IUCN-Kongress will Artenschutz als Selbstschutz vermitteln
Das Artensterben hat sich wie Klimawandel, Umweltverschmutzung und von Wildtieren überspringende Krankheiten zu einer existenziellen Bedrohung für den Menschen entwickelt. All diese Probleme könnten nicht "isoliert verstanden und bekämpft werden", mahnte die IUCN vor ihrem Kongress in einer Erklärung, die von ihren rund 1.400 Mitgliedern abgesegnet wurde.
Bei dem IUCN-Kongress in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille werden Nichtregierungsorganisationen, Indigene sowie Regierungsvertreter - unterstützt von einem Netzwerk aus rund 16.000 Wissenschaftern - neun Tage lang über Vorschläge zum Schutz von Tier- und Pflanzenarten beraten. Damit stellen sie die Weichen für wichtige UN-Gipfel zu Arten- und Klimaschutz und Ernährungssicherheit. Bereits in der Vergangenheit hatte die Weltnaturschutzunion wichtige internationale Artenschutzabkommen vorbereitet.
"Das ist der einzige Ort, an dem sowohl Regierungen als auch Schutzorganisationen, kleine wie große, allesamt Mitglieder sind", sagt die Umweltschutz-Veteranin und Vize-Präsidentin der US-Naturschutzstiftung Wildlife Conservation Society, Susan Lieberman. Wenn die IUCN eine Position formuliere, dann stehe hinter dieser Position "fast jede Regierung und jede Schutzorganisation der Welt".
Was beim Artensterben auf dem Spiel steht, hat das Weltwirtschaftsforum mit einer schwindelerregenden Geldsumme beziffert: 44 Billionen Dollar (gut 37 Billionen Euro) und damit etwa die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) hängen in hohem Maße von Ressourcen ab, die uns die Natur liefert.
Die Menschheit zeigt sich dafür laut IUCN kaum erkenntlich, sondern bedroht zahlreiche Arten mit rücksichtslosem Konsum und der Zerstörung natürlicher Lebensräume. Craig Hilton-Taylor, Leiter der IUCN-Abteilung für die Erstellung der Roten Liste, warnt vor einer "baldigen großen Krise". Die Erde befinde sich schon jetzt am Wendepunkt zu "einem sechsten Massenaussterben".
In den vergangenen Jahren hat die Weltnaturschutzunion fast 135.000 Arten für ihre Rote Liste untersucht. Fast 28 Prozent von ihnen sind heute vom Aussterben bedroht. Die weltweiten Großkatzen-Bestände etwa sind um gut 90 Prozent geschrumpft. In freier Wildbahn leben nur noch rund 20.000 Löwen, 7000 Geparden, 4000 Tiger und ein paar Dutzend Amurleoparde.
Auch mit dem Einschleppen fremder Tiere trägt der Mensch zum Artensterben bei. Von Containerschiffen oder Urlaubsfliegern mitgebrachte Nagetiere, Schlangen oder Mücken mit Parasiten raffen insbesondere auf Inseln einzigartige Arten dahin. Es ist damit zu rechnen, dass die überarbeitete Rote Liste, die am Samstag vorgelegt wird, eine weitere Verschärfung dieser Biodiversitätskrise offenbart.
Bei der Frage, wie die Natur bewahrt werden kann, dürfen bei diesem Kongress erstmals in der sieben Jahrzehnte langen Geschichte der IUCN Vertreter indigener Völker als stimmberechtigte Mitglieder mitreden. Ein Vorschlag sieht vor, bis 2025 einen globalen Pakt zum Schutz von 80 Prozent des wald- und artenreichen Amazonas-Gebietes zu schließen.
Ein anderer Antrag beim IUCN-Kongress zielt auf den Schutz der Weltmeere etwa durch ein Verbot der Plastikverschmutzung bis 2030 ab. Und auch ums Geld soll es gehen: Die derzeit 80 Milliarden Dollar, die weltweit jährlich für den Artenschutz ausgegeben werden, müssten verzehnfacht werden, fordert etwa der Leiter des französischen IUCN-Komitees, Sébastien Moncorps. "Das wäre rund ein Prozent des globalen BIP", sagt er. "Aber wenn man sich klar macht, dass die Hälfte aller wirtschaftlichen Aktivitäten von einer gesunden Natur abhängt, ist das eine gute Rendite der Investition."
(S E R V I C E -https://www.iucncongress2020.org/)
Zusammenfassung
- Schließlich ist eine intakte Natur Voraussetzung, dass der Mensch sauberes Trinkwasser hat und auf gesunden Böden Landwirtschaft betreiben kann.