Felix Gall: "Alles hat wehgetan"
Triumphator der Königsetappe, Platz acht in der Gesamtwertung, einen Tag im Trikot des besten Bergfahrers sowie Etappenzweiter und Etappendritter. Für viele Radprofis ein beeindruckendes Karriere-Resümee, für Felix Gall die Bilanz seiner allerersten Tour de France. Österreich hat einen neuen Radsport-Star - und mit erst 25 Jahren könnte Gall sogar noch Größeres erreichen.
PULS 24: Wie fühlt man sich nach 3.400 Kilometern und 55.000 Höhenmetern in drei Wochen auf dem Fahrrad?
Felix Gall: Es gibt schlechte und gute Tage. Nach dem Etappensieg war die Luft definitiv mal richtig raus. Da habe ich mich extrem schlecht gefühlt. Das Ganze ist ein riesiger Stress für den Körper. Wenn man da in der dritten Woche ein bisschen Kopf- und Halsweh hat, ist das recht normal. Auf der vorletzten Etappe habe ich mich dann aber wieder sehr gut gefühlt. Für den täglichen Schmerz muss man bereit sein, das kostet schon sehr viel Energie. Jetzt bin ich mal erleichtert, dass es vorbei ist.
Mit dem Sieg der Königsetappe haben Sie österreichische Radsport-Geschichte geschrieben. Doch mindestens genau so beeindruckend war die Performance auf der bereits erwähnten vorletzten Etappe, als die Führungsgruppe des Schlussanstiegs nur aus Ihnen und den beiden Superstars, Jonas Vingegaard und Tadej Pogačar, bestand. Ein Bild, an das sich die Radsportwelt gewöhnen sollte?
Schön wär’s. [lacht] Das war natürlich der Wahnsinn. Nach der Königsetappe dachte ich eigentlich, dass mein Körper komplett leer sein wird. Selbst am Morgen der 20. Etappe habe ich mich verdammt schlecht gefühlt, als wäre ich gegen eine Hausmauer gefahren. Alles hat wehgetan. Sobald ich mich auf das Rad setzte, war ich aber wieder extrem gut drauf - bis zum Ziel. Also die Leistung, die ich da abrufen konnte, ist definitiv vielversprechend für die Zukunft.
Die bisherige Saison war geprägt von einigen Umstellungen. Eigentlich wäre der Plan gewesen, den Giro d’Italia statt die Frankreich-Rundfahrt zu bestreiten. Wie versuchen Sie, mit solchen Veränderungen umzugehen? Eigentlich planen die Radteams ihre Saison ja bereits im Winter vollkommen durch.
Das stimmt. Ursprünglich war der Plan, den Giro und dann die Vuelta [Spanien-Rundfahrt, Anm.] zu fahren. Schon im Winter habe ich aber zum Team gesagt: Nach den ganzen Frühjahrsrennen den Giro zu bestreiten, das könnte schwierig werden. Da würde es viel mehr Sinn ergeben, sich in Ruhe auf die Tour de France vorbereiten zu können. Also war der Wechsel mehr eine Erleichterung.
Und dann in der dritten Tour-Woche bekamen Sie plötzlich die Kapitänsrolle. Wie ist das abgelaufen?
Das war etwas schwieriger. Bereits am Ende der ersten Woche hat mir das Team gesagt, dass ich mich auch auf das Gesamtklassement konzentrieren sollte. Da war ich aber "erst" auf dem rund 15. Platz, der bringt einen nicht unbedingt weiter. Als Klassementfahrer darf man sich keinen einzigen schlechten Tag erlauben. Als ich aber merkte, dass meine Teamkollegen um mich herum immer für mich da sind - das machte es mir um einiges leichter. Ab der ersten Alpenetappe habe ich gemerkt, dass die Top Ten möglich sind.
Felix Gall schreibt österreichische Radsport-Geschichte
Die neue Netflix-Serie zur Tour de France hat dafür gesorgt, dass sich der Radsport wieder größerer Beliebtheit erfreut. Können wir in der nächsten Nextflix-Staffel auch mit Felix Gall als einen der Hauptdarsteller rechnen?
Absolut, von mir wird man definitiv ein bisschen was sehen. Vor der Tour dachte ich mir, ich werde maximal eine Statistenrolle einnehmen. Dank des Etappensiegs sollte aber doch ein bisschen mehr von mir zu sehen sein.
Am Mittwoch folgt das Stadtkriterium in Wels, wenige Tage später der Klassiker in San Sebastian und dann werden Sie das Rad wohl mal für den Golfschläger tauschen. Doch Hand aufs Herz: Schielen Sie mit einem Auge nicht schon auf die Tour de France 2024?
Boah, nein wirklich nicht. Ich bin natürlich sehr zufrieden, wie es die letzten drei Wochen gelaufen ist und welches Potenzial in mir tatsächlich steckt. Jetzt aber zu sagen, dass ich mich schon auf das nächste Jahr freue, wäre etwas verfrüht. Wie es um die Tour 2024 steht, das werden wir dann im Winter besprechen.
Zur Person: Felix Gall (25) stammt aus Nußdorf-Debant in der Nähe von Lienz. In der Jugend über den Triathlon zum Radsport, krönte er sich 2015 zum Junioren-Weltmeister auf der Straße. Nach zwei unglücklichen Jahren beim niederländischen DSM-Team wechselte Gall 2022 zum französischen Rennstall AG2R Citroën Team. Im Juni 2023 feierte der leidenschaftliche Hobbygolfer seinen ersten Profisieg (Tour de Suisse), gefolgt vom Erfolg auf der Tour-de-France-Königsetappe in Courchevel und dem achten Platz in der Gesamtwertung.
Zusammenfassung
- Mit seiner starken Auftritt bei der Tour de France ist Felix Gall endgültig in der Radsport-Elite angekommen.
- Im Interview mit PULS 24 spricht der Osttiroler über das tägliche Auf und Ab eines Radprofis, wie er mit dem Druck der Kapitänsrolle umgegangen ist und ob er schon bald der nächste Netflix-Star werden könnte.