Immer mehr sexuell übertragbare Krankheiten in Europa
Auch die Fälle von Lymphogranuloma venereum (LGV) und kongenitaler Syphilis - damit ist die Übertragung von der Mutter auf den Fötus gemeint - hätten "erheblich" zugenommen. Die nun veröffentlichten epidemiologischen Jahresberichte geben Aufschluss über die Entwicklung sexuell übertragbarer Infektionen (STI) in der Europäischen Union bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum (EU/EWR).
ECDC-Direktorin Andrea Ammon äußerte sich besorgt: "Tests, Behandlung und Prävention stehen im Mittelpunkt jeder langfristigen Strategie. Wir müssen der sexuellen Gesundheitserziehung Vorrang einräumen, den Zugang zu Test- und Behandlungsdiensten ausweiten und die mit STIs verbundene Stigmatisierung bekämpfen." Aufklärung sei nötig, damit Menschen informierte Entscheidungen treffen können. So müsse das Wissen um die Bedeutung der konsequenten Verwendung von Kondomen geschärft werden.
Jede und jeder potenziell Betroffene solle "proaktive Maßnahmen ergreifen, um sich und ihre Partner zu schützen". Insbesondere bei Personen mit neuen oder mehreren Sexualpartnern sei rechtzeitiges Testen für Früherkennung und schnelle Behandlung unerlässlich. Umso mehr, als einige dieser Infektionen auch asymptomatisch verlaufen und ohne Wissen weitergegeben werden können.
Krankheiten wie Chlamydien, Gonorrhoe und Syphilis können unbehandelt zu schwerwiegenden Komplikationen führen, etwa zu entzündlichen Erkrankungen des Beckens oder chronischen Schmerzen. Chlamydien und Gonorrhoe können Unfruchtbarkeit verursachen, die Syphilis neurologische und kardiovaskuläre Probleme. Eine unbehandelte Syphilis-Infektion während der Schwangerschaft kann schwerwiegende Folgen für das Kind haben.
STIs-Raten im Detail: 2022 wurden 2.059 Fälle von LGV von 23 EU-/EWR-Mitgliedstaaten berichtet, ein Anstieg um 58 Prozent gegenüber 2021. 84 Prozent der Fälle entfallen laut ECDC auf Spanien, die Niederlande, Frankreich und Belgien. Weiters gab es 70.881 bestätigte Fälle von Gonorrhoe in 28 Ländern, die Daten für die Berichte lieferten (Österreich war nicht dabei, Anm.). Laut ECDC ist die Melderate somit "die höchste seit Beginn der europäischen Überwachung sexuell übertragbarer Infektionen im Jahr 2009" gewesen.
In 27 EU-/EWR-Ländern wurden 216.508 bestätigte Fälle einer Chlamydieninfektion gemeldet. Sie hatten 2019 einen Höhepunkt, gingen während der Coronapandemie zurück, ehe 2022 sowohl bei Frauen als auch bei Männern Rekordmelderaten verzeichnet wurden. Bei Syphilis wurden 35.391 Infektionen in 29 EU-/EWR-Mitgliedstaaten registriert. "Die gemeldeten Syphilisraten waren bei Männern achtmal höher als bei Frauen und am höchsten bei 25- bis 34-jährigen Männern", so die Fachleute, nämlich 40 Fälle pro 100.000 Einwohner. Die Mehrzahl (74 Prozent) mit Angaben zur Übertragungskategorie wurde bei Männern gemeldet, die Sex mit Männern haben.
Zusammenfassung
- In Europa ist die Zahl der sexuell übertragbaren Infektionen dramatisch gestiegen: Gonorrhöe um 48%, Syphilis um 34% und Chlamydien um 16%.
- Besonders besorgniserregend: ein Anstieg von LGV um 58% auf 2.059 Fälle und eine Rekordzahl von Gonorrhöe mit 70.881 Fällen seit 2009.
- ECDC-Direktorin Andrea Ammon fordert verstärkte Maßnahmen in Prävention und Aufklärung, um die steigenden STI-Raten zu bekämpfen.