UN: Getreideabkommen bleibt in Kraft - Schiffe unterwegs
"Unser Verständnis ist, dass Initiative und Verpflichtungen auch während der Aussetzung der Teilnahme Russlands in Kraft bleiben", sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths am Montag bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Am Montag seien zwölf Schiffe aus ukrainischen Häfen ausgelaufen.
Russland hat "vorübergehend" Aktivitäten eingestellt
Zwei steuerten die Ukraine an, um Lebensmittel zu laden. Es blieb zunächst unklar, ob die Vereinten Nationen den Export der Getreidelieferungen auch auf lange Sicht ohne Russlands Teilnahme fortführen wollen. Griffiths betonte, dass Russland sich von der Vereinbarung nicht zurückgezogen, sondern nur "vorübergehend" seine Aktivitäten eingestellt habe. "Wir freuen uns darauf, sie (die Russische Föderation) so bald wie möglich wieder als vollwertige und aktive Teilnehmer an der Erfüllung der Ziele, die wir entwickelt haben, willkommen zu heißen".
Russland hatte am Samstag das unter Vermittlung der Türkei und der UN geschlossene Abkommen ausgesetzt. Zur Begründung nannte Moskau Drohnenangriffe Kiews auf seine Schwarzmeerflotte. Die Ukraine habe für diese Attacken den Schutz des Korridors ausgenutzt. Am Montag unterstrich das Moskauer Verteidigungsministerium die Vorwürfe. Die Nutzung eines Schiffkorridors im Schwarzen Meer sei "inakzeptabel", da ihn die Ukraine für militärische Einsätze gegen die Russische Föderation nutze.
Ukraine will Getreide-Export fortsetzen
Die Ukraine will den Getreide-Export über das Schwarze Meer trotz der russischen Aussetzung des Abkommens fortsetzen. Sein Land werde fortfahren wie mit den UN und der Türkei vereinbart, kündigt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an. Er äußerte sich nach Gesprächen mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala.
Die Vereinten Nationen stellten die von Moskau genannten Gründe für die Aussetzung des Getreideabkommens mit der Ukraine aber in Frage und schlossen eine Beteiligung von Getreidefrachtern an dem angeblichen Drohnen-Angriff auf Schiffe der russischen Schwarzmeer-Flotte nahe Sewastopol auf der Krim aus. Getreidefrachter, die im Rahmen des UN-Abkommens unterwegs gewesen seien, seien nicht involviert gewesen, sagte Griffiths.
Russland hatte zuvor erklärt, es wolle trotz der Aussetzung des Getreideabkommens seine bilateralen Abkommen einhalten. Der russische Sondergesandte für den Nahen Osten und Afrika, Mikhail Bogdanow, erklärte am Montag laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS: "Wir werden alle Vereinbarungen mit unseren Partnern einhalten, einschließlich Ägypten", so Vize-Außenminister Bogdanow.
Ägypten hob er als "wichtigen Partner" hervor, mit dem in verschiedenen Bereichen in "enormem" Ausmaß zusammengearbeitet werde. "Bestimmte Themen werden diskutiert und ich denke, dass die besten Lösungen gefunden werden, die es uns ermöglichen, die Zusammenarbeit fortzusetzen, die sehr wichtig und für beide Seiten vorteilhaft ist. Wir sind immer bereit, unsere Partner in Nord- und Zentralafrika zu unterstützen", fügte der Diplomat hinzu.
Kreml-Sprecher: Unterstützung für ärmste Länder
Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow unterstrich, Russland wolle die ärmsten Länder weiter unterstützen. Besondere Maßnahmen müssten noch ausgearbeitet werden. "Wir können bisher die Bereitschaft der russischen Seite garantieren, den Mengenrückgang auf unsere Kosten auszugleichen", sagte Peskow laut TASS und wies darauf hin, dass auf die ärmsten Länder nur ein kleiner Teil des gesamten im Rahmen dieses Abkommens gelieferten Getreides entfalle. Der Rest werde von anderen Ländern als den ärmsten bezogen.
