APA/HELMUT FOHRINGER

Faktencheck: Übersterblichkeit durch Covid-19 in Österreich?

In den sozialen Medien wird immer wieder behauptet, dass sich in Österreich und anderen Ländern trotz der Pandemie keine Übersterblichkeit im Herbst und generell im ganzen Jahr abzeichne. Die APA hat diese Behauptungen einem Faktencheck unterzogen.

Wie sieht es mit der Übersterblichkeit in Österreich wirklich aus? Dieser Frage ging die APA in einem Faktencheck nach.

Im November ist in Österreich mehr als ein Fünftel der Toten an oder mit einer labordiagnostisch bestätigten Coronavirus-Infektion gestorben. Das zeigen auf einem Online-Portal der Ärztekammer Wien einsehbare, von der APA ausgewertete Daten der Statistik Austria und der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Demnach sind in den vier Wochen vom 2. bis 29. November 9.131 Personen gestorben, davon 2.065 mit einer Covid-19-Infektion. Das ist ein Anteil von 22,6 Prozent.

Zwischen 1. März und 30. April waren laut Statistik Austria 588 der 15.107 Toten an Covid-19 als zugrundeliegender Todesursache gestorben. Dies entspricht 3,9 Prozent. Dies alleine ist natürlich kein Hinweis auf eine erhöhte Übersterblichkeit und verzerrende Faktoren wie höhere Testzahlen müssen berücksichtigt werden. Allerdings zeigt sich gut, welchen Raum das Virus mittlerweile bei Todesfällen einnimmt.

Bereits im April teilweise zu einer Übersterblichkeit von 16 Prozent

Bereits im April kam es nach den Daten der Statistik Austria teilweise zu einer Übersterblichkeit von 16 Prozent in der ersten April-Hälfte. Im gesamten Zeitraum der Monate März und April stabilisierte sich dieser Wert allerdings und lag insgesamt für diesen Zeitraum nur ein Prozent höher als im Vorjahr. Im März/April 2020 lag die altersstandardisierte Sterberate bei 167,1 Toten pro 100.000 Personen, 2019 waren es 162,4 Tote. 2015 und 2018 kam es in diesen beiden Monaten aber sogar zu 177,0 bzw. 170,2 Toten pro 100.000 Personen.

November: "Sehr hohe Übersterblichkeit"

Seit November ist die Situation in Österreich drastischer. Angesichts der aktuell hohen Sterbefallzahlen weist das Europäische Mortalitätsmonitoring Euromomo für Österreich beginnend mit 9. November eine "sehr hohe Übersterblichkeit" aus. Es sterben also deutlich mehr Menschen, als in dieser Jahreszeit üblich.

Allein in der letzten Novemberwoche (vom 23. bis 29. November) zählte die Statistik Austria 2.445 Verstorbene. Das ist um über die Hälfte mehr als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Ein Viertel der Verstorbenen - 629 Personen - starb laut AGES mit einer bekannten Covid-19-Infektion. Somit sind vom 23. bis 29. November neuerlich so viele Personen in einer einzigen Kalenderwoche verstorben wie seit 1978 nicht mehr.

In der 43. Kalenderwoche gab es um 17 Prozent mehr Tote als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre, in der 44. Kalenderwoche waren es 25 Prozent, in der 45. Woche 33 Prozent, in der 46. Woche 47 Prozent und in der 47. Woche 58 Prozent mehr. In diesen fünf Wochen von 19. Oktober bis 22. November starben insgesamt 10.380 Menschen in Österreich, das sind 36 Prozent mehr als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre.

Nähere Betrachtung der 46. Kalenderwoche

Einen guten Einblick zeigt eine nähere Betrachtung der 46. Kalenderwoche. Laut Datenblatt der Statistik Austria (6) starben in der 46. Kalenderwoche im Jahr 2016 1.616 Menschen, 2017 1.505 Menschen, 2018 1.556 Menschen und 2019 1.559 Menschen in Österreich. Heuer gab es laut diesen Daten in der 46. Kalenderwoche 2.277 Verstorbene zu vermelden.

In der 46. Kalenderwoche lag der Wert der altersstandardisierten Sterberate laut "Atlas der Sterbefälle" der Statistik Austria (7) heuer bei 0,253, während er 2019 bei 0,174 und 2018 bei 0,177 Menschen lag. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch bei der 45. Kalenderwoche (2020: 0,221; 2019: 0,174; 2018: 0,171) und der 44. Woche (2020: 0,210; 2019: 0,172; 2018: 0,178).

Insgesamt starben laut Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas in den ersten 47 Wochen des Jahres 77.662 Personen. "Das sind 6,5% mehr als im Durchschnitt des Vergleichszeitraums".

Europäischer Vergleich

Im europäischen Vergleich weisen laut den Daten von Euromomo weiters die Schweiz, Slowenien, Italien, Frankreich und Belgien eine Übersterblichkeit im Herbst aus.

Ein Vergleich der Frühjahrs-Zahlen mit anderen Ländern zeigt, dass etwa in Belgien die Übersterblichkeit in der Kalenderwoche 15 des Jahres 2020 am höchsten war, Dänemark und Deutschland verzeichneten über das Jahr verteilt keine Übersterblichkeit, während sie in Italien sowohl in der Woche 14 als auch wieder in der Woche 46 Höhepunkte erreichte. Selbst in Schweden wurde im Frühjahr - eine im Vergleich zu anderen Ländern allerdings geringere - Übersterblichkeit verzeichnet. Die höchsten Übersterblichkeitswerte verzeichneten im Frühjahr Spanien und England. In Deutschland wurde im gesamten Jahr laut CoDAG-Bericht der Ludwig-Maximilians-Universität München keine Übersterblichkeit verzeichnet.

ribbon Zusammenfassung
  • In den sozialen Medien wird immer wieder behauptet, dass sich in Österreich und anderen Ländern trotz der Pandemie keine Übersterblichkeit im Herbst und generell im ganzen Jahr abzeichne. Die APA hat diese Behauptungen einem Faktencheck unterzogen.