Verfassungsgericht kippt Teile der Corona-Verordnungen
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat über die Covid-19-Gesetze entschieden. Die wichtigsten Entscheidungen:
- Es ist verfassungskonform, dass das COVID-19-Maßnahmengesetz – anders als das Epidemiegesetz 1950 – keine Entschädigungen für Betriebe vorsieht, die als Folge eines Betretungsverbots geschlossen wurden.
- Die gesetzliche Grundlage für Betretungsverbote in Bezug auf Betriebsstätten, Arbeitsorte und sonstige bestimmte Orte ist ebenso verfassungskonform.
- Das Betretungsverbot für Geschäfte mit einem Kundenbereich von mehr als 400 m2 war gesetzwidrig.
- Teilweise gesetzwidrig war auch die Verordnung über das Betretungsverbot für öffentliche Orte.
Betretungsverbot von öffentlichen Orten
Die Verordnung über das Betretungsverbot öffentlicher Orte sei teilweise rechtswidrig, stellte der VfGH fest. Das Covid-19-Maßnahmengesetz sah vor, dass das Betreten bestimmter Orte verboten werden könne. D.h. Man kann nicht prinzipiell nicht den Zugang zu allen öffentlichen Orten untersagen. Ein solches umfassende Verbot sei vom Maßnahmengesetz nicht gedeckt, urteilt der VfGH. Wortwörtlich: „Dieses Gesetz bietet keine Grundlage dafür, eine Verpflichtung zu schaffen, an einem bestimmten Ort, insbesondere in der eigenen Wohnung, zu bleiben."
Entschädigung
Bezüglich der Entschädigung – laut Epidemiegesetz 1950, das durch das Covid-19-Gesetz derogiert wurde – sieht der VfGH keinen Verstoß, da die „wirtschaftlichen Auswirkungen“ durch Hilfsmaßnahmen und Beihilfen abgefedert würden. Auch wenn das Betretungsverbot faktisch einem Betriebsverbot gleichkomme und es einen „erheblichen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht“ bilde, verstoße es weder „gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums noch gegen den Gleichheitsgrundsatz“. Das Betretungsverbot würde keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht darstellen.
Die Regelung von 1950 habe zudem nur die Schließung einzelner Betriebe, aber nicht großräumige Betriebsschließungen im Auge gehabt.
Baumärkte
Durften Supermärkte und Co. weiter offen haben, durften andere Geschäfte mit einem Kundenbereich über 400 m2 nicht betreten werden. Bau- und Gartenmärkte wurden ebenfalls geschlossen – unabhängig von ihrer Größe. Daran stieß sich der VfGH nicht, allerdings an der darauffolgenden Lockerung. Es sei eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, dass Läden mit weniger als 400 m2 Verkaufsfläche und Bau- und Gartenmärkte generell wieder aufmachen durften, das Betretungsverbot für alle anderen größeren Geschäfte aber bis 30. April weiter galt, gab der VfGH den Unternehmen recht, die sich deshalb an ihn gewandt hatten.
19 von rund 70 Fällen
Mit diesen in einer zusätzlichen Session in der Vorwoche getroffenen und am Mittwoch veröffentlichten Entscheidungen sind 19 der dem VfGH vorliegenden rund 70 Fälle - die bis zum Beginn der Juni-Session eingelangt waren - erledigt.
Harley-Davidson-Anwalt zu VfGH-Urteil
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Anschober: "Wo viel Zeitdruck ist, passieren Fehler"
Gesundheitsminister Rudolf Anschober äußerte sich am Rande einer Pressekonferenz zu dem Entscheid. Er betonte, die Prüfung sei "selbstverständlich richtig und legitim". "Wo viel Zeitdruck ist, passieren Fehler", erklärte der Minister. Aber man habe "die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt". Positiv sei, dass der VfGH das Maßnahmengesetz in den Grundzügen bestätigt habe. Man nehme die Entscheidung zur Kenntnis und "wir werden das in Zukunft berücksichtigen". Das heißt vor allem: "präziser formulieren." Das besonders in Bezug auf die Betretungsverbote und Ausgangsbeschränkungen. Man werde die Entscheidung analysieren und "möglichst bürgerfreundliche Lösungen" finden.
Kogler verteidigt Gesetze
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat die Coronagesetze trotz Beanstandungen des VfGH verteidigt. Die Juristen der Regierung hätten "alles nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt, es musste alles in kurzer Zeit geschehen", sagte er am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz. Das Covid19-Maßnahmengesetz sei außerdem in seinen inhaltlichen Bestimmungen bestätigt worden.
Ein Lockdown eine Woche später hätte eine Vervierfachung der Zahlen gebracht, argumentierte der Vizekanzler erneut. Die Frage nach den Bestimmungen, etwa die Verhängung von Strafen durch die Exekutive, werde derzeit untersucht. Die Teilung in Kategorien, etwa bei Geschäften, sei aber weiterhin eine Möglichkeit. "Es ist das Ziel, die bürgerfreundlichsten Lösungen zu finden", so Kogler.
Edtstadler zurückhaltend
Edtstadler äußerte sich dazu zurückhaltend. Sie habe "höchsten Respekt und Anerkennung" für das Erkenntnis, müsse es aber erst im Detail prüfen: "Wir werden die Lehren daraus ziehen."
Versäumnisse in ihrer Rolle als Verfassungsministerin sieht Edtstadler bei sich nicht, wie sie auf Nachfrage klar machte. "Eine Verordnung wird immer im Aufgabenbereich des jeweiligen Ministers erstellt", betonte Edtstadler, ohne Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) namentlich zu nennen. Sie habe die Expertise des Verfassungsdienstes im Kanzleramt dafür angeboten.
Reaktion der Opposition
Zusammenfassung
- Der Entfall von Entschädigungen für Betriebe sei verfassungskonform, das Betretungsverbot für Geschäfte über 400 Quadratmeter gesetzwidrig.
- Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat über die Covid-19-Gesetze entschieden.
- Teilweise gesetzwidrig war auch die Verordnung über das Betretungsverbot für öffentliche Orte.
- "Wo viel Zeitdruck ist, passieren Fehler", erklärte der Minister.
- Aber man habe "die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt".