Die absurdesten Kleidervorschriften im Damen-Sport
Vor knapp einem Jahr stand die Beach-Handball-Europameisterschaft der Frauen im medialen Fokus. Allerdings nicht wegen des sportlichen Aspekts, sondern wegen der Kleidervorschriften auf dem Feld. Norwegens Frauen traten zum Spiel gegen Spanien mit Shorts an. Vorgeschrieben waren Bikinis.
Prompt wurden die Athletinnen mit einer Geldstrafe von 150 Euro pro Spielerin (1.500 Euro gesamt) belegt. Die Spielerinnen protestierten und der Backlash war groß. Die Sängerin Pink unterstützte die Norwegerinnen und übernahm die Bezahlung der Strafe.
Politiker:innen aus Skandinavien forderten den Handball-Weltverband zum Handeln auf, was dann auch geschah. Anfang November 2021 überarbeitete der Verband sein Regulativ. Bikinis sind nun nicht mehr verpflichtend. Allerdings: Die Hosen müssen laut Regeln weiterhin "eng anliegen". Eine Vorschrift, die für die männlichen Beach-Handballer nicht gilt.
Fußball: Lachhafter Blatter-Vorschlag
Die Debatte im Beach-Handball ist das jüngste, doch bei weitem nicht das einzige Beispiel für absurde Diskussionen über Kleidervorschriften im Frauen-Sport. Im Fußball gibt es und gab es zwar nie ein spezielles Regulativ. Hätte man 2004 auf Sepp Blatter gehört, wäre dies jedoch vielleicht anders gekommen.
Der Ex-FIFA-Chef, der sich aktuell vor Gericht wegen des Vorwurfs des Betrugs verantworten muss, äußerte 2004 folgenden Vorschlag: "Lassen wir doch die Frauen in anderen, feminineren Tenüs spielen als die Männer. In engeren Hosen zum Beispiel." Die ehemalige US-Nationalspielern Julie Foudy entgegnete ihm cool: "Wir werden engere Shorts tragen, wenn Blatter seine Pressekonferenz demnächst im Badeanzug gibt."
"Lassen wir doch die Frauen in anderen, feminineren Tenüs spielen als die Männer. In engeren Hosen zum Beispiel."
Boxen: Debatte um Minirock
Im Vergleich zu Blatters "Geistesblitz", der nie weiter verfolgt wurde, waren die Gespräche um eine Kleidervorschrift im Frauen-Boxen deutlich weiter fortgeschritten. Als der Bewerb 2012 erstmals ins olympische Programm aufgenommen wurde, stand zur Debatte die Sportlerinnen in Miniröcken boxen zu lassen.
Das Vorhaben wurde schlussendlich nicht realisiert. Der Verband stellte den Frauen frei, ob sie in Röcken oder Hosen in den Ring steigen. Allerdings erst auf Bestreben der Athletinnen, die eine Online-Petition mit 60.000 Unterstützer:innen starteten. "Ich trage keinen Minirock, wenn ich ausgehe, daher werde ich definitiv keinen im Ring tragen", ließ die aktuelle Weltmeisterin Katie Taylor ausrichten.
"Ich trage keinen Minirock, wenn ich ausgehe, daher werde ich definitiv keinen im Ring tragen"
Tennis: Williams und der Catsuit
Im viel beachteten Damen-Tennis-Sport, wo Frauen und Männer bei großen Turnieren dasselbe Preisgeld erhalten und weibliche Spieler:innen wie Serena Williams zu den bestverdienenden Sportlerinnen der Welt gehören, sorgte das Thema Kleidervorschriften in der Vergangenheit ebenfalls für Wirbel.
Just jene Serena Williams musste sich 2018 für ihren Catsuit, einen enganliegenden schwarzen Einteiler, verantworten. Williams machte sogar medizinische Gründe für ihr Outfit geltend. Der Kompressionsanzug sollte Blutgerinnsel vorbeugen. Bernard Giudicelli, der damalige Präsident des französischen Tennisverbandes, wollte solche Outfits dennoch verbieten lassen und meinte: "Der Sport und der Platz müssen respektiert werden."
Giudicelli blitzte mit seinem Vorhaben ab. 2019 erlaubte die Frauen-Tour WTA Kompressionsanzüge offiziell. Beim selben Turnier kassierte die Französin Alize Cornet eine Verwarnung vom Schiedsrichter, weil sie auf dem Court ihr T-Shirt wechselte, da sie es versehentlich verkehrt herum angezogen hatte. Ein T-Shirt-Wechsel während eines Spiels kommt im Männer-Tennis regelmäßig vor. Die Organisatoren entschuldigten sich später bei Cornet.
