APA/APA/HELMUT FOHRINGER/HELMUT FOHRINGER

Karner kritisiert Alleingänge von EU-Staaten in Asylpolitik

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat bei der Vienna Migration Conference Kritik an den Alleingängen einzelner EU-Staaten in der Asyl- und Migrationspolitik geübt. Der neue EU-Asyl- und Migrationspakt "wird nur erfolgreich sein, wenn er in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt wird", sagte Karner am Dienstag in Anspielung auf das Ausscheren der rechtspopulistisch geführten niederländischen Regierung. Zugleich bekräftigte er die Forderung nach Asylzentren in Drittstaaten.

Karner äußerte sich in einer Podiumsdiskussion mit seinem griechischen Amtskollegen Nikos Panagiatopoulos und der belgischen Innen-Staatssekretärin Nicole de Moor. Auch sie bekannten sich klar zu einem gemeinsamen europäischen Vorgehen in der Asyl- und Migrationspolitik. "Es wird nur eine Lösung geben, wenn wir gemeinsam handeln und nicht einseitig", betonte Panagiatopoulos. Auch in der Problemanalyse waren sich die drei Politiker einig: Es brauche insbesondere mehr Abkommen mit Herkunftsländern und Rückführungsabkommen.

"Was uns fehlt, ist eine umfassende Rückkehrpolitik für abgelehnte Migranten", sagte der griechische Politiker. Illegale Migranten werden weiterhin ihren Weg nach Europa finden, solange sie gleich behandelt werden wie legale Migranten. De Moor sagte, dass die Umsetzung des unter belgischer EU-Ratspräsidentschaft ausverhandelten Pakts eine "riesige Herausforderung" sein werde. Es brauche vor allem mehr Budget, aber auch eine Anpassung der gemeinsamen europäischen IT-Datenbanken. "Opt outs" von der gemeinsamen EU-Asylpolitik seien aus belgischer Sicht "nicht der richtige Weg", sagte sie mit Blick auf das Nachbarland Niederlande.

Österreich sei für eine rasche Umsetzung des Asyl- und Migrationspakts, wolle aber auch weitergehende Schritte, so Karner. Ohne die Dinge beim Namen zu nennen, sprach sich der Innenminister für die umstrittene Internierung von Asylbewerbern in Drittstaaten aus. Vielmehr sprach er von der Notwendigkeit, "an neuen und innovativen Partnerschaften mit Drittstaaten zu arbeiten", um den Druck von den EU-Außengrenzen zu nehmen. "Das gehört zu den wichtigsten Dingen", betonte er. Zugleich bekräftigte er die Absicht, Afghanen und Syrer in ihre jeweiligen Heimatländer abzuschieben.

"Das Problem ist nicht Migration, sondern das Management der Migration, das man nicht den Schleppern überlassen darf", betonte auch die stellvertretende UNO-Flüchtlingshochkommissarin Ruven Menikdiwela. Sie hob die Notwendigkeit einer adäquaten Versorgung von Vertriebenen und Flüchtlingen in den Herkunfts- und Transitländern hervor. In den Zielländern solle es "faire und schnelle Asylverfahren" geben, und das UNHCR sei diesen Ländern auch bei der Rückführung abgelehnter Personen in die Herkunftsländer behilflich.

Die Konferenz wird vom Internationalen Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) organisiert, einer in Wien ansässigen Denkfabrik, die von mittlerweile 21 europäischen Staaten getragen wird. Bis Mittwoch wollen auch noch Experten und Spitzenvertreter zahlreicher Länder wie Pakistan, Bangladesch, Dänemark oder Polen sowie der EU und UNO nach Lösungen in der Migrationsfrage suchen. Per Videoschaltung sollte auch der US-Vizeminister für Heimatschutz, Daniel Delgado, an der Konferenz teilnehmen.

"Meine Annahme ist, dass die vor uns liegende Aufgabe noch größer werden wird", sagte ICMPD-Generaldirektor Michael Spindelegger in seiner Eröffnungsrede mit Blick auf die zahlreichen internationalen Krisen, etwa im Nahen Osten oder auch Afrika. Dabei sei die Zahl der Vertriebenen und Flüchtlinge mit 120 Millionen Menschen schon jetzt auf einem Rekordniveau und die europäischen Bürger seien "nicht zufrieden mit dem derzeitigen Zustand im Bereich Migration". Wähler und Bürger wünschten sich eine Verringerung irregulärer Migration, mehr Rückkehrer und eine vernünftige Politik im Bereich Arbeitsmigration. Die Migrationspolitik müsse auf dem Schutz von Menschenrechten und starken Partnerschaften von allen Ländern beruhen. "Es scheint manchmal wie die Quadratur des Kreises, alle diese Erwartungen zu erfüllen."

Der frühere Vizekanzler und ÖVP-Chef ging in seiner Eröffnungsrede nicht auf die Bestrebungen mehrerer EU-Regierungen ein, aus dem gemeinsamen EU-Asylsystem auszusteigen. Vielmehr hob er die jüngsten Fortschritte hervor, etwa den nach jahrelangen Verhandlungen erreichten EU-Asyl- und Migrationspakt, die neuen Migrationspartnerschaften über staatliche und kontinentale Grenzen hinweg sowie die neuen Modelle für die "externe Durchführung von Asylanträgen". "Einige davon wurden verworfen, andere sind gerade in der ersten Phase der Umsetzung", sagte er in offenkundiger Anspielung auf das britische Ruanda-Modell und die italienische Kooperation mit Albanien.

Wenig Anlass zu Optimismus im Bereich Migration sieht auch der bulgarische Soziologe Ivan Krastev, der als erster Redner der Konferenz auftrat. "Es ist einfach nicht wahr, dass alles unter Kontrolle ist. Die meisten Wähler sehen das nicht so", sagte der bulgarische Soziologe. Für die aktuelle Weltsituation fand er einen bildlichen Vergleich: "Ein Mann schreibt seiner Frau ein Telegramm: 'Beginne damit, Dich zu sorgen. Details folgen'. Genau in dieser Phase befinden wir uns derzeit."

ribbon Zusammenfassung
  • Innenminister Gerhard Karner kritisierte auf der Vienna Migration Conference die Alleingänge einzelner EU-Staaten in der Asylpolitik und forderte Asylzentren in Drittstaaten.
  • Die belgische Innen-Staatssekretärin Nicole de Moor betonte die Herausforderungen bei der Umsetzung des EU-Asylpakts und sprach sich gegen 'Opt outs' aus.
  • Der griechische Amtskollege Nikos Panagiatopoulos forderte mehr Abkommen mit Herkunftsländern und eine umfassende Rückkehrpolitik für abgelehnte Migranten.
  • Die Konferenz, organisiert vom Internationalen Zentrum für Migrationspolitik, zog Teilnehmer aus 21 europäischen Staaten sowie Ländern wie Pakistan und Bangladesch an.
  • ICMPD-Generaldirektor Michael Spindelegger hob die Fortschritte im EU-Asyl- und Migrationspakt hervor, während die Zahl der Vertriebenen weltweit bei 120 Millionen liegt.