Exklusiv-Interview

Rückkehr vom IS: "Von meiner Tochter geht keine Gefahr aus"

11. März 2025 · Lesedauer 4 min

"Er hat noch nie Bäume gesehen", sagt Großmutter Cecilia T. über ihren siebenjährigen Enkel, der in einem Lager in Syrien aufwuchs. Seine Mutter, die Wienerin Evelyn T. landete dort, nachdem sie sich dem IS angeschlossen hatte. Nun sind die beiden wieder in Österreich. Im PULS 24 Interview schildert die Oma, wie es für die Familie jetzt weitergehen soll.

Zwei Frauen, die in ihrer Jugend zum sogenannten Islamischen Staat nach Syrien ausreisten, sind seit ein paar Tagen wieder in Österreich. Während Maria G. mit ihren beiden Kindern nach Hause zu ihren Eltern in Hallein durfte, sitzt Evelyn T. in Wien in Untersuchungshaft.

Ihr Sohn wurde vom Wiener Jugendamt untergebracht. Der nun siebenjährige Bub wuchs im syrischen Lager al-Roj auf, das von kurdischen Behörden verwaltet wird.

"Er hat noch nie Bäume gesehen"

"Er hat noch nie Bäume gesehen", sagt Cecilia T., die Mutter von Evelyn. Sie hätte ihm gerne Bäume, Spielplätze, seine neue Heimat Wien, Museen, das Haus des Meeres und auch das Disneyland gezeigt. Doch das sei ihr bisher "verwehrt" worden, sagt sie.Die Großmutter bemüht sich nun darum, die Obsorge für ihren Enkel zu bekommen.

Im PULS 24 Interview schildert die Großmutter, wie es der Familie seit der Rückholung geht und wie sie sich die Zukunft vorstellt.

Zur Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA11) habe sie Kontakt, ein erstes Treffen mit dem Enkel sei vereinbart, sagt sie. Doch sie hätte sich schon gerne vor der Rückholung darum gekümmert, sofort die Obsorge zu bekommen. Schließlich habe sie Tochter und Enkel mehrmals in Syrien besucht. Sonst kenne das Kind hier in Österreich niemanden.

"Ich sollte glücklich sein, bin es irgendwo da drinnen auch", sagt sie im Interview. Doch die Gefühle über die Rückholung ihrer Tochter werden "überschattet durch Trauer". Denn sie konnte ihren Enkel bislang nicht zu sich nach Hause holen. Ihre Tochter durfte sie noch nicht in der Justizanstalt besuchen.

"Ich wäre gerne vorbereitet gewesen". Gerne hätte sie ihrem Enkel gezeigt, "dass das Camp nicht das Richtige ist".

"Hallo Oma, wie geht's you?"

Der Enkel spricht Arabisch, ein bisschen Englisch. Deutsch kann er kaum. Cecilia T. spielt Sprachnachrichten vor, die der Enkel aus dem Lager in Syrien geschickt hatte: "Hallo Oma, wie geht's you? You good? I am good. I love you", ist zu hören.

Ihre Tochter hätte ihm viel beigebracht, ihm viel über Österreich gezeigt, ist die Oma sicher. Doch sie ist sich auch sicher, dass ihr Enkel "sicher mit einem riesigen, riesigen Brocken" an Problemen zu kämpfen habe.

Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe teilte PULS 24 mit, dass man, wenn eine Mutter in Haft komme, nach einem Standardprozedere vorgehe. Man erstelle jetzt eine Gefährdungseinschätzung, um festzustellen, ob der Bub bei Verwandten unterkommen könnte. In der Regel klappe das auch.

Der Bub sei "sehr traurig, weil die Mama nicht bei ihm ist", sagte eine Behördensprecherin zu PULS 24. Hinweise auf eine Radikalisierung gebe es nicht.

IS-Anhängerinnen zurück in Österreich

"Die kennen meine Tochter nicht"

Die Rückholung der beiden Frauen kam durch einen langen Rechtsstreit ins Rollen. Die Familie der Halleinerin Maria G. hatte den Fall vor das Bundesverwaltungsgericht gebracht.

Beide Frauen waren im Alter von 17 Jahren – Ende 2016 war das im Fall von Evelyn T. – ausgereist. Sie hatten IS-Kämpfer geheiratet, Kinder bekommen und sind nach der Zerschlagung der Islamisten in dem Lager der kurdischen Milizen gelandet.

Dass die Rückholung der ehemaligen IS-Anhängerinnen in den sozialen Medien, aber auch bei der FPÖ für Kritik sorgt, kann Cecialia T. verstehen. "Aber die kennen meine Tochter nicht", sagt sie. "Von meiner Tochter geht keine Gefahr aus", versichert sie und merkt an: "Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Gerichtsverfahren". Einem Gerichtsverfahren müssen sich die beiden Frauen wohl auch stellen.

Nach einer etwaigen Haftstrafe werde sich Evelyn T. laut Angaben ihrer Mutter wohl um ihr Kind kümmern. Beruflich werde sie, die nur einen Pflichtschulabschluss hat, wohl "etwas mit Menschen" machen. Ihre Tochter spreche mehrere Sprachen, das könnte ihr helfen.

Sicherheitsbehörden sprachen sich auch angesichts der instabilen Lage in Syrien für eine geordnete Rückholung der Frauen aus, um eine selbstständige Einreise der beiden Frauen zu verhindern.

Die Grazerin Soumaya T. ist selbstständig aus dem Camp geflohen. Wo sie sich genau aufhält, ist nicht bekannt. Zwei weitere Wienerinnen, die ebenfalls nach Syrien ausgereist waren, sollen dort bei Anschlägen getötet worden sein. In dem Lager in Syrien sollen sich nun keine Österreicherinnen mehr befinden.

Zusammenfassung
  • "Er hat noch nie Bäume gesehen", sagt Großmutter Cecilia T. über ihren siebenjährigen Enkel, der in einem Lager in Syrien aufwuchs.
  • Seine Mutter, die Wienerin Evelyn T. landete dort, nachdem sie sich dem IS angeschlossen hatte.
  • Nun sind die beiden wieder in Österreich.
  • Im PULS 24 Interview schildert die Oma, wie es für die Familie jetzt weitergehen soll.