Eiskunstlauf: Witt-Kleid erhitzt Gemüter
Im Eiskunstlauf brach Katarina Witt bei den Olympischen Spielen in Calgary 1988 unfreiwillig eine Debatte vom Zaun. Die Deutsche, die sich mit ihrer Performance zum zweiten Mal Olympia-Gold sicherte, habe in den Augen einiger Funktionäre in ihrem blauen Kleid zu viel Haut gezeigt. Die Folge war eine Regeländerung: Frauen durften fortan den Bauchnabel nicht mehr zeigen und ein Rock musste Hüfte und Hintern vollständig bedecken. 2004 wurden die Vorschriften wieder aufgehoben.
Beach-Volleyball: Katar und Kleidervorschriften
Im Beachvolleyball waren ab 2004 Bikinihosen Pflicht, die an den Seiten nur maximal sieben Zentimeter breit sein durften. 2012 hob der Weltverband diese Regelungen auf. Heute steht es den Spielerinnen größtenteils frei, was sie tragen – und trotzdem spielen meist alle im Bikini.
Und genau weil ihnen das verwehrt wurde, boykottierte das deutsche Duo Karla Borger/Julia Sude ein 2021 ein Turnier in Katar. In dem streng muslimischen Land wurde seitens der Behörden eine Kleiderordnung festgelegt, die es den Damen untersagt im Bikini zu spielen. Von Seiten des Weltverbands FIVB hieß es damals, "man respektiere die Kultur und Traditionen des Gastgeberlandes."
"Es geht gar nicht um wenig anhaben oder nicht. Es geht darum, dass wir in unserer Arbeitskleidung nicht unsere Arbeit machen können", sagte Sude, die die extreme Hitze im Wüstenstaat anführte. Zwar beteuerte die FIVB und der katarische Volleyballverband später, dass es keine Kleidervorschriften für die Sportlerinnen gegeben habe. In dieser Hinsicht ist, ob der steigenden Anzahl an Sport-Großereignissen in Katar (Fußball-WM, Tennis, Leichtathletik, etc.), das letzte Wort jedoch noch nicht gesprochen.
ASKÖ-Chef plädiert für Mitspracherecht der Sportlerinnen
Im Kunstturnen setzte das deutsche Team bei der EM 2021 ein Zeichen und trat mit langen Hosen zum Wettbewerb an. Etwas, das zuvor bereits erlaubt, aber verpönt war. "Wenn man die Turnhose angelassen hat, gab es direkt Abzüge", schilderte Ex-Turnerin Naomi van Dijk in der Hessenschau. Im Badminton wurde 2011 die Rockpflicht für Frauen verkündet. Nach einem Sturm der Entrüstung ruderte der Weltverband zurück – die Pflicht kam nie.
"Sexismus beginnt dort, wo die Bekleidung beiträgt, dem Körper eines/einer Athlet:in einen höheren Stellenwert zu geben als der sportlichen Leistung selbst", sagt Michael Maurer, Generalsekretär des ASKÖ auf PULS 24-Anfrage. Sein Verein setzt sich laut Leitbild für Geschlechtergerechtigkeit im Sport in Österreich ein.
"Man sollte weniger von Gleichberechtigung, sondern vielmehr von gleichen Möglichkeiten zwischen den Geschlechtern - immer unter Berücksichtigung von Sicherheit und Fairness - reden. Wichtig ist aber, dass Kleidungsvorschriften so angepasst werden sollten, dass es tunlichst zu keinen Zugangsbeschränkungen zur Teilnahme an Sportbewerben kommt", fährt Maurer fort und plädiert dafür Sportler:innen in die Diskussion miteinzubeziehen. Wie man es dreht und wendet: Wie obige Auflistung zeigt, scheint jedenfalls noch ein langer Weg zu gehen zu sein, bis endlich nur mehr über sportliche Aspekte diskutiert werden kann.
Zusammenfassung
- Knappe Bikins, enganliegende Hosen und kurze Röcke: Viel zu oft entbrannten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten im Frauensport Diskussionen um die Outfits der Athletinnen. Ein Auszug der skurrilsten Debatten.
- Ein Auszug der absurdesten Debatten.