"Amoktat" in Berlin: Fahrer bis zum Prozess in Psychiatrie
Nach der Amokfahrt in Berlin ist die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss gekommen, dass eine psychische Erkrankung dazu geführt hat, dass der 29-Jährige über Gehwege des Ku'damms und der Tauentzienstraße in Menschengruppen gerast ist. Ein terroristischer Hintergrund wird somit ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Mord in einem Fall und versuchten Mord in 17 Fällen vor und will, dass er bis zum Prozess in einem psychiatrischen Krankenhaus bleibt.
Der 29-Jährige hatte in der Nähe der Berliner Gedächtniskirche eine Schülergruppe erfasst und eine Lehrerin aus Hessen in den Tod gerissen, eine weitere Lehrerin und sieben Jugendliche sind im Spital.
Nach Angaben der Feuerwehr (Stand Mittwochabend) wurden insgesamt 22 Menschen in Berliner Krankenhäusern im Zusammenhang mit der Todesfahrt behandelt. "Wir selbst haben vor Ort 17 Menschen versorgt und in Krankenhäuser gebracht", sagte ein Sprecher am Donnerstag. Davon seien sechs Betroffene lebensbedrohlich und drei schwer verletzt gewesen. Weitere Menschen hätten sich eigenständig in Kliniken gemeldet.
"Die grausame Amoktat an der Tauentzienstraße macht mich tief betroffen", twitterte Kanzler Olaf Scholz. Die Reise der Gruppe hätte in einem Albtraum geendet.
https://twitter.com/Bundeskanzler/status/1534631799263055873
29-jähriger Täter nicht mehr im Spital
Der Fahrer des Autos - ein 29-jähriger Deutsch-Armenier, der in Berlin lebt - befand sich am Donnerstag nicht mehr im Krankenhaus, sondern im Polizeigewahrsam. Das sagte ein Polizeisprecher. Noch im Lauf des Donnerstags wurde erwartet, dass die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl beantragt, um den Mann in Untersuchungshaft zu nehmen.
Ermittelte Mordkommission könnte aufgestockt werden
Eine Mordkommission des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) ermittelte zum genauen Ablauf der Tat. Unter Umständen soll sie wegen der vielen Opfer, Zeugen und sonstigen Hintergründe personell aufgestockt werden. Am Tatort am Ku'damm und der Tauentzienstraße arbeitete heute erneut die Spurensicherung der Kriminalpolizei. Auch das sichergestellte Auto sollte noch einmal "intensiv durchsucht" werden, so der Sprecher. Die Polizei bat Zeugen, sich zu melden und auch mögliche Videos und Fotos der Tat an eine Internetseite der Polizei zu schicken.
https://twitter.com/PolizeiBerlin_E/status/1534495726541103107
Auto gehörte Schwester des Täters
Die Polizei sah weiterhin keinen politisch-extremistischen Hintergrund der Tat. "Hinweise auf eine politische Motivation haben wir derzeit nicht." Die im Auto gefundenen Plakate mit Äußerungen zur Türkei stünden "inhaltlich nicht im Zusammenhang mit der Tat". Unklar war auch, wem sie gehören. Besitzerin des Autos ist die Schwester des Fahrers.
Amtsbekannt, aber kein Extremist
Bereits am Mittwoch wurde unter anderem auch die Wohnung des 29-Jährigen in Charlottenburg von der Polizei durchsucht. Der Mann soll der Polizei wegen mehrerer Delikte bekannt gewesen sein, jedoch nicht in Zusammenhang mit Extremismus. Die Schwester des Verdächtigen sagte einem "Bild"-Reporter: "Er hat schwerwiegende Probleme." Nachbarn äußerten sich der Zeitung zufolge erstaunt, "dass er zu so einer Tat fähig ist."
