Beatmungsschlauch entfernt: Mordprozess wird wiederholt
Der Mordprozess gegen eine 53-jährige Frau, die im April 2018 das Leben ihres im Sterben liegenden Lebensgefährten im Wiener AKH vorzeitig beendet hatte, indem sie den Beatmungsschlauch, eine Magensonde sowie den zentralen Dialysekatheter entfernte, muss wiederholt werden. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat das Urteil des Wiener Landesgerichts für Strafsachen vom vergangenen Oktober aufgehoben.
Die Frau, die sich vor einem Schwurgericht mit Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB) verantwortet hatte, war anklagekonform wegen Mordes schuldig erkannt und unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts zu drei Jahren Haft, davon zwölf Monate unbedingt verurteilt worden. An sich sieht das Gesetz für Mord eine Mindeststrafe von zehn Jahren vor. Gegen den Schuldspruch legten die Verteidiger Gunther und Daniel Gahleithner Nichtigkeitsbeschwerde ein.
Ihrem Rechtsmittel gab vor kurzem ein fünfköpfiger OGH-Senat (Vorsitz: Rudolf Lässig) in nicht öffentlicher Sitzung statt. Das Höchstgericht bemängelte, die Geschworenen hätten sich nicht mit der Frage nach Totschlag (§ 76 StGB) befasst. Obwohl sich die Angeklagte während der Verhandlung nicht explizit in diese Richtung geäußert hatte - Totschlag erfordert das Vorliegen einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung -, war für den OGH der den Geschworenen vorgelegte Fragenkatalog unvollständig. Auf Basis von in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen wäre eine zusätzliche Eventualfrage nach Totschlag indiziert gewesen, befand das Höchstgericht (Geschäftszahl 13 Os l2l/l9x-5).
Die 53-Jährige hatte vor dem Erstgericht erklärt, sie habe "den Anblick von Willy nicht mehr ertragen" und nicht wahrhaben wollen, ihn "so leidend" sterben zu sehen. Der Staatsanwalt warf ihr dagegen in seinem Schlussvortrag vor, sie habe "im Rausch, im Alkoholsuff Unfug getrieben" (die Frau hatte sich kurz vor dem letzten Besuch am Spitalsbett eine Wodkaflasche besorgt und daraus getrunken, Anm.) und "einen absurden Mord" begangen. Ein derartiges Verhalten sei nicht zu tolerieren: "Dann können's auf jeder Intensivstation in Österreich einen Wega-Beamten hinstellen. Und zu einer Erbtante zwei."
Der Verteidigung meinte demgegenüber, für die Angeklagte sei es "eine Frage der Ehre, der Liebe" gewesen, "das zu tun." Der 70-Jährige - von einem schweren Herzleiden, einer Herzoperation, COPD und zwei Nierentransplantationen gezeichnet - habe seiner Partnerin im Vorfeld das Versprechen abgenommen, ihn von seinem Leiden zu erlösen, sollte es mit ihm zu Ende gehen. Als er im AKH von der Dialyse auf die Intensivstation verlegt wurde und die Frau angerufen wurde, um sich von dem Todgeweihten verabschieden zu können, habe sie ihr Versprechen erfüllt.
Einem intensivmedizinischen Gutachten zufolge war der Patient zum Zeitpunkt, als die Schläuche gezogen wurden, längst nicht mehr bei Bewusstsein. Demnach war der Sterbeprozess bereits im Gange, der Mann wäre laut Sachverständigem auch ohne Zutun der 53-Jährigen gestorben. Der Patient war im AKH nur mehr mit Schlaf- und Schmerzmitteln versorgt worden, um Angehörigen die Möglichkeit zu geben, sich von ihm verabschieden zu können.
Termin für den zweiten Rechtsgang, der mit neuen Berufs- und Laienrichtern durchgeführt werden muss, gibt es noch keinen. Die Verhandlung am Landesgericht dürfte frühestens im Hochsommer stattfinden.
Zusammenfassung
- Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat das Urteil des Wiener Landesgerichts für Strafsachen vom vergangenen Oktober aufgehoben.