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Ukrainischer Oligarch Firtasch fühlt sich wohl in Wien

Der korruptionsverdächtige ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch fühlt sich wohl in Österreich. Wien sei ihm "ans Herz gewachsen", sagte er der "Kronen Zeitung" (Sonntagsausgabe). "Wir haben viele Firmen hierher verlegt, ich bin nicht mehr auf Geschäftsreise", erläuterte er. Österreich sehe er nicht als sein Gefängnis an. Mit Blick auf ein seit zehn Jahren blockiertes US-Auslieferungsersuchen lobte er auch in der "Presse am Sonntag" Österreichs "faire Justiz".

Firtasch war im März 2014 in Wien wegen eines Auslieferungsersuchens der USA festgenommen worden, kam dann aber gegen eine Kaution von 125 Millionen Euro frei. Seitdem stemmen sich seine Anwälte mit allen möglichen Mitteln gegen die Auslieferung, mit dem Argument, dass ihr Mandant in den USA kein faires Verfahren erwarten kann. Nach einem juristischen Ping-Pong-Spiel, das bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) ging, bewilligte das Wiener Oberlandesgericht (OLG) im vergangenen Juni eine Wiederaufnahme des Verfahrens, das damit wieder zurück an den Start geht. Im Verfahren geht es um angebliche Schmiergeldzahlungen Firtaschs an indische Politiker in Höhe von mindestens 18,5 Millionen US-Dollar (16,98 Mio. Euro), die im Zusammenhang mit einem nie realisierten Titangeschäft geflossen sein sollen. Firtasch bestreitet den Vorwurf, er habe sich in Indien ab 2006 gemeinsam mit anderen Personen als Teil einer kriminellen Vereinigung Lizenzen zum Mineral-Abbau gesichert.

Im "Krone"-Interview sagte Firtasch, dass er sein Hauptgeschäft weiterhin in der Ukraine habe und "in sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten" mit der Führung in Kiew in Kontakt stehe. "Wir helfen, so gut wir können - vor allem mit Geld", sagte er, ohne Details zu nennen. Der frühere Hauptunterstützer des im Jahr 2014 durch Massenproteste gestürzten pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch äußerte auch die Erwartung, dass die Ukraine die westliche Hilfe nach Kriegsende in voller Höhe werde zurückzahlen müssen. "Nichts auf der Welt ist gratis", sagte er. Die Regierung in Kiew müsse auch den Millionen Kriegsflüchtlingen "ein Angebot machen". "Je länger der Krieg dauert, desto schwieriger wird es", so Firtasch in dem Gespräch, in dem kein einziges Wort über die Kriegsursache - der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf das Nachbarland - verloren wurde.

Vielmehr gab der Oligarch der "Kronen Zeitung" zu Protokoll, die Menschen in seiner Heimat würden glauben, "mit einem EU-Beitritt wären alle Probleme gelöst". "Man muss den Menschen erklären, was das bedeutet. Es gibt nichts geschenkt, man muss hart arbeiten, um Teil davon zu sein", so Firtasch. "Nach zehn Jahren in Wien kann ich sagen, dass jeder Österreicher hart arbeitet, um gut über die Runden zu kommen. Es gibt keine Wunder - du musst hart arbeiten und schauen, wie du deine Rechnungen bezahlst."

Im Interview mit der "Presse am Sonntag" übte er deutliche Kritik an der aktuellen Führung der Ukraine. Dass diese die Möglichkeit von Gesprächen mit dem Kreml ausschließe, sei "ein Fehler". "Wir sollten den Verhandlungsprozess aufnehmen", forderte er. "Der ukrainische Patriotismus allein wird uns nicht retten. Die Möglichkeiten der Ukraine sind beschränkt. Russland ist groß", betonte Firtasch, der auch schwere Vorwürfe gegen den früheren ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko erhob. Poroschenko habe nämlich im Jahr 2019 die ukrainische Verfassung ändern und den Wunsch nach einem NATO-Beitritt verankern lassen. Dieser sei für Kreml-Chef Putin "eine rote Linie" gewesen. Auf die folgende Frage, ob die Ukraine somit selbst schuld am Angriff Putins sei, antwortete Firtasch: "Als wir die Unabhängigkeit erhielten, haben wir bestimmte Verpflichtungen auf uns genommen. Wir haben unsere Atomwaffen abgegeben und uns zur Neutralität verpflichtet. Später haben wir unsere Position in Bezug auf die Neutralität zumindest aus russischer Sicht revidiert. Wie auch immer: Putin hat sich für den Krieg entschieden." Dass Putin in der Zwischenzeit bereits die ukrainische Halbinsel Krim annektiert und auch große Teile der Ostukraine faktisch besetzt hatte, erwähnte Firtasch nicht.

Firtasch versuchte auch seine eigenen Justizprobleme in der Ukraine vom Tisch zu wischen. "Leider ist die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine sehr schwach ausgeprägt. Manche meinen etwas zynisch: Wenn du in der heutigen Ukraine nicht 20 Strafverfahren am Hals hast, bist du kein erfolgreicher Geschäftsmann. So läuft das leider in unserem Staat", sagte er im "Presse am Sonntag"-Interview. Der Vorwurf, er habe mit seinen Gasverteilerfirmen dem ukrainischen Staat Schaden zugefügt, sei "absurd".

Firtasch galt wichtigster Financier und Vertrauter des früheren Präsidenten Janukowitsch, der Anfang 2014 nach pro-europäischen Protesten aus dem Land geflohen war. Ende 2015 forderte Firtasch dessen Nachfolger Petro Poroschenko in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters öffentlich zum Rücktritt auf. Ein Vermögen machte der Oligarch mit dem Import von russischem Gas über das Gemeinschaftsunternehmen RosUkrEnergo. In Österreich gründete er inmitten des Tauziehens um seine Auslieferung eine "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" und setzte Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) als dessen Chef ein. Beobachter sahen dies als Versuch der politischen Landschaftspflege während des gegen Firtasch laufenden Justizverfahrens. In einem Interview wies der Oligarch aber jeglichen Zusammenhang zwischen der Thinktank-Finanzierung und dem Auslieferungsverfahren zurück.

ribbon Zusammenfassung
  • Der ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch fühlt sich in Wien heimisch, lobt die österreichische Justiz und lehnt eine Auslieferung an die USA ab.
  • Seit seiner Festnahme 2014 wehrt er sich gegen die Auslieferung, die auf Vorwürfen von Schmiergeldzahlungen an indische Politiker in Höhe von mindestens 18,5 Millionen US-Dollar basiert.
  • Trotz der juristischen Auseinandersetzungen pflegt Firtasch wirtschaftliche Beziehungen zur Ukraine und unterstützt das Land finanziell.
  • Er kritisiert die ukrainische Führung und plädiert für Gespräche mit Russland, sieht die EU-Mitgliedschaft jedoch nicht als Lösung aller Probleme.
  • Firtasch war als wichtiger Unterstützer des gestürzten Präsidenten Janukowitsch bekannt und gründete in Wien eine 'Agentur zur Modernisierung der Ukraine'.