Von Passanten festgehalten
Der 29-Jährige sei zunächst von Passanten festgehalten worden, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz. Die Polizei prüfte, ob es sich um einen Unfall, einen medizinischen Notfall oder um eine vorsätzliche Tat handle.
Aktuelle Bilder:
Der Vorfall am Mittwoch spielte sich nach bisherigem Stand so ab: Der Mann fuhr den Renault-Kleinwagen am späten Vormittag an der Straßenecke Ku'damm und Rankestraße auf den Bürgersteig des Ku'damms und in die Menschengruppe. Dann fuhr er auf die Kreuzung und knapp 200 Meter weiter auf der Tauentzienstraße Richtung Osten. Kurz vor der Ecke Marburger Straße lenkte er den Wagen erneut von der Straße auf den Bürgersteig, touchierte ein anderes Auto, überquerte die Marburger Straße und landete im Schaufenster eines Parfümerie-Geschäfts.
Reaktionen der Politik
Die Bundesregierung, Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigten sich bestürzt über das Geschehene. "Meine Gedanken sind bei den schwer und sehr schwer Verletzten, bei dem Todesopfer", erklärte Steinmeier. "Und sie sind bei denen, die Schreckliches erleben mussten. Mein tiefes Mitgefühl gilt ihnen, allen Angehörigen und Hinterbliebenen." Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte den Betroffenen Unterstützung zu. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zeigte sich in einer Aussendung schockiert über den Vorfall. "Ich bin in der Lagezentrale und informiere mich laufend. Meine Gedanken und mein tiefes Mitgefühl sind bei allen Betroffenen!", twitterte sie. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte den Betroffenen Unterstützung zu. "Wir werden alles dafür tun, den Betroffenen zu helfen."
Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) sagte: "Wir haben umgehend Notfallbetreuungsteams nach Bad Arolsen geschickt, um den Angehörigen, Mitschülerinnen und Mitschülern sowie den Lehrkräften beizustehen." Ein Team aus der Schule sei auf dem Weg nach Berlin, um den Jugendlichen vor Ort sowie ihren Eltern zur Seite zu stehen.
https://twitter.com/PolizeiBerlin_E/status/1534473430791331841
Am Mittwochvormittag war die Polizei nach eigenen Angaben mit circa 130 Kräften im Einsatz, mit einem Hubschrauber verschafften sich die Beamten einen Überblick aus der Luft. Die Feuerwehr war mit 100 Kräften vor Ort. Das Areal war großflächig abgesperrt. Die Polizei rief die Menschen dazu auf, keine Bilder vom tödlichen Vorfall an der Einkaufsstraße im Internet zu posten.
https://twitter.com/Berliner_Fw/status/1534463644850917378?s=20&t=lLBYHr9ISVfg36oLtz1clw
Belebter Ort
Die Gegend, in der sich der tödliche Vorfall am Mittwoch ereignete, ist wegen der vielen Geschäfte, Cafés und Sehenswürdigkeiten oft sehr belebt. Sie ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus dem In- und Ausland.
Der Fall weckte in Berlin auch Erinnerung an eine Amokfahrt auf der Stadtautobahn A100 im August 2020, als ein Autofahrer gezielt drei Motorradfahrer rammte. Er wurde vom Gericht in die Psychiatrie eingewiesen.
Zusammenfassung
- Ein 29-Jähriger raste in Berlin mit seinem Auto in eine Schülergruppe, eine Lehrerin wurde getötet, sechs Personen schweben in Lebensgefahr, insgesamt 29 , wie am Donnerstag bekannt wurde, wurden verletzt, darunter viele Kinder.
- Am Mittwochabend wurde offiziell, dass es sich laut Politik um eine "Amoktat" handelt. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem "Albtraum".
- Es sie die "Amoktat eines psychisch beeinträchtigten Menschen" gewesen, erklärte Iris Spranger, Senatorin für Inneres in Berlin.
- "Hinweise auf eine politische Motivation haben wir derzeit nicht", sagt hingegen die Polizei.
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