Zustimmung und Kritik nach von-der-Leyen-Rede

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will Europas Wirtschaft fit für die Zukunft machen.

Sie schlug bei ihrer vierten und womöglich letzten Rede zur Lage der Europäischen Union Mittwochfrüh in Straßburg mehrere Initiativen vor, um die Industrie bei der Dekarbonisierung zu unterstützen und die Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu verbessern. Die anschließende Debatte im EU-Parlament war von Lob und Zustimmung gekennzeichnet.

Ludwig reagiert auf die Rede zur Lage der EU

"Wir haben die Klima-Agenda zu einer wirtschaftlichen Agenda weiterentwickelt", sagte von der Leyen. Sie kündigte zudem eine Untersuchung an mit Blick auf unlauteren Wettbewerb bei Elektroautos aus China. Die E-Mobilität sei eine entscheidende Industrie für eine "saubere Wirtschaft". Die Weltmärkte würden nun aber von billigen chinesischen E-Autos "überschwemmt", deren Preis durch staatliche Subventionen gedrückt werde.

Von der Leyen betonte aber, dass es wichtig sei, die Kommunikationskanäle nach China offen zu halten. Weiters werde die Kommission ein "Paket für die Windkraft in Europa" vorlegen. So sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, Auktionssysteme "in der gesamten EU" verbessert werden.

"Realität eines Planeten, der kocht"

Sie unterstrich in ihrer Rede aber auch die Wichtigkeit, die Wirtschaft zu dekarbonisieren. Von der Leyen verwies auf Hitzewellen in ganz Europa, sowie Waldbrände und Überschwemmungen in Griechenland und Spanien. "Dies ist die Realität eines Planeten, der kocht", appellierte die Kommissionspräsidentin.

Initiativen für größte Herausforderungen 

Um die drei großen Herausforderungen dieser Zeit - den Arbeitskräftemangel, die Wettbewerbsfähigkeit und die Rahmenbedingungen für Europas Unternehmen anzugehen - schlägt von der Leyen mehrere Initiativen vor. Sie habe den ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi - laut der Kommissionschefin einen der größten Wirtschaftsexperten Europas - gebeten, einen Bericht über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu erstellen.

Um den Arbeitsmarkt fit für die Zukunft zu machen, und den Fach- und Arbeitskräftemangel zu bekämpfen, will die Kommission im kommenden Jahr gemeinsam mit der belgischen Präsidentschaft erneut einen Gipfel mit den Sozialpartnern in Val Duchesse einberufen.

Für die Wettbewerbsfähigkeit sind auch kritische Rohstoffe und der effiziente Einsatz der Künstlichen Intelligenz höchst relevant. "Aus diesem Grund werden wir noch in diesem Jahr das erste Treffen unseres neuen Clubs für kritische Rohstoffe einberufen", betonte von der Leyen. Gleichzeitig werde die Kommission auch weiterhin einen offenen und fairen Handel vorantreiben: "Wir sollten uns bemühen, bis Ende des Jahres auch mit Australien, Mexiko und dem Mercosur zu einem Abschluss zu gelangen."

"KI wird Gesundheitsversorgung verbessern"

Auch die Zusammenarbeit mit Afrika soll verstärkt werden: Die Serie von Militärputschen werde die Region auf Jahre destabilisieren. "Russland hat seine Hände im Spiel und schlägt aus dem Chaos Kapital." Die Region sei ein fruchtbarer Boden für zunehmenden Terrorismus geworden. "Das gefährdet Europa unmittelbar - unsere Sicherheit und unseren Wohlstand", so von der Leyen. Deshalb werde die Brüsseler Behörde zusammen mit dem EU-Außenbeauftragten Borrell ein neues Strategiekonzept für den nächsten EU-AU-Gipfel vorlegen.

Die Künstliche Intelligenz (KI) kann laut von der Leyen einiges verbessern. "Doch sollten wir auch die durchaus realen Gefahren nicht unterschätzen", warnte sie: "Unsere oberste Priorität ist es, sicherzustellen, dass sich die KI auf eine menschenzentrierte, transparente und verantwortungsvolle Weise entwickelt." Wichtig seien hier Supercomputer: "Deshalb kann ich heute eine neue Initiative ankündigen, KI-Start-ups unsere Hochleistungscomputer zur Verfügung zu stellen, um ihre Geschäftsmodelle zu erproben."