Peskow machte keine Angaben zu möglichen Bedingungen für eine Fortsetzung des Getreideabkommens. Dies sei eine "herausfordernde Frage", die er noch nicht beantworten könne. Die Kontakte zur Türkei und zu den Vereinten Nationen würden fortgesetzt, hieß es. Ohne Russland sei das Abkommen "kaum umsetzbar" und werde "naturgemäß immer riskanter", warnte er, wenn Russland eine sichere Schifffahrt in den angegebenen Gebieten nicht gewährleisten könne.
Erdogan: Werden Bemühungen fortsetzen
Die Türkei will sich nach Angaben von Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter für eine Aufrechterhaltung des am Samstag von Russland "auf unbestimmte Zeit" ausgesetzten Abkommens zur Lieferung von ukrainischen Getreideexporten über das Schwarze Meer einsetzen. "Auch wenn Russland sich zögerlich verhält, weil es nicht die gleichen Vorteile erhalten hat, werden wir unsere Bemühungen im Dienste der Menschheit entschlossen fortsetzen", erklärt Erdogan am Montag.
"Unsere Bemühungen, diesen Weizen in Länder zu liefern, die von Hunger bedroht sind, sind offensichtlich. Mit dem gemeinsamen Mechanismus, den wir in Istanbul eingerichtet haben, haben wir zur Linderung einer globalen Nahrungsmittelkrise beigetragen." Durch das Abkommen seien bisher 9,3 Millionen Tonnen Nahrungsmittel auf die Weltmärkte gelangt.
Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar will am Abend mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Schoigu wegen der Aussetzung des Getreideabkommens telefonieren. "Die Aussetzung dieser Initiative wird niemandem etwas nutzen", betreffe aber die ganze Menschheit, so Akar.
Zwölf Getreide-Schiffe ausgelaufen
Am Montag haben nach Angaben der Ukraine trotz der einseitigen Schritte Russlands zwölf Schiffe von ihren Schwarzmeer-Häfen abgelegt. Das teilte das Infrastrukturministerium in Kiew mit. Russland sei über die Wiederaufnahme der Schiffslieferungen informiert worden. Ein Sprecher der Vereinten Nationen erklärte, dass die im Rahmen des Abkommens vereinbarten Inspektionen der Frachter wiederaufgenommen worden seien.
Ein erstes Schiff habe bereits die Freigabe zur Weiterfahrt erhalten. Die Militärverwaltung der Hafenstadt Odessa teilte mit, an Bord der am Montag ausgelaufenen Frachter befinde sich eine Rekordmenge von 354.500 Tonnen Agrarprodukten. Laut dem Infrastrukturministerium in Kiew ist unter den Schiffen auch die "Ikaria Angel", die im Auftrag des UNO-Welternährungsprogramms fährt. Die Ladung von 40.000 Tonnen Getreide sei für Äthiopien bestimmt.
Die Ukraine und Russland zählen weltweit zu den größten Getreideexporteuren. Viele Entwicklungsländer sind von Lieferungen des Grundnahrungsmittels zu niedrigen Preisen abhängig. Das im Juli vermittelte Abkommen sollte den weltweiten Anstieg der Getreidepreise dämpfen. Seitdem wurden mehrere Millionen Tonnen Mais, Weizen, Sonnenblumenprodukte, Gerste, Raps und Soja aus der Ukraine exportiert. Vertreter der UNO hatten sich noch am Mittwoch zuversichtlich gezeigt, dass die ursprünglich auf 120 Tage begrenzte Vereinbarung über Mitte November hinaus verlängert werden könne.
Zusammenfassung
- Trotz einer von Russland angekündigten Aussetzung des Getreideabkommens mit der Ukraine kann der Export nach Lesart der Vereinten Nationen weitergehen.
- "Unser Verständnis ist, dass Initiative und Verpflichtungen auch während der Aussetzung der Teilnahme Russlands in Kraft bleiben", sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths.
- Am Montag seien zwölf Schiffe aus ukrainischen Häfen ausgelaufen.