Heimat wendet sich gegen Prinz Andrew
Der Druck wächst, dass Andrew alle Auszeichnungen zurückgibt und royalen Brücken abbricht, um sich tatsächlich als völlig normaler Bürger einem wahrscheinlichen Zivilprozess zu stellen. Hier steht vor allem die nordenglische Stadt York im Fokus, die Namensgeberin seines Titels Herzog von York, zu dem ihn seine Mutter anlässlich seiner Hochzeit 1986 ernannte. Zuerst forderte ein Stadtrat, Andrew die traditionelle Bezeichnung zu entziehen. Nun will auch das bekannte Pferderennen "Duke of York Stakes" seinen Namen abändern. "Es ging nie direkt um Prinz Andrew", sagte der Marketingchef der Rennbahn, James Brennan, der Zeitung "Yorkshire Post". Deshalb solle der historische Bezug deutlicher gemacht werden. "Der Name bezieht sich auf einen ganz anderen Herzog von York."
Tatsächlich wurde das Rennen 1895 nach dem damaligen Titelträger benannt, dem späteren König Georg V. Als Favorit für die neue Bezeichnung gilt derzeit "1895 Duke of York Stakes". Der symbolische Schritt dürfte auch die Queen treffen. Die Königin ist eine Pferde-Enthusiastin und seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Züchterin.
York liegt damit im Trend. "Schlecht beraten" seien alle, die Verbindungen zu Andrew aufrechterhielten, sagte Regierungsmitglied James Heappey am Mittwoch dem Sender LBC. "Er hat die Royal Family vor eine enorme Herausforderung gestellt in einem Jahr, in dem wir den außergewöhnlichen Dienst Ihrer Majestät der Königin feiern sollten, wenn sie ihr Platin-Jubiläum erreicht." 2022 ist es 70 Jahre her, dass die Queen den Thron bestieg. Höhepunkt der Feierlichkeiten ist ein langes Wochenende Anfang Juni in London mit einer Militärparade, einem Gottesdienst und einem Konzert.
Der Palast fürchtet, dass der Fall Andrew das Jubiläumsjahr überschattet. Seit mehr als zwei Jahren tritt der 61-Jährige nicht mehr öffentlich auf. Wurde royalen Experten zufolge zunächst eine Rückkehr im Rahmen des Jubiläums nicht ausgeschlossen, gilt ein solcher Schritt angesichts der Entwicklungen mittlerweile als unmöglich.
Die US-Amerikanerin Virginia Giuffre wirft dem Queen-Sohn vor, sie vor gut 20 Jahren als Minderjährige mehrfach sexuell missbraucht zu haben. Sie fordert Schadenersatz. Giuffre behauptet, der mittlerweile gestorbene US-Unternehmer Jeffrey Epstein und seine Ex-Partnerin Ghislaine Maxwell, die kürzlich in dem Fall schuldig gesprochen wurde, hätten sie an Andrew vermittelt und sie zum Sex mit dem Adligen gedrängt. Der Prinz weist dies kategorisch zurück.
Die Vorwürfe sind seit langem bekannt. Auch deshalb soll im Palast der Unmut groß sein, dass Andrew den Behauptungen nicht früher entschlossen entgegentreten ist, wie die Zeitung "Daily Mirror" berichtete. Als letzten Ausweg soll Andrew planen, den Fall außergerichtlich gegen eine erhebliche Summe beizulegen - die Rede ist von bis zu zehn Millionen Pfund (zwölf Millionen Euro).
Doch die Chancen stehen schlecht. "Es ist Virginias feste Überzeugung, dass Andrew für das, was er getan hat, ins Gefängnis gehen sollte", zitierte der "Mirror" eine Quelle aus dem Umfeld von Giuffres Anwälten. Ein Prozess in New York - welcher Zufall angesichts Andrews Titel - rückt immer näher. Aber letztlich könne es auch ausreichen, ihn finanziell und moralisch am Boden zu sehen, sagte die "Mirror"-Quelle weiter. "Er ist bereits erledigt." Eine weitere Hiobsbotschaft für Andrew kam am Mittwoch mit der Ankündigung einer Zeugin, die ihn im Jahr 2001 in einer Diskothek in London zusammen mit Giuffre und Maxwell gesehen haben will, gegen ihn auszusagen.
Eine neue TV-Dokumentation, die der Sender ITV am Dienstag ausstrahlte, droht, die Stimmung gegen Andrew weiter zu verschlechtern. Ein ehemaliger Leibwächter gibt den 61-Jährigen in "Ghislaine, Prince Andrew and the Paedophile" mit der Anekdote zum Spott frei, Andrew sei ausgerastet, wenn seine Teddybären, die er sammelt, falsch arrangiert waren. Schwerer dürfte der Vorwurf wiegen, die Epstein-Vertraute Maxwell, einst enge Freundin des Prinzen, sei nach Belieben im Palast ein- und ausgegangen. Dennoch will die Queen sich offenbar nicht völlig von Andrew distanzieren. Der 61-Jährige werde - wie alle Royals - zum Jubiläum eine Medaille erhalten, berichtete die "Daily Mail" jüngst.
Zusammenfassung
- Selbst die Queen rückt von ihrem Lieblingssohn ab, die Stadt York will von ihrem Titelträger nichts mehr wissen: Prinz Andrew schlägt wegen der Missbrauchsvorwürfe in den USA auch in der Heimat immer mehr Kritik entgegen.
- Zuerst forderte ein Stadtrat, Andrew die traditionelle Bezeichnung zu entziehen.
- Der Palast fürchtet, dass der Fall Andrew das Jubiläumsjahr überschattet.
- Dennoch will die Queen sich offenbar nicht völlig von Andrew distanzieren.