Pflicht erfüllt: Wahre Prüfung für ÖFB-Team bei der EM
Das österreichische Fußball-Männer-Nationalteam ist den eigenen Ansprüchen gerecht geworden. Das bei der Amtsübernahme von Teamchef Ralf Rangnick vor eineinhalb Jahren ausgegebene erste Etappenziel EM-Teilnahme ist erreicht.
Die Kür soll beim Turnier nächsten Sommer (14. Juni bis 14. Juli) in Deutschland folgen. Dem Rangnick-Team ist dort eine Überraschung zuzutrauen, wenn es seinen Prinzipien treu bleibt - und einige kleinere Problemzonen in den Griff bekommt.
Der Rangnick-Effekt
Anders als sein Vorgänger Franco Foda lässt Rangick sein Team von den Leinen. Ganz im Stile des Fußballs, den der Deutsche als Sportdirektor bei FC Red Bull Salzburg ab 2012 implementiert hat, soll die ÖFB-Auswahl risikoreich nach vorne verteidigen.
Zugute kommt Rangnick, dass viele seiner Kicker genau jene Red-Bull-Schule durchlaufen haben, die er selbst geprägt hat. Das proaktive System scheint auf das vorhandene Spielermaterial sehr gut zugeschnitten.
Schlüsselspieler sind damit nicht mehr nur die Stars David Alaba oder Marko Arnautović. Entscheidende Rollen nehmen neben Marcel Sabitzer auch die Pressing-Maschinen Konrad Laimer, Xaver Schlager oder Nicolas Seiwald ein.
Letzterer ist der einzige ÖFB-Akteur, der in der Qualifikation bisher jede Minute auf dem Platz gestanden ist. Ob des großen Angebotes starker Spieler gegen den Ball sind im Mittelfeld sogar Ausfälle relativ gut zu kompensieren.
Die Problemstellen
Ganz anders ist die Situation auf den Außenverteidiger-Positionen. Rechts hat die Umschulung von Stefan Posch bei Bologna etwas Abhilfe geschaffen, links sucht Rangnick seit seinem Amtsantritt vergeblich nach einer festen Größe.
Maximilian Wöber wusste in der für ihn ungewohnten Rolle nicht immer zu gefallen, die Alternativen sind rar. Selbst in den Nachwuchsteams heimischer Klubs sucht der Teamchef vehement nach schnellen Außenspielern, die für die Rolle künftig infrage kommen.
Rangnick ist rast- und ebenso kompromisslos. In fast allen sportlichen Fragen im ÖFB hat sich der 65-Jährige in den vergangenen eineinhalb Jahren eingebracht. Viel, wenn nicht alles, muss nach seinem Kopf gehen.
Mit seiner direkten Herangehensweise hat der Schwabe eingerostete Strukturen im Verband aufgebrochen. In puncto Selbstvermarktung kann ihm ohnehin nicht so schnell jemand das Wasser reichen.
Vertrag verlängert
Der Vertrag des Teamchefs hat sich mit dem Erreichen der EM bereits über diese hinaus verlängert. Rangnick will Österreich auch zur WM 2026 führen - und damit eine fast 30-jährige Durststrecke seit der WM 1998 beenden.
Der Wahl-Salzburger weiß um die historische Chance, die die aktuelle Spielergeneration in Österreich bietet. Er hat dem Team, indem er es seine Stärken ausspielen lässt, aber auch einen spürbaren Glauben an sich selbst eingeimpft.
Allerdings hätte die EM-Qualifikation durchaus auch anders laufen können. Nach dem gelungenen Auftakt gegen Aserbaidschan (4:1) zitterten die Österreicher als haushoher Favorit gegen Estland, ehe späte Tore in Linz die Wende und einen 2:1-Sieg brachten. Der folgende Auswärtspunkt in Belgien (1:1) war glücklich, das musste selbst Rangnick eingestehen.
Gegen Schweden gelangen zwei Siege (2:0 und 3:1). Von ihrer früheren Klasse sind die Skandinavier mittlerweile aber ein Stück weit entfernt. In Wien wackelten die Österreicher vor der Pause dennoch, ehe sie dank eines späten Doppelpacks von Christoph Baumgartner als Sieger vom Platz gingen.
In Schweden bot sich ein ähnliches Bild - die Tore machte nach Seitenwechsel aber erneut das ÖFB-Team. Eine sichtbare Weiterentwicklung: Partien dieser Art haben die Österreicher in der Vergangenheit nur selten gewonnen.
Unter Rangnick passten zuletzt auch die Ergebnisse. Die bisher einzige Niederlage der Quali setzte es in Wien gegen Belgien (2:3). Ob der Aufholjagd nach 0:3-Rückstand verließ kein Fan enttäuscht das Ernst-Happel-Stadion. Rund um die ÖFB-Auswahl hat wieder eine positive Stimmung Einzug gehalten.
Sorgen um Tiefe
Die Kaderbreite bleibt allerdings ein Fragezeichen. Der zweite Anzug machte in Tests gegen Andorra (1:0) und die Republik Moldau (1:1) keine besonders gute Figur. Auch am Montag beim entscheidenden 1:0 in Baku tat sich die ersatzgeschwächte Auswahl lange schwer.
Den hohen Stellenwert, den das Team im Land hat, zeigt die in der Vorwoche erfolgte Auszeichnung als "Mannschaft des Jahres". Dabei ist es kein Wunderding, sich mit Österreich für eine EM zu qualifizieren. 24 von 55 UEFA-Mitgliedsländern sind mittlerweile spielberechtigt.
Von einem Kader mit Spielern bei Real Madrid, Bayern München, Inter Mailand und Borussia Dortmund darf man erwarten, beim Turnier vertreten zu sein. Wie weit Rangnick das ÖFB-Team wirklich gebracht hat, wird sich erst bei der Endrunde zeigen. Die Gruppenauslosung steht am 2. Dezember in Hamburg auf dem Programm.
Zusammenfassung
- Österreich hat es mit dem 1:0-Sieg in Aserbaidschan zum dritten Mal in Serie geschafft, sich für eine Fußball-EM zu qualifizieren.
- Damit verlängert sich automatisch der Vertrag von Teamchef Ralf Rangnick.
- Die größte Prüfung des kompromisslosen Deutschen steht aber noch bevor.