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UNO-Ermittler wollen trotz Ukraine-Waffenruhe weiterarbeiten

Heute, 13:14 · Lesedauer 3 min

Die unabhängige Untersuchungskommission zu Kriegsverbrechen in der Ukraine will ihre Arbeit auch bei einer Waffenruhe fortsetzen. Dies betonte ihr Vorsitzender Erik Møse am Freitag vor Journalisten in Wien. Sollte das Mandat der Kommission vom UNO-Menschenrechtsrat Anfang April verlängert werden, "werden wir weiterarbeiten". Die Erfahrung zeige nämlich, dass die Rechenschaftspflicht (für Verbrechen) Friedensprozesse "nachhaltiger" mache, betonte er.

Ähnlich äußerte sich die indische Anwältin Vrinda Grover, die gemeinsam mit dem norwegischen Richter Møse und dem kolumbianischen Ex-UNO-Sonderbeauftragten Pablo de Greiff die Kommission bildet. "Wir sind überzeugt davon, dass das Thema Rechenschaftspflicht jeglichem Friedensprozess zugrundeliegen sollte", betonte Grover. "Was uns betrifft, so werden wir uns durch keinerlei Entwicklungen im politischen Bereich behindern lassen." Sollte der UNO-Menschenrechtsrat das Mandat der Kommission Anfang April verlängern, werde man die Arbeit unverändert fortsetzen.

Die Kommission war kurz nach dem Beginn der russischen Aggression im Frühjahr 2022 vom UNO-Menschenrechtsrat eingesetzt worden, um Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln. Am Mittwoch legte sie dem Genfer UNO-Gremium ihren aktuellen Bericht vor. In diesem stellte sie erneut fest, dass der Aggressorstaat in der Ukraine Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt hat, konkret durch das systematische Verschwindenlassen von Zivilisten und Folter. Die unabhängigen Experten erheben aber auch Vorwürfe gegenüber der ukrainischen Seite, etwa was den Umgang mit vermeintlichen Kollaborateuren betrifft. Die diesbezügliche Strafbestimmung sei "zu breit gefasst", moniert die UNO-Kommission. Beiden Kriegsparteien wird zudem vorgeworfen, verwundete und wehrlose Soldaten mit Kampfdrohnen zu töten statt sie gefangen zu nehmen.

Während die ukrainische Seite mit der Kommission kooperiert, wird sie von der russischen komplett geschnitten. Grover betonte, dass man weiterhin den Kontakt zu den russischen Behörden suche. Man habe 31 Anfragen formuliert, "aber wir haben keinerlei Information erhalten". Møse ergänzte, dass es manchmal überhaupt keine Antwort gebe oder nur die kurze Mitteilung, dass Russland nicht mit der Kommission zusammenarbeite.

"Haben es mit Einschränkung der Ressourcen zu tun"

Møse und Grover beklagten, dass die Kommission aufgrund der Geldknappheit der Vereinten Nationen massiv bei der Zahl ihrer Ermittler einsparen musste. "Wir haben es mit einer Einschränkung der Ressourcen zu tun", sagte die indische Juristin. Trotzdem wolle man die Arbeit fortsetzen. Die gesammelten Informationen - darunter auch Namen von mutmaßlichen Tätern - seien auch schon mehreren internationalen und nationalen Staaten zur Verfügung gestellt worden, sagte der frühere Richter am UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ruanda.

In ihrer dreijährigen Ermittlungstätigkeit hat die Kommission die Aussagen von 929 Frauen und 851 Männern gesammelt und unzählige Dokumente ausgewertet. Das gesammelte Material soll gerichtlichen Anforderungen genügen, doch selbst wollen die Experten nicht urteilen. "Wir sind kein Gericht, wir sind eine Untersuchungseinrichtung. Es liegt an anderen internationalen Mechanismen für die Rechenschaftspflicht, unser Material zu nutzen. Das kann schneller gehen oder länger dauern", sagte Møse auf die Frage, wie bzw. von welcher Stelle die im Ukraine-Krieg begangenen Verbrechen verfolgt werden soll.

Sondertribunal für die Ukraine "eine Möglichkeit"

Ein Sondertribunal für die Ukraine sei "eine Möglichkeit", doch müssten dafür noch einige Fragen geklärt werden, sagte Møse auf eine entsprechende Frage. Zugleich verwies er darauf, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ein "breites Mandat" für die Verfolgung von Verbrechen habe. Klar sei aber, dass der IStGH sich nicht mit dem Verbrechen der Aggression befassen könne.

Explizit keine Antwort wollte er auf die Frage geben, ob auch Kreml-Chef Wladimir Putin zur Rechenschaft gezogen werden soll. "Wir identifizieren mögliche Täter, aber wir publizieren deren Namen nie", betonte er.

Zusammenfassung
  • In ihrem aktuellen Bericht wirft die Kommission beiden Kriegsparteien Verbrechen vor, darunter das Töten von Verwundeten mit Drohnen. Die russische Seite kooperiert nicht, während die Ukraine mit der Kommission zusammenarbeitet.
  • Die Kommission hat in drei Jahren 929 Frauen und 851 Männer befragt und sieht ein Sondertribunal als Möglichkeit. Aufgrund finanzieller Einschränkungen musste die Zahl der Ermittler reduziert werden.