, kämpfte noch damit, die Tür wieder aufzudrücken und nahm die Verfolgung auf. Durch das Stiegenhaus in den unteren Bereich konnte er dem 19-Jährigen nachlaufen. Beim Haupteingang des Spitals stürzte der Beamte jedoch und der Häftling entwischte. Erst am nächsten Tag konnte er in Wien-Floridsdorf wieder gefasst werden.

Weil sich der 47-Jährige beim Türaufdrücken eine Verletzung am Kopf zugezogen hatte, sprach ihn deshalb sein Vorgesetzter darauf an. Der Justizwachebeamte behauptete daraufhin, er sei von dem jungen Mann mit der Faust attackiert worden. Gegen den Beamten läuft noch ein Disziplinarverfahren. Weil er dem Häftling keine Handschellen anlegte, hatte er bereits eine Disziplinarstrafe in der Höhe von 500 Euro erhalten.

ribbon Zusammenfassung
  • Ein Justizwachebeamter stand vor Gericht, nachdem ein Untersuchungshäftling im Februar entkam und er fälschlicherweise behauptete, vom Häftling geschlagen worden zu sein, was durch Videoaufnahmen widerlegt wurde.
  • Der 47-jährige Beamte bekannte sich schuldig und erhielt eine Diversion mit einer Geldbuße von 4.000 Euro, während der entflohene 19-jährige Häftling am nächsten Tag wieder gefasst wurde.
  • Der Beamte erhielt zudem eine Disziplinarstrafe von 500 Euro, weil er dem Häftling keine Handschellen angelegt hatte, und gegen ihn läuft noch ein weiteres Disziplinarverfahren.