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Kiew greift russischen Gasturm an: Dutzende Tote

Die ukrainischen Marinestreitkräfte haben nach eigenen Angaben bei einem Angriff auf einem Gasförderturm im Schwarzen Meer etwa 40 russische Soldaten getötet. Kräfte der Marine und des Militärgeheimdienstes hätten die Stelle, an der der Gegner Personal und Ausrüstung versammelt hatte, angegriffen, berichteten ukrainische Medien.

Die Besatzer wollten den Turm demnach für Störsignale der Navigation über Satelliten nutzen, was die zivile Seefahrt in Gefahr gebracht hätte. 

"Wir können so etwas nicht zulassen", sagte Dmytro Pletentschuk der Internetzeitung "Ukrajinska Prawda". Zivilisten seien auf der Gasförderplattform, die außer Betrieb ist, nicht gewesen, hieß es.

Die Raketen- und Artillerieeinheiten der Küstenstreitkräfte hätten den Schlag ausgeführt. Auf einem veröffentlichten Video war eine schwere Explosion zu sehen. Die Echtheit der Aufnahmen war von unabhängiger Seite nicht überprüfbar.

Video: Evakuierungen in Kursk

Es sei nicht die erste Operation dieser Art gewesen, sagte Pletentschuk. Der Feind habe den Turm schon in der Vergangenheit genutzt, um etwa die Navigation von Getreidefrachtern zu stören.

Der Marineoffizier betonte, dass die Entscheidung für den Angriff für die Sicherheit der zivilen Schifffahrt getroffen worden sei.

Drei Tote in der Ukraine

Unterdessen wurden ukrainischen Angaben zufolge in der Ostukraine bei russischen Angriffen insgesamt drei Menschen getötet.

Bei einem Raketenangriff auf ein Gebäude der kritischen Infrastruktur in Kramatorsk starb Regionalgouverneur Wadym Filaschkin zufolge ein Zivilist. Bei einem Angriff in der Region Charkiw auf ein Privathaus kamen zwei Menschen ums Leben, wie die Polizei mitteilte.

Grenzgebiet evakuiert

Freiwillige helfen indes bei der Evakuierung von Dorfbewohnern in der Grenzregion Sumy. Nach Angaben des örtlichen Gouverneurs Wolodymyr Artiukh von Samstag früh werden 28 Dörfer in einer zehn Kilometer langen Zone entlang der Grenze zu Russland evakuiert.

Nach Angaben der ukrainischen Polizei müssen 20.000 Menschen ihre Heimat in der nördlichen Region verlassen.

Moskau kündigte indes "Anti-Terror-Einsätze" in drei Grenzregionen an. Diese seien in den Regionen Kursk, Belgorod und Brjansk geplant, um "die Bedrohung durch Terrorangriffe durch feindliche Sabotagegruppen zu unterbinden", teilte das russische Anti-Terror-Komitee mit.

Nach russischer Rechtslage erhalten Sicherheitskräfte und die Armee bei "Anti-Terror-Einsätzen" weitreichende Befugnisse.

Die Bewegungsfreiheit der Bürger wird in solchen Fällen eingeschränkt, Fahrzeuge können beschlagnahmt, Telefongespräche abgehört und bestimmte Gebiete für den Zugang gesperrt werden. Auch können Kontrollposten errichtet werden und die Sicherheit kann an strategisch wichtigen Einrichtungen erhöht werden.

Ukrainische Offensive

Die ukrainische Seite hält sich bisher mit Äußerungen zu dem am Dienstag gestarteten Vorstoß auf russisches Gebiet zurück. Nach Angaben von Analysten konnten die ukrainischen Einheiten aber um mehrere Kilometer auf russischem Gebiet vorrücken.

Die USA, der engste Verbündete Kiews, hatten erklärt, vorab nicht über den Einsatz unterrichtet worden zu sein.

Nach bisherigen Angaben der russischen Behörden wurden bei den Kämpfen in Kursk fünf Menschen getötet und 55 weitere verletzt. Tausende Menschen wurden aus der Region evakuiert. Russische Militärblogger berichteten, die ukrainische Armee habe bei ihrem Vorstoß russische Soldaten gefangen genommen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte in seiner täglichen Ansprache am Freitagabend seinen Soldaten für die "Tauschreserve". Damit bezog er sich auf mögliche künftige Vereinbarungen über den Austausch von Gefangenen mit Russland.

Video: Notstand in Grenzregion Kursk

AKW in Kursk

Laut ukrainischer Armee gab es an den übrigen Schauplätzen der Front auf ukrainischem Gebiet am Samstag so wenig "Kampfhandlungen" wie seit dem 10. Juni nicht mehr. Der bisher beispiellose Vorstoß der Ukraine war von Beobachtern als Versuch gewertet worden, russische Kräfte zu binden und somit an anderen Frontabschnitten Entlastung zu schaffen.

Das Kernkraftwerk Kursk arbeitet indes nach Angaben des staatlichen russischen Atomenergiekonzerns Rosatom normal. Man habe aber beschlossen, die Anzahl der Arbeiter beim Bau einer neuen Anlage in der Region wegen des Ausnahmezustandes zu reduzieren. Der russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge sprach Rosatom-Chef Alexej Lichatschew am Telefon mit dem Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, über die Lage in dem AKW in der Grenzregion zur Ukraine.

ribbon Zusammenfassung
  • Die ukrainischen Marinestreitkräfte haben bei einem Angriff auf einen russischen Gasturm im Schwarzen Meer etwa 40 Soldaten getötet.
  • In der Ostukraine wurden bei russischen Angriffen drei Menschen getötet, darunter ein Zivilist in Kramatorsk und zwei Personen in der Region Charkiw.
  • In der Grenzregion Sumy werden 28 Dörfer evakuiert, insgesamt müssen 20.000 Menschen ihre Heimat verlassen.
  • Moskau kündigte Anti-Terror-Einsätze in den Grenzregionen Kursk, Belgorod und Brjansk an, um angebliche Terrorangriffe zu verhindern.
  • Russische Behörden berichten von fünf Toten und 55 Verletzten bei Kämpfen in Kursk, Tausende wurden evakuiert.