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Verbotsgesetz: Kritik an neuer Novelle

Mit einer im Juni präsentierten Gesetzesnovelle soll das NS-Verbotsgesetz verschärft werden. Die Begutachtungsfrist dafür endet am 19. Juli. Vor allem die Möglichkeit der Diversion für Erwachsene stößt bei vielen auf Kritik. Positiv erachten das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ), ÖGB und auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hingegen, dass Beamte im öffentlichen Dienst bei einer rechtskräftigen Verurteilung künftig automatisch ihren Job verlieren.

Durch die Gesetzesänderung soll auch etwa gegen das Tragen von gelben modifizierten Judensternen, wie es im Zuge der "Corona-Demonstrationen" stattfand, effektiver vorgegangen werden können. Den Plänen zufolge wird etwa auch strafbar, wenn einschlägige Inhalte vom Ausland aus mit Zielrichtung Österreich gepostet werden. Weiters soll es eine neue Regelung den Behörden ermöglichen, NS-Devotionalien auch ohne Strafverfahren aus dem Verkehr zu ziehen. Derzeit können Gegenstände nur eingezogen werden, wenn Wiederbetätigung vorliegt. Bloßer Besitz ist nicht strafbar. Ermöglicht werden soll auch die Diversion bei Erwachsenen.

Gerade der letzte Punkt stößt dem MKÖ sauer auf. "Jeder Eindruck einer Bagatellisierung dieser Straftaten muss vermieden werden. Zumeist handeln schon erwachsene Ersttäter aufgrund einer gefestigten NS-Ideologie (..)", heißt es in der Stellungnahme. Größtenteils sei die Novelle zwar eine Verbesserung, das MKÖ übt jedoch in zwei weiteren Punkten Kritik: Wer den Holocaust leugnet, kann dafür nur bestraft werden, wenn er das vor mindestens zehn Personen tut. Bestraft würde so "wer vor einer einzigen Person den Hitler-Gruß zeigt, aber nicht strafbar wäre, wer am Stammtisch von neun Leuten den Holocaust lobt", sagte MKÖ-Vorstandsmitglied Robert Eiter. Bisher stand bei der Holocaustverharmlosung keine genaue Personenzahl im Gesetz, in der Rechtssprechung wurde das aber meist als rund 30 Personen interpretiert. Gegenüber der Tageszeitung "Der Standard" hieß es "aus mit der Sache befassten Kreisen" dass die Ausweitung von drei Personen im ersten Entwurf auf zehn ein Wunsch der ÖVP gewesen sei.

Bei Auslandsdelikten stößt sich das MKÖ daran, dass die Justiz in Österreich erst tätig werden könne, wenn "es sich um eine Mitteilung oder Darbietung in einem Medium handelt, die im Inland abgerufen oder empfangen werden konnte und geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu verletzen." Das sei ein "echtes Geschenk für alle Strafverteidiger von Neonazis", so Eiter.

Unterstützung für die Novelle kam vom Oberlandesgericht Wien. Jedenfalls sei aber mit einer Mehrbelastung zu rechnen, der nur mit mehr Personal begegnet werden könne. "Sollten die dafür notwendigen Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, kann von diesem Gesetzesvorhaben nur abgeraten werden." Mit einer Mehrbelastung rechnen auch das Landesgericht Klagenfurt und die Vereinigung der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen. Das Finanzministerium hingegen geht davon aus, dass der Arbeitsanfall für die örtlich zuständigen Landesgerichte und Staatsanwältinnen und Staatsanwaltschaften sich über das gesamte Bundesgebiet verteilen und "sich mit den in der Justiz vorhandenen personellen Ressourcen bewältigen lassen" wird. Das BMF setzt voraus, dass der budgetäre Mehraufwand "jedenfalls im vorgegebenen Personal- und Budgetrahmen bedeckt wird."

Begrüßt wird von den Staatsanwälten die Neuregelung bei der Einziehung von NS-Devotionalien, sei es doch in der Vergangenheit mangels entsprechender Befugnis wiederholt notwendig gewesen, einschlägige Gegenstände wieder zurückzugeben - auch an Personen, die als "Gesinnungstäter" galten. Einen möglichen "Bagatellisierungseffekt" durch diversionelles Vorgehen wie das MKÖ sieht die Vereinigung von Staatsanwälten und Staatsanwältinnen nicht. Dieses werde "die Ausnahme und nicht die Regel" sein. Diskutieren sollte man laut der Vereinigung die Zuständigkeit. Für Vergehen nach dem Verbotsgesetz sind Geschworenengerichte zuständig, idente Tathandlungen würden von verschiedenen Geschworenengerichten aber unterschiedlich beurteilt werden, weshalb eine Verschiebung zu Schöffengerichten, die mit Beteiligung von Berufsrichtern entscheiden, möglich wäre.

Grundsätzlich begrüßt auch die Gewerkschaft die Gesetzesänderung. "Völlig verfehlt" sei jedoch die Möglichkeit der Diversion für Erwachsene. "Ein wichtiger Lückenschluss" sei der geplante automatische Jobverlust, hält die Arbeiterkammer fest. Die diversionelle Erledigung würde hier in der Praxis jedoch eine erhebliche Rolle spielen, da dieser nur bei rechtskräftigen Verurteilungen droht. "Jedes verbotsgesetzwidrige Handeln eines Beamten, das geeignet ist, die demokratische Republik Österreich in Zweifel zu ziehen, sollt zu einem Amtsverlust führen." Auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) begrüßt den Jobverlust im öffentlichen Dienst. Weiters solle die Grenze des Personenkreis nach unten korrigiert werden, betonen ÖGB und AK. Die AK begrüßt weiters die Möglichkeit, Gegenstände einzuziehen, auch wenn diese noch nicht zur Begehung einer Straftat verwendet wurden. Was als einschlägiger Gegenstand zählt, solle jedoch noch weiter präzisiert werden.

Unterstützt wird die Novelle in Stellungnahmen weiters vom Obersten Gerichtshof sowie den zuständigen Ämtern der Wiener sowie der Salzburger Landesregierung. Die Zahl der Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz ist laut Statistik Austria in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Während es 2010 noch 40 Verurteilungen waren, stieg die Zahl 2015 auf 67, im Jahr 2020 dann auf 128. Im Jahr 2021 waren es 207 Verurteilungen, 2022 dann 215.

ribbon Zusammenfassung
  • Mit einer im Juni präsentierten Gesetzesnovelle soll das NS-Verbotsgesetz verschärft werden.
  • Vor allem die Möglichkeit der Diversion für Erwachsene stößt bei vielen auf Kritik.
  • "Jedes verbotsgesetzwidrige Handeln eines Beamten, das geeignet ist, die demokratische Republik Österreich in Zweifel zu ziehen, sollt zu einem Amtsverlust führen."
  • Auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) begrüßt den Jobverlust im öffentlichen Dienst.