Bis zu 9.000 Tote nach Flutkatastrophe in Libyen
Die genaue Zahl der Toten sei weiter schwer zu bestimmen, sagte der Sprecher am Mittwoch. Hunderte unidentifizierte Leichen seien in Massengräbern beerdigt worden, nachdem am Dienstag schon mehr als 2.000 identifizierte Opfer begraben worden waren.
Allein in der besonders betroffenen Hafenstadt Darna seien bisher 3.840 Todesopfer registriert worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums in dem Gebiet, Tarek al-Charras, am Mittwochabend. Unter ihnen seien auch mindestens 400 Ausländer, vor allem Sudanesen und Ägypter.
Bis zu 9.000 Tote
Etwa 90 Tote aus Ägypten seien in ihre Heimat geflogen worden. Der Sprecher sagte weiter, es könnten bis zu 9.000 Tote zu beklagen sein. Rund 25 Kilometer entfernt von der Küstenstadt Darna trieben immer noch Leichen im Meer. Die Hafenstadt ist besonders schwer betroffen, nachdem zwei Staudämme in der Nacht von Sonntag auf Montag gebrochen waren und ganze Viertel der Stadt ins Mittelmeer gespült hatten. Der Sturm "Daniel", der zuvor auch in Griechenland gewütet hatte, erfasste das nordafrikanische Land am Sonntag.
Zehntausende haben zudem ihr Zuhause verloren. Alleine in Darna seien mehr als 30.000 Menschen obdachlos, so die Internationalen Organisation für Migration (IOM). Mehrere Tausend weitere seien in anderen Teilen des Landes betroffen.
"Dringend humanitäre Hilfe" gebraucht
Bilder aus dem Bürgerkriegsland mit rund sieben Millionen Einwohnern zeigen das Ausmaß der Schäden. Immer mehr Länder bieten ihre Unterstützung an, darunter auch die Vereinten Nationen. Ein Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres in New York sagte, man arbeite mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern zusammen, "um den Menschen in den betroffenen Gebieten dringend benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen".
Ein UN-Team sei an Ort und Stelle. Man kooperiere mit den Behörden, um Bedarf zu ermitteln und laufende Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. Neben Darna waren auch andere Städte wie Al-Baida, Al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. Papst Franziskus hat zum Abschluss der Generalaudienz auf dem Petersplatz der Menschen in Libyen und Marokko gedacht.
Der Bürgermeister in Schahat sprach von rund 20.000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete. Die betroffenen Regionen wurden zu Katastrophengebieten erklärt.
Die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) teilte mit, es werde gemeinsam mit anderen Organisationen geprüft, "wie wir unsere Programmarbeit am besten für die von den Überschwemmungen betroffenen Menschen aufstocken können".
150.000 Euro Soforthilfe vom Roten Kreuz
Das Österreichische Rote Kreuz machte nun 150.000 Euro als Soforthilfe für die Krisenregionen in Nordafrika frei. "Das ist eine erste Maßnahme, mit der wir einen Beitrag dazu leisten, dass die von der Katastrophe betroffenen Menschen mit dringend benötigten Hilfsmitteln wie etwa Decken oder warmen Mahlzeiten versorgt werden können", erklärte Rotkreuz-Generalsekretär Michael Opriesnig am Mittwoch.
Die schweren Unwetter in der Mittelmeerregion lassen sich nach Expertenmeinung wahrscheinlich dem Klimawandel zuordnen. In der letzten Woche seien Niederschläge gemessen worden, die es so in Europa noch nie gegeben habe, sagte der Kieler Meteorologe Mojib Latif. "Ich glaube, wir waren viel, viel zu sorglos, was den Klimawandel angeht."
Katastrophe sei mit politischer Situation verknüpft
Laut Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ist die Katastrophe in dem Land auch mit der politischen Situation verknüpft: "Der Grund für das Ausmaß der Katastrophe ist der Bruch dieser zwei Dämme oberhalb von Darna." Jahrelang sei dort nicht ausreichend in die Infrastruktur investiert worden. "Gaddafi hat damals die Stadt dafür bestraft, dass in ihr Aufständische die Waffen ergriffen hatten", sagte Lacher. Zwar sei in den letzten Jahren immer etwas Geld geflossen, "aber das ging unter anderem in die Taschen von Milizenführern und Kriegsprofiteuren".
Derzeit kämpfen zwei verfeindete Regierungen - eine mit Sitz im Osten, die andere mit Sitz im Westen - um die Macht. Alle diplomatischen Bemühungen, den bis heute andauernden Bürgerkrieg friedlich beizulegen, scheiterten bisher. Zahlreiche Konfliktparteien ringen um Einfluss, nachdem Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 gewaltsam gestürzt worden war.
Libyen hat seine Öl-Exporte wieder aufgenommen. Die staatliche Ölgesellschaft (NOC) berichtete am Mittwoch ein Produktionsvolumen von rund 1,2 Millionen Barrel pro Tag. Die Exporte waren in dem ölreichen Land am Sonntag unterbrochen worden.
Zusammenfassung
- Nach dem verheerenden Unwetter in Libyen sind in den Katastrophengebieten nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums einer der beiden Regierungen in dem Bürgerkriegsland mehr als 3.000 Menschen beerdigt worden.
- Die genaue Zahl der Toten sei weiter schwer zu bestimmen, sagte der Sprecher am Mittwoch.
- Der Sprecher sagte weiter, es könnten bis zu 9.000 Tote zu beklagen sein.