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"Angst um mich und das Kind": Femizid schockt ganz Bosnien

"Gleich werdet ihr einen Mord live miterleben", erzählt ein 35-jähriger Bosnier den Menschen, die gerade seinen Livestream auf Instagram mitverfolgen. Er tötet schließlich seine Ex-Partnerin und Mutter seines Kindes vor laufender Kamera. Ein Femizid schockt ganz Bosnien.

Gradačac, Bosnien-Herzegowina12.000 Menschen sollen zwischenzeitlich bei dem Instagram-Livestream zugesehen haben, als der 35-Jährige Bodybuilder seinen Followern erklärte, sie würden gleich einen Mord miterleben.

"Ich hatte Angst um mich und das Kind"

Er fragt seine Ex-Partnerin wütend, warum sie ihn bei der Polizei gemeldet habe. "Ich hatte Angst um mich und das Kind", antwortet die 38-Jährige Nizama mit einer kraftlosen Stimme – der 35-Jährige hatte sie davor so brutal zusammengeschlagen, dass sie kaum sprechen kann. Daraufhin richtet er die Waffe auf die Frau und drückt ab. Einige Sekunden nach dem Schuss ist das Geschrei der zweijährigen Tochter des Paares zu hören. Das Kind hinterlässt er unverletzt in einer Blutlache.

Der Mann filmt weiterhin wie er nach der Tat durch die Straßen der nordbosnischen Stadt läuft und wahllos auf Passanten schießt. Er tötet zwei weitere Menschen, einen Vater und einen Sohn mit denen er scheinbar zuvor einen Streit hatte. Drei weitere Menschen werden verletzt. Nachdem er von der Polizei eingekreist wird, erschießt sich der 35-Jährige schließlich selbst.

Gericht lehnte einstweilige Verfügung ab

Der Fall wirft viele Fragen auf. Wenige Tage vor dem Mord verließ Nizama mit ihrem Kind das gemeinsame Haus des Paares und versteckte sich rund eine Woche bei einer Verwandten. Sie hatte eine einstweilige Verfügung gegen den Vater ihres Kindes beantragt - ihm solle der Kontakt zu ihr untersagt werden.

Er habe ihr gedroht, und gesagt, er werde sie finden, "wo immer sie ist". Sie habe Angst vor ihm und "fürchte seine Anwesenheit", weil er gewalttätig sei, sagte die 38-Jährige in einer Aussage gegenüber der Polizei nur vier Tage vor dem Mord. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt. Das Gericht verfüge nicht über genug Beweise, um eine Schutzmaßnahme zu verhängen, hieß es in einer Stellungnahme.

Der Mann war kein unbeschriebenes Blatt. Er war wegen Drogenhandels und einem Angriff auf einen Polizisten bereits vorbestraft.

Ermittlungen gegen Polizistin

Gegen eine Polizistin, die eine Affäre mit dem Mann gehabt haben soll, wird derzeit ermittelt. Sie soll möglicherweise den Aufenthaltsort der Frau verraten haben – dieser sei nämlich nur der Polizei bekannt gewesen. Die Polizistin wurde mittlerweile wegen ihrer "Verbindung" mit dem Mörder von ihrem Arbeitsort suspendiert. Auch gegen Zuschauer:innen, die den Mörder im Livestream angestachelt haben, wird laut bosnischem Innenministerium ermittelt.

Gesamtes Land im Schock

Der Vorfall schockte Bosnien-Herzegowina, aber auch die gesamte Balkan-Region. Im ganzen Land, unter anderem in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, kam es zu Demonstrationen gegen Gewalt an Frauen.

Mit Parolen wie "Sagen wir Nein zur Gewalt" und "Schweigen ist Zustimmung" wurden Forderungen nach mehr Schutz für Frauen an die Regierung gestellt. Am Mittwoch verhängte Bosnien-Herzegowina eine landesweite Staatstrauer.

Auch in Österreich ist jede dritte Frau ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt, so eine Befragung der Statistik Austria. Laut dem Verein der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF) sollen 2023 bereits 16 Frauen Opfer eines Femizids gewesen sein.

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ribbon Zusammenfassung
  • "Gleich werdet ihr einen Mord live miterleben", erzählt ein 35-jähriger Bosnier den Menschen, die gerade seinen Livestream auf Instagram mitverfolgen.
  • Er tötet schließlich seine Ex-Partnerin und Mutter seines Kindes vor laufender Kamera.
  • Ein Femizid schockt ganz Bosnien.