"Anlaufschwierigkeiten" in Betrugsprozess um Corona-Hilfen
Die Verhandlung konnte aber nicht wie geplant über die Bühne gehen. Zunächst fiel der 56-Jährige der vorsitzenden Richterin unentwegt ins Wort und ließ sich nicht beruhigen ("Wir leben in einem freien Staat! Ich darf sprechen!"), worauf er des Saales verwiesen wurde. Seine Ex-Frau zog es vor, gar nicht zur Verhandlung zu erscheinen. Die Richterin erreichte sie telefonisch und bekam von der Frau beschieden, sie könne unter anderem deshalb nicht kommen, weil sie "nichts zu essen" habe. Außerdem habe ihr die Justiz "Geld gestohlen". Die Richterin beendete schließlich das Telefonat mangels einer "vernünftigen Gesprächsbasis", wie sie in einem Aktenvermerk festhielt.
Im Anschluss wollte die Richterin die Angeklagte von der Polizei vorführen und somit mit Befehls- und Zwangsgewalt zur Verhandlung bringen lassen. Das scheiterte, weil Beamte der Polizeiinspektion Hohe Warte die 55-Jährige nicht an ihrer Adresse antrafen. Die Verhandlung wurde somit notgedrungen auf vorerst unbestimmte Zeit vertagt.
Fest steht, dass das in Scheidung an derselben Adresse lebende Paar elf Vereine gegründet hatte, wovon ein Großteil einen Bezug zum Fußball hatte bzw. hat. Dem Wiener Fußballverband sind die meisten davon allerdings nicht bekannt. Auch in diversen Hobby-Ligen sucht man sie vergebens. Ein anderer, als "Talent- und Modelwettbewerb für unverheiratete Frauen" ausgewiesener Verein hat zumindest seit 2018 keine Tätigkeiten mehr entfaltet. Nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörden dürften sämtliche Vereine, die allesamt ihren Sitz an der Anschrift der beiden Hauptangeklagten hatten, in betrügerischer Absicht gegründet worden sein und lediglich am Papier existieren. "Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Vereine eine Vereinstätigkeit ausgeübt haben", heißt es in der Anklageschrift.
Die maßgeblichen Funktionen sämtlicher Vereine - Obmann bzw. Obfrau, Präsidentin, Schriftführer und Kassier - bekleideten neben den Haupt- zwei Mitangeklagte, ein 37-jähriger Mann und seine 36 Jahre alte Frau. Nicht weniger als 56 Förderanträge wurden vom Frühjahr 2020 bis zum Spätsommer 2022 für die elf Vereine beim NPO-Fonds eingereicht, den die Bundesregierung in der Coronakrise installiert hatte. Der Fonds sollte Non-Profit-Organisationen aus den Bereichen Sport, Kultur und Tierschutz durch die Pandemie tragen und am Leben erhalten, indem ihnen die betriebsnotwendigen Kosten finanziert wurden.
Im gegenständlichen Fall landeten zumindest laut Anklage die ausbezahlten knapp 320.000 Euro weitgehend auf den Privatkonten der Angeklagten, die damit ihre jeweils "triste finanzielle Lage" beseitigten, wie in der Anklageschrift betont wird: "Die ausbezahlten Förderungen (...) wurden von den Angeklagten für sich selbst zu ausschließlich privaten Zwecken verwendet."
Während sich die zwei Mitangeklagten zu den Vorwürfen bisher nicht geäußert haben, haben die Hauptangeklagten im Ermittlungsverfahren betont, sie seien "unschuldig". Der 56-Jährige versicherte, die Vereine würden existieren, mit dem Geld habe man "Pokale und Medaillen angeschafft" und "Leute bezahlt". Außerdem sei er eine "Privatperson" und allfällige weitere Fragen wären daher "an die Vereine als juristische Personen" zu richten. Auf den Vorhalt der Ermittler, dass sich auf seinen Bankkonten keine Zahlungen für die Vereine erkennen ließen, erwiderte der Mann: "Darf ein Verein nicht bei Karl Lagerfeld einkaufen? Muss man nackt auf die Straße gehen, wenn man für Vereine tätig ist? Wir sind die Sklaven für Österreich aus Rumänien oder was?"
Seine Ex-Frau hatte es überhaupt abgelehnt, zum Zweck ihrer Beschuldigteneinvernahme zur Polizei zu gehen. Sie reichte schriftliche Stellungnahmen ein, wobei sie betonte, die Vereine hätten die Fördergelder "nach eigenem Ermessen zweckgebunden für den reibungslosen Ablauf der Aktivitäten verwendet". Es ließen sich "tausend Stunden Aktivität" belegen.
Auch für ihren Verfahrenshelfer war die 55-Jährige bisher nicht zu sprechen. "Sie hat Rechtsberatung verweigert. Sie will nicht kommen, weil sie mich ablehnt", berichtete der Anwalt im Grauen Haus. Der Prozess um schweren gewerbsmäßigen Betrug soll möglichst zeitnahe fortgesetzt werden.
Zusammenfassung
- Vier in Wien lebende Rumänen stehen im Verdacht, während der Coronakrise durch eine Betrugsmasche 320.000 Euro unrechtmäßig erhalten zu haben. Die Hauptangeklagten gründeten elf Sport- und Kulturvereine, um staatliche Hilfen zu beantragen.
- Die Verhandlung am Landesgericht musste vertagt werden, da die 55-jährige Ex-Frau nicht erschien und der 56-jährige Hauptangeklagte des Saales verwiesen wurde. Die Polizei konnte die Frau nicht an ihrer Adresse antreffen.
- Laut Anklage existieren die Vereine nur auf dem Papier und wurden in betrügerischer Absicht gegründet. 56 Förderanträge wurden eingereicht, die Gelder landeten jedoch auf den Privatkonten der Angeklagten.