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Ukraine droht Wegfall von US-Waffenhilfen zum Jahreswechsel

Die vom US-Kongress bewilligten Mittel für die Ukraine werden nach Angaben der Regierung in Washington zum Jahresende komplett aufgebraucht sein. In dem von Russland überfallenen Land tobten auch am Montag schwere Kämpfe und jeden Tag rechnet die Führung in Kiew mit massiven Schlägen gegen das Stromnetz.

Wenn das US-Parlament nicht handle, werde die Regierung ab Neujahr keinerlei Mittel mehr haben, um weitere Waffen und Ausrüstung für die Ukraine zu beschaffen oder Ausrüstung aus eigenen Militärbeständen an Kiew zu liefern. Das schrieb die Direktorin des nationalen Haushaltsamtes in den USA, Shalanda Young, in einem Brief an die Führung in beiden Kongresskammern. Das Weiße Haus veröffentlichte das Schreiben am Montag. Young rief den Kongress darin eindringlich zum Handeln auf: "Wir haben kein Geld mehr - und fast keine Zeit mehr."

Es gebe "keinen magischen Topf", aus dem Mittel abgezapft werden können, warnte Young. Sollte der Fluss an Waffen und Ausrüstung aus den USA unterbrochen werden, dann werde das die Ukraine "auf dem Schlachtfeld in die Knie zwingen". Dies gefährde nicht nur die Erfolge Kiews, sondern steigere auch die Wahrscheinlichkeit russischer Siege. "Wenn unsere Hilfe eingestellt wird, wird das für die Ukraine erhebliche Probleme verursachen." Auch wenn die internationalen Partner ihre Unterstützung aufgestockt hätten, könnten sie die Hilfen der USA nicht ausgleichen.

Young listete auf, was von den bisher bewilligten Mitteln bereits abgerufen sei. So habe das Pentagon bereits 97 Prozent seiner für die Ukraine genehmigten Mittel aufgebraucht. Das für die wirtschaftliche Hilfe des Landes vorgesehene Geld sei bereits vollständig abgerufen. "Wenn die Wirtschaft der Ukraine zusammenbricht, werden sie nicht mehr in der Lage sein, weiter zu kämpfen", warnte sie.

US-Präsident Biden hatte das Parlament im Oktober um 61,4 Milliarden Dollar (56,5 Milliarden Euro) für die Ukraine gebeten. Eine Einigung im Repräsentantenhaus wird jedoch unter anderem dadurch erschwert, dass es innerhalb der republikanischen Fraktion Uneinigkeit über die Ukraine-Hilfen gibt.

Mike Johnson, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, reagierte im Onlinedienst X, vormals Twitter, auf den Brief - und spielte den Ball an die Biden-Regierung zurück. Diese habe es versäumt, auf "die berechtigten Bedenken meiner Fraktion hinsichtlich des Fehlens einer klaren Strategie für die Ukraine einzugehen", erklärte Johnson.

Teile der Republikaner fordern als Gegenleistung für die Unterstützung eines neuen Pakets für die Ukraine eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik an der Grenze zu Mexiko. "Die republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus wollen, dass jede zusätzliche Finanzierung unserer nationalen Sicherheit an unserer eigenen Grenze beginnt", schrieb Johnson auf X.

Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Unterstützer der Ukraine im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 haben die USA der Ukraine bereits Militärhilfen in Höhe von mehr als 44 Milliarden Dollar geliefert oder zugesagt. Der Wegfall dieser Hilfe wäre fatal, zumal auch Europa seinen selbst auferlegten Lieferverpflichtungen für Munition an die Ukraine nicht nachkommt, wie unlängst der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius einräumen musste.

Unterdessen rechnet Kiew nach einer längeren Pause mit neuen massiven russischen Raketenschlägen gegen die ukrainische Energieversorgung. "Wenn sie diese Schläge noch nicht begonnen haben, dann können diese an jedem Tag beginnen", sagte Luftwaffensprecher Jurij Ihnat in einem am Montag von der Nachrichtenagentur RBK-Ukrajina veröffentlichten Interview. Die russische Rüstungsindustrie habe die Produktion von Raketen und Kampfdrohnen hochgefahren.

Etwa 870 Raketen unterschiedlichen Typs soll Moskau nach Angaben Ihnats derzeit zur Verfügung haben. Jedoch verfüge das russische Militär nicht mehr über die Mittel wie im vorigen Jahr. Im September des Vorjahres seien es noch 1.600 Marschflugkörper gewesen.

In der Nacht auf Montag wurde die Ukraine eigenen Angaben zufolge mit 23 russischen Kampfdrohnen und einer Rakete beschossen. Von den Drohnen, die die Russen von der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim aus gestartet hätten, seien 18 erfolgreich abgewehrt worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Auch die Rakete sei abgeschossen worden. Über mögliche Opfer und Schäden war zunächst nichts bekannt. Insgesamt war die Luftverteidigung demnach in der Nacht in neun verschiedenen Regionen des Landes aktiv.

Auch am Boden gehen die Kämpfe trotz des Wintereinbruchs und hoher Verluste weiter. So sind nach britischen Schätzungen bisher etwa 70.000 Russen in dem Angriffskrieg Moskaus getötet worden. Dabei handle es sich um 50.000 reguläre Soldaten sowie 20.000 Mitglieder der Privatarmee Wagner, teilte das britische Verteidigungsministerium am Montag mit. Die Zahl der Verwundeten zwischen dem Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 und Ende November 2023 wird in London auf 180.000 bis 240.000 Soldaten und 40.000 Wagner-Kämpfer geschätzt.

"Dies ergibt eine geschätzte Spanne von insgesamt 290.000 bis 350.000 Opfern unter russischen Kombattanten. Der Mittelwert der Schätzung liegt bei insgesamt 320.000 russischen Opfern", hieß es weiter. Auch nach NATO-Einschätzung von Ende November wurden inzwischen mehr als 300.000 russische Soldaten getötet oder verwundet.

Darunter sind auch viele ranghohe Offiziere. Die russischen Behörden haben nun offiziell den Tod eines weiteren russischen Armeegenerals in der Ukraine bestätigt. "Im Kampfeinsatz im Gebiet der militärischen Spezialoperation ist der stellvertretende Kommandant des 14. Armeekorps der Nordmeerflotte, Generalmajor Wladimir Sawadski, gefallen", teilte der Gouverneur der Region Woronesch, Alexander Gussew, am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit. Über dessen Tod hatten in der vergangenen Woche bereits ukrainische Medien berichtet.

ribbon Zusammenfassung
  • Die vom US-Kongress bewilligten Mittel für die Ukraine werden nach Angaben der Regierung in Washington zum Jahresende komplett aufgebraucht sein.
  • In dem von Russland überfallenen Land tobten auch am Montag schwere Kämpfe und jeden Tag rechnet die Führung in Kiew mit massiven Schlägen gegen das Stromnetz.
  • Jedoch verfüge das russische Militär nicht mehr über die Mittel wie im vorigen Jahr.