Vilimsky bei Online-Reichweite der EU-Kandidaten weit voran
Was Vilimsky und die FPÖ inhaltlich am deutlichsten von den anderen Parteien unterscheidet, ist die gelebte EU-Skepsis. Zwar versichert die Partei immer wieder, keinen "Öxit" zu planen - im Wahlkampf lässt man an der Union aber kaum ein gutes Haar. "Die EU entwickelt sich zur Zensur-Maschine" oder "EU driftet mit Klimaschutz in die Planwirtschaft ab", liest man auf Vilimkys Instagram-Account, unterlegt zumeist mit Links zu passenden Nachrichtenbeiträgen. Auch Korruption der Kommissionspräsidentin wird in den Raum gestellt: "Wieder einmal von der Leyen: Hat sie Parteifreund lukrativen Posten zugeschanzt?".
Umfragen sehen die FPÖ derzeit mit deutlichem Vorsprung vor SPÖ und ÖVP auf Platz eins. Zumindest was die Reichweite auf Social Media betrifft, ist der Vorsprung wohl nicht mehr einzuholen. Mit 274.00 Interaktionen liegt Vilimsky deutlich vor Brandstätter (64.000) und Schilling (61.000), wie eine Auswertung der Postings von Anfang Februar bis Mitte April der Social-Media Marktforschungsagentur Buzzvalue zeigt. Weit abgeschlagen sind SPÖ-Kandidat Andreas Schieder (32.000) und Reinhold Lopatka (ÖVP, 18.000). Aber: "Nicht jedes Like heißt auch eine Wählerstimme", betont Geschäftsführer Markus Zimmer im Gespräch mit der APA.
Überraschenderweise erreichten die Kandidaten die meisten Menschen über den "Social-Media-Dinosaurier" Facebook, betonte Zimmer. Für Vilimsky ist das quasi ein Heimspiel. Seit Heinz-Christian Strache ist die FPÖ auf Facebook am stärksten vertreten, erreicht die meisten Menschen und wendet auch die größten Ressourcen dafür auf. Die Finanzierung von Accounts wurde in den vergangenen Jahren immer wichtiger, erreicht man doch lediglich drei bis fünf Prozent über "organische Reichweite", so Zimmer. Der am meisten geklickte Beitrag aller Kandidatinnen und Kandidaten kam wenig überraschend von Vilimsky. Nachdem die EVP ihre Spitzenkandidatin kürte, forderte er: "Bitte keine zweite Amtszeit für Ursula von der Leyen!".
Die einzige Frau neben den vier Spitzenkandidaten, Lena Schilling, erreicht potenzielle Wähler und Wählerinnen am besten über Instagram, und zwar mit Reels (kurzen Videos), meist mit feministischen Forderungen, etwa am Frauentag/feministischen Kampftag oder am Valentinstag. Die Aktivistin und Neo-Politikerin zeigt sich etwa beim Zähneputzen im Zug zum Kongress der Europäischen Grünen, mit Protestschild ("G'haltets euch die Blumen, wir wollen fairen Lohn") oder einem mit ihrem Konterfei gezierten "Falter"-Cover in der U-Bahn.
Primär auf Text setzt hingegen der pinke Spitzenkandidat Brandstätter. Für die politische Meinungsbildung ist Twitter (X) nach wie vor der wichtigste Kanal, sagte Zimmer. "Was heute auf Twitter steht, kann schon morgen in der Zeitung stehen".
Noch keine große Rolle im Online-Wahlkampf spielen Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP). Vilimsky erzielte bisher zehnmal so viele Interaktionen wie der SPÖ-Kandidat und fast fünfzehnmal so viele wie jener der ÖVP. Zurückhaltend bei Werbeausgaben waren bis jetzt noch alle fünf Parteien. Zimmer ist aber überzeugt, dass in der heißen Phase des Wahlkampfs alle in ihren Social-Media-Auftritt investieren werden.
Deutlich weniger als Facebook, Instagram und Twitter punkten die Spitzenkandidaten und die Spitzenkandidatin derzeit mit Tiktok. "Gerade um sich von anderen Kandidaten abzugrenzen, wäre das ein super Kanal, um Inhalte so spannend wie möglich und humoristisch zu kommunizieren." Dass das chinesische Videoportal im EU-Wahlkampf noch nicht ganz angekommen ist, hat auch den Experten überrascht: "Es wird in den nächsten Wochen und Monaten mehr werden und bei der Nationalratswahl ein großes Thema sein."
Anlaufen wird bald auch der Plakatwahlkampf. Die NEOS, SPÖ und FPÖ präsentierten diese Woche ihre ersten Sujets, die ÖVP wird das auch bald tun. Die Sozialdemokraten wollten Wahlkampf dabei wohl nicht neu erfinden: Schieder präsentiert sich klassisch im Anzug hinter Slogans wie "Europa fair gestalten" oder "Schluss mit Steuerschlupflöchern".
Brandstätter ist auf den Plakaten der NEOS vorerst nicht zu sehen, im Mittelpunkt stehen Fragen wie "Was schützt vor Trump?" und "Was stoppt Putin?". Die Antwort, nämlich ein geeintes Europa, wird in der zweiten Welle kommende Woche gegeben, dann auch mit dem Bild Brandstätters. Ein Foto Vilimskys findet man auch nur bei den NEOS: Mit einem Bild des FPÖ-Spitzenkandidaten will man vor einem "Öxit" warnen, allerdings nur auf einem Onlinesujet. Die FPÖ selbst setzt auf den Slogan "EU-Wahnsinn stoppen", dahinter schwarz-weiße Abbildungen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj auf einem Foto, auf dem sie einander zur Begrüßung umarmen und es aussieht, als würden sie sich küssen. Daneben ein Flüchtlingsboot, ein Panzer, unter dem Stichwort "Corona-Chaos" eine Spritze und neben "Öko-Kommunismus" Windräder.
Zusammenfassung
- Harald Vilimsky (FPÖ) dominiert mit 274.000 Interaktionen die Social-Media-Reichweite unter den EU-Kandidaten, gefolgt von Helmut Brandstätter (NEOS) mit 64.000 und Lena Schilling (Die Grünen) mit 61.000.
- Die FPÖ, bekannt für ihre EU-Skepsis, kritisiert in ihrem Wahlkampf die Europäische Union und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, lehnt aber einen 'Öxit' ab.
- Facebook erweist sich als wichtigste Plattform, um Wähler zu erreichen, wobei die FPÖ die meisten Ressourcen in ihren Social-Media-Auftritt investiert.
- Lena Schilling erreicht vor allem über Instagram mit feministischen Inhalten Aufmerksamkeit, während Helmut Brandstätter auf Twitter für politische Diskussionen setzt.
- Trotz hoher Online-Interaktionen betont Markus Zimmer von Buzzvalue, dass nicht jedes Like einer Partei auch eine Wählerstimme bedeutet.