APA/GEORG HOCHMUTH

Türkischer Botschafter will Wiederaufnahme von EU-Gesprächen

Der türkische Botschafter in Wien, Ozan Ceyhun, spricht sich in einem Interview für die schnelle wieder Aufnahme von der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus.

Die Türkei wünscht eine rasche Wiederaufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen. Diese seien "extrem wichtig", weil man in ihrem Rahmen "auch über Probleme reden und Lösungen finden" könne, betonte der türkische Botschafter in Wien, Ozan Ceyhun, im APA-Interview. Die EU brauche die Türkei, wenn sie künftig auf globaler Ebene eine "bestimmende Rolle" spielen wolle, so Ceyhun. Lobend äußerte er sich über die österreichische Integrationspolitik. Den Türken in Österreich gehe es gut.

"Eines Tages Mitglied der Europäischen Union"

"Klar, Türkiye hat vor, eines Tages Mitglied der Europäischen Union zu sein", bekräftigte der Botschafter. Dieses Ziel sei unverändert. Konkret wünsche das Land nicht nur die Wiederaufnahme der Beitrittsgespräche, sondern auch die Modernisierung der Zollunion zwischen der EU und der Türkei. Dies würde nämlich nicht nur türkischen Unternehmen nutzen, sondern vor allem auch europäischen.

Die Wiederaufnahme der Beitrittsgespräche sollte auch kein Problem für Länder wie Österreich sein, die eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ablehnen. "Verhandlungen heißt ja nicht, dass wir morgen Mitglied sind, aber bei den Verhandlungen kann man auch über Probleme reden und Lösungen finden", argumentierte er. Zugleich betonte Ceyhun, dass die Europäische Union mit der Türkei künftig "ganz anders als heute umgehen muss". Diesbezüglich verwies er auf die Rolle seines Landes als Vermittler zwischen Moskau und Kiew, in der Flüchtlingsfrage oder auch als Energielieferant. Entsprechend müsse er als Beobachter in Richtung EU feststellen, "dass es bei der neu entstehenden Weltordnung sehr wertvoll sein könnte, Türkiye auch mit dabei zu haben".

Ceyhun machte klar, dass die Türkei als EU-Mitglied auch eine entsprechend andere Ukraine-Politik verfolgen würde. Aktuell gehe es dem Land vor allem darum, ein Ende des Krieges zu erreichen, weil auch Europa unter diesem leide. "Wir unterstützen die Ukraine. Wir sind aber kein Gegner von Russland", sagte der Diplomat, der in diesem Zusammenhang insbesondere den Einsatz für eine Fortsetzung des jüngst von Russland aufgekündigten Getreideabkommens hervorhob.

"Türkiye und Österreich sind zwei befreundete Staaten"

Betont positiv äußerte sich Ceyhun über die bilateralen Beziehungen. "Türkiye und Österreich sind zwei befreundete Staaten, und das bleibt immer so", sagte er. Es gebe von der höchsten Regierungsebene abwärts "von beiden Seiten einen sehr guten Dialog", betonte der Diplomat. Er sei auch "begeistert", dass führende Regierungsvertreter auf Bundes- und Landesebene sich um das Integrationsthema bemühen. "Es gibt sehr viele Programme, sehr viele Hilfsangebote, sehr viele Integrationsmaßnahmen, das ist sehr erfreulich." Auch sei man "jederzeit" bereit zu Gesprächen und aufgeschlossen für Vorschläge. "Dialog, Dialog, Dialog, das ist das Allerwichtigste", betonte Ceyhun.

Angesprochen auf die umstrittenen Ausschreitungen am Abend der türkischen Präsidentenwahl in Wien-Favoriten äußerte Ceyhun Verständnis dafür, "dass einige Menschen das nicht gut gefunden haben". "Wir sollten darüber reden und dafür biete ich auch meine Zusammenarbeit an." Er habe daher umgehend den Kontakt zum Bezirksvorsteher Marcus Franz (SPÖ), zu Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sowie zu Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne) gesucht. Weil nicht alle Beteiligten türkischstämmig gewesen seien und über türkische Heimatvereine nicht zu erreichen seien, habe er vorgeschlagen, es z.B. über Sportvereine zu versuchen.

Doppelstaatsbürgerschaft

Beim Thema Doppelstaatsbürgerschaft äußerte Ceyhun "Respekt" für die österreichische Position, diese abzulehnen. Er selbst sei deutsch-türkischer Doppelstaatsbürger "und ich habe nie gesehen, dass es Probleme verursacht hat", so Ceyhun, der in den 1980er Jahren über Österreich nach Deutschland gekommen war und dort in Verwaltung und Politik Karriere gemacht hatte. Diesbezüglich zog er einen Vergleich zum Fußball. Die Nationalmannschaften der Türkei und Deutschlands spielten in seinem Leben "höchstens zehn Mal" gegeneinander, und in diesen Fällen sei er für die Türkei. Aber insgesamt bestreite Deutschland "mindestens hundert Nationalspiele mit vielen anderen Mannschaften. Wenn Deutschland nicht mit Türkiye spielt, bin ich für Deutschland."

ribbon Zusammenfassung
  • Die Türkei wünscht eine rasche Wiederaufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen.
  • Die EU brauche die Türkei, wenn sie künftig auf globaler Ebene eine "bestimmende Rolle" spielen wolle, so Ceyhun.