Archäologen erkunden Ur-Almwirtschaft am Dachsteinplateau
Langjährige Forschungen des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) belegen, dass in Hallstatt seit 1200 vor Christus nahezu im industriellen Ausmaß Salz abgebaut wird. Das erforderte entsprechende Ressourcen. Doch die bronzezeitliche Salzmetropole zwischen Dachstein und Hallstätter See verfügte nur über kleine landwirtschaftlich nutzbare Flächen, um die Bergleute mit Nahrung zu versorgen. Möglicherweise wurde deshalb auch das Dachstein-Plateau für die Almwirtschaft genutzt.
Dass es auf dem Hochplateau eine starke menschliche Präsenz gegeben hat, weiß man schon länger. So sind durch die jahrzehntelange Forschung des Vereins für alpine Forschung ANISA rund 40 Strukturen prähistorischer Almhütten bekannt. Sie finden sich in Karstgruben, wo sich kalte Luft sammelt und daher keine Bäume wachsen. Damit eigneten sie sich als natürliche Weideflächen.
"Als fragiler Naturraum ist das Dachstein-Plateau eine spannende Landschaft, wo sich Klimaschwankungen viel stärker auswirken", erklärte Kerstin Kowarik vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegenüber der APA. Sie erforscht die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt von der Urgeschichte bis in die Gegenwart. "Um zu verstehen, wie sich fragile Systeme verändern, so wie das auch derzeit der Fall ist, muss man deren Geschichte kennen - und dazu kann die Archäologie einen wichtigen Beitrag leisten."
Aus diesem Grund wollen die Wissenschafter der ÖAW mit Kolleginnen und Kollegen der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) anhand des Hochplateaus zeigen, "wie der Mensch die Umwelt beeinflusst hat und welche Mensch-Umwelt-Beziehungen sich verändert haben", so die Archäologin. Bereits im vergangenen Jahr haben sie die Chance genutzt, dass ihnen eine neuartige Bohrplattform zur Verfügung stand. Die Bohrung rund 50 Meter in den Untergrund des Hallstätter Sees ermöglicht ihnen einen Blick in 12.000 Jahre Klima-, Umwelt- und Kulturgeschichte der Region, die im Seesediment gespeichert ist.
Nach dieser Bohrung im See wurde mit einem Hubschrauber auch eine Bohrplattform auf das Dachstein-Plateau geflogen, um das Sediment des Grafenbergsees in rund 1600 Metern Seehöhe zu untersuchen. Die dort geborgenen Bohrkerne werden seither umfassend analysiert: Die Schichten werden mittels Radiokarbon-Methode datiert, weiters sollen Pollenanalysen Auskunft über die Pflanzenwelt der Region geben, die sich immer wieder durch Eingriffe des Menschen in die Natur, etwa durch Viehhaltung, verändert hat. Geochemische Analysen sollen zudem Einblicke in ökonomische Aktivitäten wie Erzverhüttung in der Gegend geben, DNA-Analysen Hinweise auf die Zusammensetzung der Tierwelt und zur Präsenz domestizierter Tiere geben.
In den vergangenen Tagen haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit Unterstützung der lokalen Agrargemeinschaften elf Verdachtsflächen oberhalb des Grafenbergsees geophysikalisch erkundet und dabei ein Magnetometer teilweise auf einem Wagen gezogen, teilweise getragen. "Das waren Flächen, wo es schon Funde gab oder die topographisch gut zu bisherigen bronze- und römerzeitlichen Fundstellen passen", so Kowarik. Mit dieser Methode können sie in den Boden "blicken" und so etwa Feuerstellen oder Steinfundamente von Gebäuden orten.
"Bisher wurde noch kaum im hochalpinen Bereich mit geophysikalischen Methoden gearbeitet und wir waren unsicher, was wir da sehen werden. Aber wir hatten eine hohe Trefferquote und auf mehr als der Hälfte der Flächen geophysikalische Anomalien gefunden", sagte die Archäologin. Worum es sich dabei handelt und wie alt diese Befunde sind, werden erst die detaillierteren Auswertungen zeigen.
Zudem wurden mit einem sogenannten Bohrstock Bodenproben genommen, um in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut und der Universität Wien die Herausbildung von Almböden zu untersuchen und nachzuvollziehen, welchen Einfluss 4000 Jahre Weidewirtschaft und saisonale Siedlungstätigkeit auf die Bodenbildungsprozesse nahmen.
Diese Bodenuntersuchungen erfolgen auch im Rahmen des deutschen "Groundcheck"-Forschungsprogramms, in dem mit archäologischen und altertumswissenschaftlichen Methoden frühere Klimaveränderungen und menschliche Reaktionen darauf erforscht werden. "Mit Hilfe von Bohrkernen und geophysikalischen Methoden wollen wir mehr über die Resilienz und Vulnerabilität menschlicher Gesellschaften im klimasensitiven Alpinraum lernen", sagte Kerstin P. Hofmann vom DAI zur APA.
Besonders interessiert die Forscher, wie sich klimatische Bedingungen und Änderungen auf die Bewirtschaftung durch den Menschen auswirken. So finden sich etwa zur Eisenzeit rund 1000 v. Chr., als in der Region kühles Klima herrschte, keine Nachweise menschlicher Aktivität auf der Hochebene. All dies könnte auch Auswirkungen auf Hallstatt mit seinem prähistorischen Salzbergwerk und den Kultur- und Wirtschaftsraum der Region gehabt haben.
(SERVICE: Internet - Bohrung am Grafenbergsee: http://go.apa.at/KZUvGHoV; Bohrung am Hallstätter See: http://go.apa.at/iNN1ba2E; Groundcheck-Blog zu Hallstatt: https://www.dainst.blog/groundcheck/saltscape-hallstatt/; NHM-Hallstattprojekt: https://go.apa.at/KPkVaHSH; Groundcheck-Programm: https://go.apa.at/ubitQ1j5)
Zusammenfassung
- Österreichische und deutsche Forscherinnen und Forscher erkunden nun diese bronzezeitliche Weidewirtschaft.
- In den vergangenen Tagen führten sie geophysikalische Messungen auf den Karstweiden durch.
- Diese Bodenuntersuchungen erfolgen auch im Rahmen des deutschen "Groundcheck"-Forschungsprogramms, in dem mit archäologischen und altertumswissenschaftlichen Methoden frühere Klimaveränderungen und menschliche Reaktionen darauf erforscht werden.