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Grenzwert für schädliches Bisphenol A erneut gesenkt

Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat den "sicheren Grenzwert" TDI für die Chemikalie Bisphenol A (BPA) nach einer Neubewertung um den Faktor 20.000 gesenkt. Der neue TDI-Wert beträgt nun 0,2 Nanogramm (0,2 Milliardstel pro Gramm) pro Kilogramm Körpergewicht und Tag und ersetzt den bisherigen Wert von vier Mikrogramm (vier Millionstel). BPA ist ein "endokriner Disruptor", wirkt sich schädlich auf den Hormonhaushalt aus und wird meist mit der Nahrung aufgenommen.

Die EFSA stellte fest, dass Bisphenol A in Lebensmitteln ein Gesundheitsrisiko darstellt. Die schlechte Nachricht: Laut einer EFSA-Bewertung aus dem Jahr 2015 stellen Lebensmittel die Hauptquelle der BPA-Aufnahme dar, und dabei nicht ausschließlich durch Lebensmittelkonserven.

Trotzdem wird BPA von der Industrie beispielsweise für Polycarbonat verwendet, einem transparenten und harten Kunststoff, der wiederum zur Herstellung von Wasserspendern, Lebensmittelverpackungen und Mehrweg-Getränkeflaschen dient. BPA dient auch zur Herstellung von Epoxidharzen, die als Schutzbeschichtungen und Innenauskleidungen für Konserven- sowie Getränkedosen und -fässer eingesetzt werden. Bis zu einem Verbot im Jahr 2020 war es auch in Kassenzettel aus Thermopapier enthalten. BPA findet sich auch in zahlreichen weiteren Alltagsgegenständen wie beispielsweise Hüllen von CDs.

Bereits Anfang 2015 senkte die in der norditalienischen Stadt Parma ansässige EFSA den Grenzwert von damals 50 Mikrogramm auf die bisher gültigen vier Mikrogramm. Der Wert wurde damals von den Sachverständigen aufgrund der Unsicherheiten bei den vorliegenden Nachweisen einen vorläufig festgelegt, gleichzeitig wurde die Notwendigkeit zusätzlicher Daten zu den toxikologischen Wirkungen von BPA hervorhoben.

Laut Claude Lambré, Vorsitzender des EFSA-Gremiums für Lebensmittelkontaktmaterialien, Enzyme und Verarbeitungshilfsstoffe, wurden für die Neubewertung unter anderem 800 neue Studien berücksichtigt, die seit Jänner 2013 veröffentlicht wurden. "In den Studien beobachteten wir einen Anstieg des Anteils einer Art weißer Blutkörperchen, der sogenannten T-Helferzellen, in der Milz. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei den zellulären Immunmechanismen des Menschen, und eine Erhöhung der Konzentration dieser Art von Blutkörperchen könnte zur Entwicklung allergischer Lungenentzündungen und Autoimmunerkrankungen führen."

Das Gremium berücksichtigte auch andere potenziell schädliche Auswirkungen auf die Reproduktions-, Entwicklungs- und Stoffwechselsysteme, die bei der Risikobewertung festgestellt wurden. In Babyfläschchen ist der Stoff seit Jänner 2011 EU-weit verboten. Als erstes EU-Land hat Frankreich seit 1. Jänner 2015 die Chemikalie sogar in allen Lebensmittelverpackungen untersagt.

Die Behörde kann den Grenzwert zwar feststellen, aber nicht bindend vorschreiben, dafür wäre der Gesetzgeber zuständig, wie zum Beispiel die EU-Kommission. Laut dieser herrsche Einvernehmen darüber, dass das kritischste Zeitfenster bei der Exposition gegenüber solchen Substanzen wichtige Entwicklungsphasen sind: "Eine Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren in diesen Phasen kann dauerhafte Folgen haben und im weiteren Lebensverlauf zu einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten führen", hieß es in einer Mitteilung der Kommission von 2018.

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 nannte die Neubewertung in einem Statement einen "wichtigen Schritt". Gegenüber der APA hieß es, es werde gehofft, dass er bald dazu führen wird, dass BPA-hältige Innenbeschichtungen von Dosen, Deckeln und weiteren BPA-Quellen aus Lebensmittelverpackungen sowie anderen Verwendungen verbannt werden. 2009 führte die NGO eine Untersuchung diverser Kunststoffartikel auf Schadstoffe durch und fand "überraschenderweise" in allen handelsüblichen Babyschnullern große Mengen BPA. Infolge kam es zu einem österreichweiten BPA-Verbot in Babyfläschchen und Schnullern.

Schon vor 14 Jahren wies die NGO zudem darauf hin, dass unabhängige wissenschaftliche Studien einen BPA-Grenzwert nahelegen würden, der um das 2.000-fache unter den damals noch als sicher geltenden 50 Mikrogramm pro kg Körpergewicht liegt. "Gemessen an dem nun von der EFSA festgelegten Grenzwert, liegen die BPA-Konzentrationen, die wir damals in Speichel-Simulaten gemessen hatten, für Babys und Kleinkinder um mehr als das 1.000-fache über dem nun von der EFSA als (noch) sicher betrachteten Grenzwert", unterstrich Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker von Global 2000.

Die Plastikindustrie selbst will trotz aller Risiken nicht auf BPA verzichten, der Branchenverband Plastics Europe klagte sogar gegen die Einstufung der EU-Chemikalienagentur ECHA "besonders besorgniserregende Substanz (Substance of Very High Concern=SVHC)" mit hormonell schädigenden Eigenschaften. Dies wurde jedoch 2019 in einer ersten wie auch 2021 in einer zweiten Instanz vom EU-Gericht (EuGH) in Luxemburg abgelehnt wurde.

ribbon Zusammenfassung
  • Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat den "sicheren Grenzwert" TDI für die Chemikalie Bisphenol A (BPA) nach einer Neubewertung um den Faktor 20.000 gesenkt.
  • Bereits Anfang 2015 senkte die in der norditalienischen Stadt Parma ansässige EFSA den Grenzwert von damals 50 Mikrogramm auf die bisher gültigen vier Mikrogramm.
  • Als erstes EU-Land hat Frankreich seit 1. Jänner 2015 die Chemikalie sogar in allen Lebensmittelverpackungen untersagt.