Burgenländischer Ortschef wegen Amtsmissbrauchs verurteilt
Nach dem Urnengang war aufgefallen, dass bei zahlreichen Stimmzetteln die Kreuze in sehr ähnlicher Weise gemacht worden waren. Die Wahl wurde wiederholt und der seit 2002 amtierende Kölly als Bürgermeister wiedergewählt. Die sich ähnelnden Kreuze zogen ein Ermittlungsverfahren und schließlich eine Anklage nach sich.
Über 70 Stimmzettel hätten eine idente Linienführung aufgewiesen. Der Gutachter habe diese mit anderen Akten aus der Gemeinde verglichen, wo auch solche Kreuze angebracht gewesen seien, erläuterte Staatsanwalt Roland Koch in seinem Eröffnungsplädoyer. Demnach würden die Kreuzerl auf den Stimmzetteln mit bis zu 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten stammen. Da jedoch nicht alle dieser Stimmzettel rückverfolgbar seien, habe man nur in 23 Fällen Anklage erhoben. Auf den Stimmzetteln seien jeweils bei Kölly zwei und bei seinem Sohn eine Vorzugsstimme angekreuzt gewesen.
"Der Angeklagte hat gewusst, dass diese Stimmen keine gültig abgegebenen Stimmen waren", stellte Koch fest. Dem Ortschef wurde weiters versuchte Anstiftung zur falschen Beweisaussage vorgeworfen. Er soll etwa einer Wählerin gesagt haben, sie solle im Fall einer Befragung erzählen, dass sie die Wahlkarte von sich aus beantragt habe.
Manfred Kölly bekannte sich vor Gericht nicht schuldig. Er habe im Wahlkampf Hausbesuche gemacht und dabei Wahlberechtigten eine Wahlkarte mitgebracht, damit diese sie gleich ausfüllen könnten. Ihm sei eine hohe Wahlbeteiligung sehr wichtig gewesen, betonte der Ortschef. Er habe auf einigen Stimmzetteln die Kreuzerl gemacht, räumte er ein - jedoch nur "auf persönlichen Wunsch" der Betroffenen, wenn diese es ausdrücklich von ihm verlangt hätten.
Beim Amtsmissbrauch bedürfe es der Wissentlichkeit, die aber nicht vorliege, argumentierte Verteidigerin Eva Maria Kölly. Der Bürgermeister habe nur eine Hilfestellung leisten wollen: "Keinesfalls wollte er Wähler oder die Gemeinde schädigen." Auch das Delikt der versuchten Anstiftung zur Falschaussage habe der Angeklagte nicht begangen.
Die Aussagen der Zeugen im Beweisverfahren waren teils widersprüchlich zu den im Zuge der Ermittlungen bei der Polizei gemachten Angaben. Manche der Befragten konnten sich an die genauen Umstände, unter denen sie der Bürgermeister besucht hatte, nicht mehr erinnern. Andere sagten aus, sie hätten gar keine Wahlkarte bekommen. Auch der Versuch, herauszufinden, wer von den teils hochbetagten und in manchen Fällen mittlerweile an Demenz leidenden Bürgerinnen und Bürgern 2017 zurechnungsfähig gewesen sei, gestaltete sich als schwierig. Manche sind zudem bereits verstorben.
Der Staatsanwalt zog deshalb betreffend drei Personen die Anklage zurück. Bei acht Wahlkarten gebe der Angeklagte jedoch selber zu, dass er angekreuzt habe: "Bei weiteren acht stellt sich die Frage: Wer, wenn nicht er?" so Koch, der in diesen Punkten eine im Sinne der Anklage tat- und schuldangemessene Bestrafung forderte. "Die Vorschriften, um die es da geht, sind Basiswissen", betonte er. "Natürlich geht er nicht in den Häfen nach drei Jahren", meinte Koch im Hinblick auf die dreijährige Verfahrensdauer, die einen mildernden Umstand darstelle. Die Strafe möge jedoch so ausgemessen werden, dass der bedingt nachgesehene Teil zwölf Monate übersteige.
Die Wahl selbst auszuüben, sei ein wichtiges, demokratisches Recht, stellte die Verteidigerin fest. Wenn allerdings jemand sage: "Mach für mich das Kreuzerl", ob dann der Stimmzettel ungültig sei? - "Er hat das natürlich nicht gewusst." Es stelle sich auch die Frage, wo da beim Bürgermeister die Schädigungsabsicht sei. "Das waren ja Wähler von ihm - wen hätte er damit schädigen wollen - außer sich selbst?", fragte Eva Maria Kölly. Die Bürger von Deutschkreutz hätten Manfred Kölly schließlich bei der notwendig gewordenen Wahlwiederholung wiedergewählt: "Ist es nicht wichtiger, dass er seinen Job gut macht?", plädierte sie auf Freispruch.
"Ich möchte mich entschuldigen bei allen Beteiligten, dass das alles so gekommen ist. Ich glaube trotzdem, dass ich richtig gehandelt habe", sagte der Ortschef, bevor sich das Gericht zur Befragung zurückzog. Der Schöffensenat sprach ihn in beiden Hauptanklagepunkten schuldig. Der Schuldspruch umfasste 16 Fakten bezüglich der Wahlkarten-Stimmzettel, in drei Fakten erfolgte ein Freispruch.
Das Urteil begründete die Vorsitzende Karin Lückl damit, dass man dem Ortschef bei seiner Argumentation, nicht gewusst zu haben, dass ein von einem Dritten ausgefüllter Stimmzettel nicht gültig sein könne, nicht folgen könne. Kölly habe gewusst, dass die Stimmen ungültig seien und dass er sie in das Wahlergebnis nicht einbeziehen könne. "Das freie, geheime und persönliche Wahlrecht ist kein disponibles Recht", betonte die Vorsitzende, die dem Angeklagten auch das Motiv, eine hohe Wahlbeteiligung anzustreben, nicht abnahm.
Die Strafe bedeute für den Bürgermeister ex lege den Amtsverlust. Es habe sich bei den Taten um einen "Angriff auf die rechtsstaatlichen Werte" gehandelt, "dass wir zu dem Schluss gekommen sind, dass jemand, der so etwas macht, nicht länger Bürgermeister sein soll", sagte Lückl. Kölly legte umgehend Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein. Der Staatsanwalt gab zum Urteil keine Erklärung ab.
Zusammenfassung
- Wegen Amtsmissbrauchs musste sich der Bürgermeister der burgenländischen Gemeinde Deutschkreutz, Manfred Kölly in Eisenstadt vor Gericht verantworten.
- Kölly wurde vorgeworfen, vor der Kommunalwahl 2017 mehrere Wahlkarten-Stimmzettel selbst ausgefüllt zu haben.
- Nach zweitägiger Verhandlung sprach ein Schöffensenat den Ortschef am Mittwoch schuldig und verurteilte ihn nicht rechtskräftig zu 17 Monaten bedingter Haft und 27.000 Euro Geldstrafe.