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Vinzenz-Gruppe: Pfleger brauchen flexible Arbeitsmodelle

In den nächsten Jahren wird der Bedarf an Pflegekräften deutlich steigen. Derzeit spreche man von 75.000 zusätzlichen bis zum Jahr 2030. Menschen im Pflegewesen würden heute weniger Stunden als vor Pandemiebeginn arbeiten, viele hätten dem Beruf gänzlich den Rücken gekehrt, sagt Michael Heinisch, Geschäftsführer der Vinzenz-Gruppe, Trägerin heimischer Ordensspitäler, im APA-Gespräch. "Um die Menschen zurückzuholen, braucht es Arbeit auf Augenhöhe und flexible Arbeitsmodelle."

Rund 42.000 Stellen in der Pflege werden bis 2030 aufgrund von Pensionierungen nachzubesetzen sein, dazu kommen Schätzungen zufolge 34.000 Stellen für zusätzlichen Pflegebedarf, etwa weil die Menschen immer älter werden, betonte Heinisch. Die Zahl der Demenzkranken werde laut Alzheimergesellschaft bis 2050 von 100.000 auf 230.000 ansteigen. Auch dass immer mehr Menschen alleine leben und zuhause gepflegt werden wollen, schaffe zusätzlichen Pflegebedarf.

Wie in anderen Bereichen auch gehe zudem in der Pflege der Trend in Richtung Teilzeit. In den Krankenhäusern der Vinzenz-Gruppe arbeiteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im März 2023 im Schnitt 30,9 Stunden, im März 2019 waren es noch 31,7. "Das ist eine massive Veränderung in so kurzer Zeit", betonte Heinisch. Die Pandemie habe für viele eine starke emotionale Belastung dargestellt, danach kam "der Wunsch, sich zurückzunehmen". Außerdem sei die Pflege nach wie vor ein "stark von Frauen dominierter Beruf", die oft aufgrund von Betreuungspflichten weniger arbeiten.

Einer der wichtigsten Punkte, um dem Pflegemangel entgegenzuwirken, sei daher den Menschen die Möglichkeit zu geben, Beruf und Privatleben zu vereinen. "Wir müssen den Mitarbeitern ganz genau zuhören, wann sie ihre Arbeitszeit hier verbringen wollen. Als junge Krankenschwester will ich vielleicht mehr Nachtdienste machen, um Geld zu verdienen. Wenn ich Familie habe, will ich am Abend eher nicht arbeiten." In den Krankenhäusern der Vinzenz-Gruppe bemühe man sich um möglichst individuelle Arbeitsmodell-Gestaltung. "Bei uns ist alles möglich", betonte Heinisch.

Im Wiener Spital "Göttlicher Heiland" gebe es einen Pool an Menschen, denen "wir versprechen, dass sie nur zu den Zeiten arbeiten, zu denen sie möchten, und sie versprechen uns, dass wir sie überall dort einsetzen können, wo wir sie brauchen". Normalerweise seien Pflegeteams einer gewissen Station zugeteilt. "Natürlich spezialisiert man sich als Teil eines Teams in seiner Abteilung. Es gibt aber auch viele Tätigkeiten der Basispflege, die auf jeder Station gleich sind", so Heinisch.

Ein zentraler Punkt in der Zufriedenheit von Pflegekräften sei auch die Zusammenarbeit von Medizin und Pflege. Es brauche "Patiententeams, die nicht nur als Berufsgruppen denken, sondern miteinander einen Blick auf den Patienten entwickeln". Im Sankt Joseph Krankenhaus laufe derzeit ein Pilotprojekt, wo der ärztliche Chef und die Leiterin der Pflege Entscheidungen gemeinsam fällen. "Damit bekommt man von unterschiedlichen Seiten ein Gefühl, was zu tun ist."

Wichtig sei ebenso die Möglichkeit der Spezialisierung. Man unterscheide mittlerweile nicht mehr nur zwischen akademisch und nicht-akademisch ausgebildeten Pflegefachkräften, sondern auch nach deren Inhaltsgebiet, etwa Lebererkrankungen, Brustkrebs oder Onkologie. "Die sind fachlich hoch spezialisiert und damit erkennen die Pflegekräfte auch selbst, was sie für einen Wert haben für das ganze Krankenhaus."

Während viele Ärztinnen und Ärzte eine eigene Ordination führen und selbstständig sind, arbeiten die meisten Pflegekräfte als Angestellte. "Es gibt aber auch viele, die sagen: Ich möchte nicht in Diensträdern drinnen sein, sondern ich möchte unternehmerische Freiheit haben." Hier brauche es mehr Unterstützung, etwa in Form von "Gesundheitsparks", bei denen rund ums Krankenhaus Arztpraxen, aber auch medizinische Fachkräfte und selbstständige PflegerInnen angesiedelt sind.

Maßnahmen wie diese seien flächendeckend auch in anderen Krankenhäusern umsetzbar, zeigt sich Heinisch überzeugt, und würden die Anerkennung im Beruf stärken. "Es geht um Berufsstolz." Damit seien wohl nicht alle Probleme im Gesundheitswesen zu lösen, aber "irgendwo muss man anfangen", sagte Heinisch.

Viele gelernte Pflegerinnen und Pfleger würden nach Abschluss ihrer Ausbildung in einem anderen Beruf arbeiten. Hier brauche es Kampagnen und Social Media-Aktionen, um diese wieder in die Pflege zu bringen. "Wir müssen unsere Netze auswerfen und sagen: Wo seid's?". Derzeit werbe die Politik nur dafür, in die Pflege einzusteigen, nicht aber, zu ihr zurückzukehren, sagte Heinisch. Ehemaligen Pflegerinnen und Pflegern müsse aber auch klar gemacht werden, dass sich die Pflege in den letzten Jahren sehr gewandelt habe und nicht mehr so starr sei. "Da gibt es riesiges Potenzial, das wir brachliegen lassen."

Die vergangene Woche im Ministerrat beschlossene Pflegelehre müsse man erst einmal beobachten. Diese sei ein "weiterer Mosaikstein" im Kampf gegen den Pflegemangel. Mehrere Organisationen, darunter der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband, die Arbeiterkammer oder SOS Kinderdorf kritisierten im Vorfeld, dass Jugendliche in den ersten Jahren der Pflegeausbildung als billige Hilfskräfte verwendet werden würden. "Man wird sich die Pilotprojekte genau ansehen und daraus lernen. Aber es nicht zu tun, wäre auch falsch", sagte Heinisch dazu.

Die Vinzenz Gruppe, zu der in Wien u.a. das Orthopädische Spital Speising, das Krankenhaus St. Josef und das Krankenhaus Göttlicher Heiland, aber auch einige Pflegeheime zählen, hat rund 10.000 Mitarbeiter und behandelte im Jahr 2022 rund 170.000 Menschen stationär und 490.000 Menschen ambulant. Finanziert wird die Gruppe großteils über öffentliche Mittel.

ribbon Zusammenfassung
  • In den nächsten Jahren wird der Bedarf an Pflegekräften deutlich steigen.
  • Derzeit spreche man von 75.000 zusätzlichen bis zum Jahr 2030.