Zustimmung und Kritik

Die an die Rede anschließende Debatte mit den EU-Abgeordneten und weitere Reaktionen waren von Kritik und Zustimmung gekennzeichnet.

Der spanische Außenminister Jose Manuel Albares Bueno betonte als Vertreter der spanischen Ratspräsidentschaft den "Einklang der Prioritäten" und den Willen zur "Zusammenarbeit für ein stärkeres Europa". Auch für Othmar Karas (ÖVP), Erster Vizepräsident des Europäischen Parlaments, war die Rede "ein selbstbewusstes und mutiges Bekenntnis für eine zukunftsfitte Union! Die EU muss sich der ökonomischen und ökologischen Transformation offensiv stellen und dabei unabhängiger und wettbewerbsfähiger werden", erklärte er Twitter (X).

Sein Parteikollege, EVP-Vorsitzender Manfred Weber, appellierte in seiner Wortmeldung für eine "europäische Verteidigungsunion". Er betonte den Glauben seiner Partei an den Green Deal - aber auch die Unternehmen müssten Gehör finden.

"Es lohnt sich, für die Zukunft unseres gemeinsamen Europas und unsere Werte zu kämpfen. Die Herausforderungen - angefangen vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit all seinen Auswirkungen über die Klimakrise bis hin zur illegalen Migration und der Wettbewerbsfähigkeit - sind größer geworden. Die EU hat in den letzten Jahren bewiesen, dass sie an Herausforderungen wachsen und ein mutiges und geeintes Europa diese Herausforderungen auch bestehen kann. Nichtsdestotrotz sind viele wichtige Fragen ungelöst, die wir dringend angehen müssen", betonte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) in einer Aussendung.

Als Gewerkschafterin begrüße sie sehr, dass von der Leyen einen Sozialpartnergipfel abhalten wolle, erklärte Parlamentsvizepräsidentin Evelyn Regner (SPÖ) auf Twitter (X). Damit bestätige sie, wie essenziell die Sozialpartnerschaft für die EU-Gesetzgebung sei. Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter im Europaparlament, sieht die "EU in einem erbärmlichen Zustand. Doch von der Leyens Universum kreist vor allem um sie selbst. Noch nie war das ganze aufgesetzte Pathos ihrer Rede zur Lage der EU so weit weg von dem, was Europas Bürger denken."

Kritik von Umwelt- und Tierschutzorganisationen

"Was die Kommissionspräsidentin vollständig ausgeklammert hat, ist die soziale Frage, die aber angesichts der Teuerung und steigenden Armutsgefährdung eine der größten Baustellen der EU ist. Es braucht endlich eine Sozialunion mit europaweiten Mindesteinkommen und einem Care Deal zum Ausbau sozialer Infrastruktur", zeigte sich auch Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen, kritisch.

Kritik kam auch von Seiten der Umwelt- und Tierschutzorganisationen: "Ein großer Teil unseres Kontinents hat den Sommer über entweder unter Bränden oder Überschwemmungen oder unter beidem gelitten. Von der Leyens Politik verurteilt uns zu weiteren Umweltkatastrophen. Die Kommissionspräsidentin liefert weder einen Plan für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen noch eine Exit-Strategie aus der industriellen Landwirtschaft", kritisierte Greenpeace-EU-Direktor Jorgo Riss.

VIER PFOTEN betonte in einer Aussendung, in ihrer Rede habe von der Leyen die längst überfälligen ambitionierten Vorhaben der Union zur Verbesserung des Tierwohls völlig ausgeklammert. Die Kommission sei vor der mächtigen Agrarlobby eingeknickt, so Direktorin Eva Rosenberg.

ribbon Zusammenfassung
  • Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will Europas Industrie stärker unterstützen bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft.
  • "Wir haben die Klima-Agenda zu einer wirtschaftlichen Agenda weiterentwickelt", sagte sie bei ihrer vierten und womöglich letzten Rede zur Lage der Europäischen Union am Mittwochmorgen in Straßburg.
  • Sie kündigte zudem eine Untersuchung an mit Blick auf unlauteren Wettbewerb bei Elektroautos aus China.