Zehntausende Israelis protestieren gegen Regierung
Die Opposition drohte einen Generalstreik an: Sollte Netanyahu die Aussetzung der Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof ignorieren, werde "das ganze Land stillstehen", sagte Oppositionsführer Yair Lapid am Samstagabend vor den Demonstranten in Tel Aviv. "Die Wirtschaft muss streiken, das Parlament muss streiken, die Gerichte müssen streiken, die Behörden müssen streiken, und zwar nicht nur die Universitäten, sondern auch die Schulen", sagte Lapid. Die Demonstranten hielten Schilder mit der Forderung nach einem Ende der Angriffe im Gazastreifen und Forderungen nach einer Rückkehr der Geiseln nach Israel hoch.
Netanyahu betonte dagegen in einer am Abend veröffentlichten Videobotschaft: "Ronen Bar wird nicht Leiter des Shin Bet bleiben. Es wird keinen Bürgerkrieg geben, und Israel wird ein demokratischer Staat bleiben." Netanyahu beharrt auf dem Recht der Regierung, über die Leitung des Inlandsgeheimdienstes zu entscheiden.
Bar bezeichnete die Entscheidung zu seiner Entlassung als politisch motiviert. Die Opposition kritisiert den Vorgang und vermutet andere Gründe für die Entlassung. Der Shin Bet ermittelt zu mutmaßlich illegalen Beziehungen von Vertrauten Netanyahus mit Katar.
Israels Oberster Gerichtshof hatte die von Netanyahu angestrebte Entlassung Bars am Freitag vorerst gestoppt. Die Entscheidung der Regierung werde so lange ausgesetzt, bis alle Berufungsanträge angehört worden seien, erklärte der Gerichtshof. Dafür setzte er eine Frist bis zum 8. April.
Vorgehen gegen weitere Netanyahu-Kritikerin
Auch gegen eine weitere Netanyahu-Kritikerin will die israelische Regierung vorgehen. Für Sonntag wurde ein Votum der Regierung angesetzt, das eine Entlassung von Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara in die Wege leiten soll. Grund dafür seien Baharav-Miaras "unangemessenes Verhalten" sowie "entscheidende und anhaltende Differenzen" zwischen ihr und der Regierung, erklärte Netanyahus Büro.
Baharav-Miara ist eine vehemente Verfechterin der Unabhängigkeit der Justiz und die erste Frau an der Spitze der israelischen Generalstaatsanwaltschaft. Den von Netanyahu angestrebten Umbau der Justiz hat sie als "illegal" bezeichnet, die Entscheidung zur Entlassung des Geheimdienstchefs nannte sie "beispiellos".
Ehemalige Geiseln bei Demonstration
Doron Steinbrecher, die am 19. Jänner aus der Gefangenschaft freigelassen worden war, sagte bei einer Kundgebung in Tel Aviv, sie sei "wütend auf diejenigen, die meinen, es sei in Ordnung, in Gaza wieder zu kämpfen", anstatt sich an die mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas vereinbarte Waffenruhe zu halten und weitere Geiseln aus dem Gazastreifen zu befreien.
Bei weiteren Kundgebungen in der israelischen Küstenmetropole skandierten Teilnehmer: "Wir geben nicht auf, bis alle Geiseln zurück sind!" Auch in Jerusalem fanden sich zahlreiche Menschen bei Demonstrationen ein. Hunderte marschierten zur Residenz von Regierungschef Netanyahu.
Zusammenfassung
- Zehntausende Menschen haben in Israel gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu protestiert und die Gefährdung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln kritisiert.
- Die Entlassung des Inlandsgeheimdienstchefs Ronen Bar durch die Regierung hat zu erheblichen Spannungen geführt, während der Oberste Gerichtshof die Entscheidung vorerst gestoppt hat.
- Oppositionsführer Yair Lapid drohte mit einem Generalstreik, falls Netanyahu die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ignoriert.