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Gute Gesundheitssysteme schaffen Vertrauen in Demokratie

Funktionierende Gesundheitssysteme schaffen Vertrauen in die Demokratie. Das wurde am Mittwoch beim European Health Forum Gastein (EHFG) in Bad Hofgastein betont. Wenn Menschen auf den nächsten Arzttermin lange warten müssen, dann werden sie "anfällig für vermeintlich einfache Lösungen", sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Transparenz und Vertrauen sind zudem wichtig bei künftigen Pandemien, betonte Pamela Rendi-Wagner, Direktorin der EU-Gesundheitsbehörde ECDC.

"Wir sind durchaus auch befasst mit einer Vertrauenskrise in die Demokratie", erläuterte Rauch per Videoschaltung in einer Pressekonferenz. Er verwies auf die alternde Gesellschaft und eine "enorme Geschwindigkeit in der Digitalisierung". Das heiße, dass Anpassungsprozesse notwendig sind. "Wenn Menschen sich abgehängt fühlen, dann verlieren sie das Vertrauen auch in die Demokratie." Das betrifft auch das Gesundheitssystem.

"Es haben viele Menschen das Gefühl, sie sind Patienten zweiter Klasse", sagte der Gesundheitsminister. "Es gibt ein Anrecht auf eine angemessene Gesundheitsversorgung. Das kostet Geld, keine Frage. Wir haben deshalb in der Gesundheitsreform mit den nächsten fünf Jahren über den Finanzausgleich beschlossen, insgesamt 14 Milliarden Euro zu investieren." Das seien auch Investitionen in den sozialen Frieden. "Wenn da jetzt nicht drangeblieben wird, dann war diese ganze Reform für die Fische", sagte er vier Tage vor der Nationalratswahl mit Blick auf eine künftige Regierung.

Die europäische Gesundheitskonferenz "findet in einer ernsten Zeit statt", sagte EHFG-Präsident Clemens Martin Auer in Bad Hofgastein. "Demokratien sind unter Druck", der Populismus steige. "Wir wollen zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen funktionierenden Demokratien und funktionierenden Gesundheitssystemen gibt und zwischen nicht-funktionierenden Demokratien und nicht-funktionierenden Gesundheitssystemen." Am Mittwoch werde beim EHFG eine Studie präsentiert, die zeige, dass in schlecht versorgten Gebieten rechter oder linker Populismus unterstützt werde, berichtete Auer.

"Wir wollen auch von hier ein klares Signal vom European Health Forum Gastein an die Europäische Kommission richten und nicht nur an den Gesundheitskommissar, dass Gesundheit etwas ist, was nicht nur in dem Silo Gesundheit abzubilden ist", sagte der frühere Sektionschef im Gesundheitsministerium. "Wir müssen handeln." Gesundheit sei jener gesellschaftliche Bereich, von dem jede und jeder betroffen ist. "Nicht handeln ist, glaube ich, die Ursache für die Unterstützung des Populismus." Diese Aussagen wollte Auer jedoch nicht auf die österreichische Gesundheitspolitik bezogen sehen, "denn hier wurde gehandelt", betonte Auer.

Zeit, Transparenz und ebenfalls Vertrauen sind laut ECDC-Direktorin Rendi-Wagner entscheidend für die Bewältigung künftiger Pandemien. Eine der größten Herausforderungen während der Covid-19-Pandemie sei der sich ständig ändernde Wissensstand gewesen. "Wissen ist dynamisch", betonte die Medizinerin und Ex-Gesundheitsministerin (SPÖ). Für Forschende sei das normal, für die nicht wissenschaftlich versierte Bevölkerung bedeute das jedoch eine große Herausforderung. Dass sich der Wissensstand ständig ändert, werde es auch in der nächsten Pandemie geben. Dafür brauche es Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung vor der nächsten Krise, "in den Schulen genauso wie in der Erwachsenenbildung", empfahl Rendi-Wagner, die seit Juni Direktorin des europäischen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle ist und erstmals in der neuen Funktion zum EHFG gereist ist.

"Wir müssen schneller werden, was die Infektionsüberwachung betrifft", hob sie eine weitere Lehre aus der Corona-Zeit hervor. "Zeit ist der entscheidende Faktor, um erfolgreich gegen eine Pandemie vorzugehen." In Sachen Transparenz haben die EU-Arzneimittelbehörde EMA und das ECDC eine Monitoring-Plattform für Covid- und Influenza-Impfungen geschaffen, die öffentlich einsehbar ist, berichtete Rendi-Wagner. Durch Transparenz entstehe Vertrauen, wie auch durch verständliche Kommunikation. "Wir müssen die Sprache der Menschen sprechen und nicht die der Wissenschaft." Zudem müssten Fake News frühzeitig erkannt und dagegen vorgegangen werden. Es brauche auch mehr Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik, bereits vor einer künftigen Pandemie, forderte Rendi-Wagner.

(S E R V I C E - 27. European Health Forum Gastein (EHFG) von 24. bis 27. September als hybride Veranstaltung unter dem Titel "Shifting sands of health. Democracy, demographics, digitalisation" - www.ehfg.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Gesundheitsminister Johannes Rauch betont, dass lange Wartezeiten auf Arzttermine Menschen anfällig für Populismus machen und fordert 14 Milliarden Euro Investitionen in die Gesundheitsreform in den nächsten fünf Jahren.
  • Pamela Rendi-Wagner, Direktorin der EU-Gesundheitsbehörde ECDC, unterstreicht die Bedeutung von Transparenz und Vertrauen bei künftigen Pandemien und fordert mehr Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik.
  • EHFG-Präsident Clemens Martin Auer betont den Zusammenhang zwischen funktionierenden Demokratien und Gesundheitssystemen und verweist auf eine Studie, die zeigt, dass in schlecht versorgten Gebieten Populismus unterstützt wird.